WeGA, Briefe, Digitale Edition Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin<lb/>Dresden, Riesa, erhalten Sonntag, 23. September 1849 Weber, Caroline von Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Frank Ziegler Eveline Bartlitz

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Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe
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Machine-Readable Transcriptions of Texts from the Carl Maria von Weber Complete Edition (WeGA)

Persönliches zum Sommer in Pillnitz und zum Umzug nach Dresden; Jähns soll sich über die negative Besprechung seiner Freischütz-Ausgabe nicht ärgern; sie wollte die Freischütz-Partitur nicht dem Stecher anvertrauen, da sie geschont werden muss; Meyerbeer hat seinen Kontrakt mit ihr abermals um ein Jahr verlängert, sie fürchtet, dass es so weitergehen wird; sie kann vorläufig nicht nach Berlin kommen; ihre Schwiegertochter erwartet im November ihr drittes Kind Soeben bekome ich Deinen lieben Brief gute Ida D Dresden Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Mscr. Dresd. App. 2097, 130

masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 130 des Konvoluts)

5 S.

am Kopf die Notiz: Empfangen den 23. Sept. 49.

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Weber, Caroline von Dresden Riesa Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns, Ida Berlin 23. September 1849 German Obsoletes Element tei:textClass entfernt Texteingabe u. Auszeichnungen nach Vorgabe von Frank Ziegler u. von diesem auf status approved gesetzt Signatur- u. Datum-Berichtigung nach Vorgabe von Frank Ziegler Initiale Transformation aus muks.ask
Meine lieben Kinder

Soeben bekome ich Deinen lieben Brief gute Ida, von Pillnitz mir nachgeschickt, und ich will ihn gleich beantworten trotz dem dass ich umgeben bin von Malern Tappezierern Scheuerweiber, Staub und Unordnung. Ich bin schon den 15. Sept. hereingezogen weil die Frau bei der ich wohnte! von Tag zu Tag fauler und unartiger wurde und mich schlecht bediente, dass ich es nicht mehr aushalten konnte. So lange Max bey mir war lies ich mir alles gefallen um ihn nichts merken zu lassen was ihm den Aufenthalt trüben konnte als mich aber die gute Seele verlassen hatte, fuhr ich einmal mit einen kleinen Donnerwetter drein, und nach so einer Explotion ist es besser wenn man seine Gesundheit liebt gemeinen Menschen aus dem Wege zu gehen. Mit dem kalten Wetter hatte ich es auch gut getroffen, denn bis jetzt ist seit meinen Hereinzug kein einziger schöner Tag gewesen. Zum Glück hatte Susemiel schon ein Logie und konnte ausziehen, verlies mir aber das Logie in einem Zustant, dass eine Totale Reparatur nothwendig wurdeFranz Susemihl ist im Dresdner Adreßbuch für 1850 (S. 116) unter der Adresse gr. Plauenscheg. 9b. pt. nachgewiesen, erstaunlicherweise unter derselben Anschrift wie Caroline von Weber (S. 124). Der vorherige Chemnitzer Amtsactuar hatte eine Anstellung im sächsischen Ministerium des Innern in Dresden erhalten und war in diesem Zusammenhang zum Referendar befördert worden; vgl. die Nachricht vom 1. Juni in: Dresdner Journal und Anzeiger, Jg. 1849, Nr. 151 (4. Juni), S. 1199. Da nun jetzt alle Handwerker ihre Dienstleistungen nur aus Gefälligkeit thun, so bin ich nach 8 Tagen noch immer in Unordnung, und vom Staub und Zug wieder ganz unwohl. Der Aufenthalt in Pillnitz hatte meinen armen Max ganz gut gethan; der Husten verlor sich, und das rührend freundliche Entgegenkomen all unserer Pillnitzer Freunde stimmte ihn wieder ganz heiter. Leider dauerte die Freude nicht lange, und nach seiner Entfernung Litt es mich auch nicht mehr draussen. All die schönen Plätze welche wir im Traulichen Austausch der Gedanken mit einander besuchten, erregte nur eine tiefe Wehmuth in mir, und ich war ordentlich froh dass kalte, trübe Witterung eintrat welche mich an’s Zimmer fesselte. Ach Ida! Dies schöne ungestörte Zusamenleben machte mir es erst recht klar wie anders es sein könnte wenn — — doch geschehene Dinge muss man geduldig tragen sonst wird man ungerecht, und ich fürchte es zuweilen schon zu sein. Max war in diesen Tagen hier, und — wieder gar nicht recht wohl, und dabey so verstimmt dass er fast nur mit den Kindern sprach. Seine Existenz in Riesa ist aber auch in wahrheit eine Trostlose, denn er hat dort keinen Menschen mit dem er sprechen kann. Wenn er sich nun auch den ganzen Tag nützlich beschäftigt, so ist doch Abends die Einsamkeit, besonders wenn er sich unwohl fühlt, fast unerträglich. Du Kannst denken gute Ida dass die Sorge um dies geliebte Wesen mein Herz sehr bedrükt, besonders wenn ich in die Zukunft sehe wo das liebende Mutterherz ihm fehlen wird ‒ ‒ Nun wie Gott will! Er wird alles zum Besten kehren.

