## Title: Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin. Pillnitz, erhalten Dienstag, 22. Mai 1849 ## Author: Weber, Caroline von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A046343 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Meine lieben Kinder! Wenn ich Euch auf Eure lieben herzlichen Briefe nicht gleich antwortete, so verzeiht Ihr mir es gewiss wenn Ihr bedenkt dass die schreklichen Ereignisse welche unser armes Dresden betroffen auch selbst die, welche nicht auf die traurigste Art dabey betheiligt waren bis in die tiefste Seele erschütterte und allen Lebensmuth uns raubte. Max wird Euch alles ausführlich geschrieben, und, so viel man kann, beschrieben haben. Auch dass ich, von Gott beschützt, grade den Tag bevor das Schrekliche anfing, noch ganz ruhig nach Pillnitz zog ohne auch nur eine Ahndung davon zu haben was uns bevor stant — Ich war die Wochen vorher so krank hatte einen so schreklichen Husten dass der Artzt mir die grösste Ruhe und Schonung anempfahl, und mir nichts bessres rathen konnte als schleunigst nach Pillnitz zu ziehn und dort eine Cur zu beginnen. Ja, wo wird wohl die alte Mutter Weber Ruhe finden? Kaum war ich zwey Tage in meinen kleinen Stübchen, kaum hatte ich mich einwenig eingerichtet, als Max mir Frau und Kinder brachte, und sich nun jeden Tag die Schrekensnachrichten häuften. Wir hörten die schreklichen Kanonen, wir sahen das Feuer an vielen Punkten der Stadt aufsteigen, wir hörten von den Flüchtlingen die grässlichsten Beschreibungen; kurz, wir litten alles mit was die armen Dresdner durchmachen mussten, und litten fast noch mehr weil uns noch die Ungewissheit quelte —. Vorigen Sontag quelte mich Max, einmal in die Stadt zu komen um die Verwüstung zu sehen — aber nur mit Thränen konnte ich Schritt vor Schritt weiter gehen, nur mit herzinnigen Jammer sehen was menschlicher Wahnsinn über uns gebracht hat! Villeicht werden 10 Jahre vergehen ehe sich die armen Betheiligten, denen man Häuser zerschoss, und abbrante, denen man alle Mobilien zugrunde richteten, wieder in Etwas erholt haben ehe die Menschen wieder Lebensmuth und Frohsinn in ihre Seele aufnehmen können. Und mir sagt es eine schlimme Ahnung dass es mit diesem Sturm noch nicht abgemacht ist, dass erst das eigendliche Wetter von Ferne daher zieht welches uns ganz zu Grunde richten soll — Die schlimsten Rädelsführer sind nach Frankfurt entflohn dort ist der Herd auf welchen sie nun ihren Züntstoff niederlegen und das Feuer aufs neue anfachen. Wagner ist auch dahin entflohn, Röckel aber ist gefangen und soll auch verwundet sein. Fast muss ich sagen „ich fürchte man wird gegen das Volk wieder zu milde verfahren, und die halbe Masregel wird uns abermals Verderben bringen.[“] Ein Windischgräds könnte uns hier jetzt nicht schaden — Schreklich, dass eine Frau dies sagen muss! aber wenn man sieht wie viel Thränen und Blut diese Menschen erpresst haben, wie viel Familienglück sie zerstört haben, dann warlich kann man kein Mitleid mit Ihnen haben —. Ich wohne jetzt wieder allein in Pillnitz denn Nettchen war hier schlecht untergebracht, befand sich nicht wohl hier, und eilte in die Stadt als wir Einquartierung bekamen. Ich gehe viel in den Wald hinaus um durch den Duft der Kifern und Tannen meine arme Brust zu stärken. Der Husten fängt auch an nach zu lassen und ich habe auch schon etwas mehr Athen. Anfangs vermögte ich keinen Berg zu steigen und gestern bin ich Abend schon auf die Ruine gestiegen, Ach wie schön war es da!! wie ruhig und heilig lag das schöne Land unter mir! Kaum kann man es glauben dass noch vor kurzen solchen Greul die schöne Stadt verwüstete. Da sitzt nun unser armer König fast eingesperrt, auf seiner Festung. Ungeliebt von seinem Volk, dem er stets nur wohl gethan, durch fremde Macht geschützt gegen seine Unterthanen welche ihn früher den guten König nanten — nein, als [ich] mein Auge nach Königstein wante und mich an die Stelle des armen Mannes dachte, da musste ich herzlich weinen, denn wenn er seine Lage fühlt, muss er sehr unglücklich sein. Was sind überhaupt die Grossen der Erde jetzt? ach, ich mögte mit keinem tauschen so viel Sorgen ich auch jetzt auf dem Herzen habe — Ich bitte sie lieber Jähns sich doch einmal zu erkundigen wo Meyerbeer jetzt ist. Ich habe 2 Briefe an ihn geschrieben wegen den Handschrieften Webers welche ich ihm vor 10 Jahren zum Behuf der Vervollständigung der Oper, die Pintos, senden musste aber keine Antwort erhalten. Es wäre doch schreklich wenn das ganze Paquet verloren gegangen wäre! Ich bin überhaupt jetzt fest entschlossen ein Ende mit der ganzen Sache zu machen, und sie einen tüchtigen Advokaten zu übergeben. Ich habe einen brieflichen Contrakt von ihm in Händen in welchen er sich verpflichtet bis zu Ostern 1847 die Oper zu vollenden oder den Erben Webers 2000 Thaler zu bezahlen. Bis jetzt habe ich stets seinen Bitten nachgegeben ihm noch ein Jahr Frist zu lassen, aber bey den vielen Verlust welchen wir gehabt muss ich ernstlich daran denken ihn zu seinen Versprechen zu veranlassen und sollte ich mich desshalb an Euren König wenden. Sprechen Sie einmal mit Lichtenstein darüber was er mir räth zu thun. Ach es ist eine so schlime Zeit dass man alles Zartgefühl bey Seite setzen muss. Leider habe ich durch Meyerbeer abermals einen Verlust erlitten denn im Januar wurde ich angegangen der hisi[g]en Bibliothek ein Manuschcript Webers zu verkaufen, und weil ich ausser den 5 Partituren nichts mehr habe schrieb ich an Meyerbeer um Zurücksendung des Paquets. Leider ist nun nicht mehr die Zeit etwas für die Königl. Bibliothek anzukaufen, und so ist er auch an diesen Verlust schuld — Nein, nein, ich habe nun die Geduld verloren und will mich nicht mehr zum Narren halten lassen. Wer weiss denn wie lange ich noch zu leben habe, ich will wenigstens für Max noch thun was ich kann. Gott sey mit Euch Ihr guten Theilnehmenden Freunde. Schütze uns alle Gott, und schenke uns Ruhe und Frieden. Grüsst mir Lichtenstein recht recht herzlich. Stets Eure treue Mutter Weber.