Dass sich der arme Wilhelm über die hämische Rezension so sehr betrübtDie von Jähns vorbereitete Freischütz-Partiturausgabe bei Schlesinger von 1849 (PN: S. 3512.) ist tatsächlich sehr fehlerhaft; vgl. das Korrekturexempar aus dem Besitz von Jähns, D-B, Weberiana Cl. IV A, Bd. 4b, einsehbar unter: Digitalisierte Sammlungen Staatsbibliothek zu Berlin. Auf welche negative Besprechung Max Maria von Weber aufmerksam gemacht hatte, ist fraglich., thut mir von Herzen leid, und ich habe Max gescholten dass er Euch davon schrieb. Aber er meinte, es geschähe dem Wilhelm gewiss Unrecht und er müsste den Kerl zurecht weisen.

Wilhelm soll sich ja nicht drüber grämen, und nichts dagegen schreiben, denn das macht die Sache noch schlimer. Mir kömt vor, was Max mir davon sagte als ginge die ganze Sache mehr auf Schlesinger — doch wie gesagt Wilhelm soll sich nicht ärgern, denn damit schadet er sich, und nützt der Sache nichts. Dem StecherLaut Verlagsbuch war ein gewisser Zacharias als Stecher für den Band verantwortlich. konnte, und wollte ich die Partitur nicht anvertraun, denn da ich sie zu einem Geschenk für (Sie wissen schon für wen), bestimt habe, so müsste sie so viel wie möglich geschont werden. Eben so wenig werde ich es bey dem Oberon gestatten Schlesinger mag sich eine corekte Partitur abschreiben lassen, wenn er dazu zu geizig ist kann ich ihm nicht helfen. Dass die Ausstattung wieder so elend ist wie der Berichterstatter in sagt, kann ich kaum glauben denn Schlesinger stünde sich dadurch doch gar so sehr selbst im Licht. Meyerbeer hat sich zur Vollendung von Webers Oper abermals eine Jahresfrist ausbedungen und ich denke die Sache wird wohl so bis in alle Ewigkeit hinaus geschoben werden sollen — — —

Ja es wäre wohl recht schön wenn ich Euch noch einmal in Berlin besuchen könnte, aber leider sieht es ganz so aus als wenn Nettchen spätestens Anfang November nieder käme, und wenn nun wirklich Max den 1. Oct. seine Stellung verliert so könnt Ihr Euch denken dass von einer Reise für mich nicht die Rede sein kann. Ach wie viel habe ich für meine alten Tage erwartet, und wie sorgenvoll ist der Schluss des Lebens! ZeitSeit vor 5 Jahren, wenn ich denke wie da jeder Tag eine Freude brachte, wie heiter die Stunden im LämchenLandgasthaus Lämmchen im gleichnamigen Vorwerk der Dresdner Johannstadt; vgl. den Brief vom Januar 1842. mit den jungen Leuten in Gesang und Fröhlichkeit dahin flossen — und jetzt? wie stumm und öde ists um mich in meiner einsamen Wohnung, kein frohes Gelächter, kein heiterer Gesang, nur trübe Stille, und kränkliches Unbehagen. Ja, ich hätte wohl die Elemente in meinem Geselligenkreis, dem armen Max in meinem Haus Zerstreuung zu verschaffen, aber muss man nicht immer daran denken dass man nur an das Nothwendige und nicht an das Angenehme denken darf, muss ich nicht bey jeder Ausgabe sorgen, es könnte später da fehlen wo nichts fehlen darf? Ach das leidige Geld wohl ist es ein Nothwändiges Uibel, und ohne das ist kein Schein von Behaglichkeit zu erringen. Wenn Ihr in Dresden wohntet würde wohl alles anders sein, aber das sind frome unerreichbare Wünsche Nun so möge denn das Leben getragen, und ertragen werden so gut es geht. Ich muss zu leben wünschen für Maxdreifach unterstrichen. Die Kinder sind wohl und munter. Lina fängt an zu laufen und ist munterer seit sie abgewöhnt ist als vorher. Marie entwikelt sich immer liebenswürdiger und ist meine grösste Freude. Nettchen ist sehr stark und schwerfällig und klagt oft über Schmerzen. Seit Brauer sich ein neues Instrument angeschafft, sehen wir ihn wenig. Er spielt jetzt jeden Abend mehrere Stunden. So schweigsam er oft war, so vermisse ich ihn doch.

Ja, es fällt ein Blatt nach dem andern vom Baum, bis er ganz kahl und öde steht. Gott sey mit Euch Ihr Lieben mit treuer Liebe stetsEure MutterWeber

Den Schluss meines Briefes schreibe ich hier in Riesa, denn eben als ich sieglen wollte kam ein Brief von Max dass er unwohl sey, Ich fuhr gleich hieher und finde ihn mehr Hipochoner als ernstlich krank. Ich bleibe bis er wohl ist.