## Title: Aus meinen Flüchtigen Aufzeichnungen aus meinem Leben (1860) ## Author: Alexander von Dusch ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032347 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Aus meinen #lb#Flüchtigen Aufzeichnungen #lb#aus meinem Leben. Für meine Söhne.– – – – In jener Zeit war es auch, wo sich ein ungemein reges musikalisches Treiben entwickelte. C. Maria von Weber (damals circa 23 Jahre alt) war von Stuttgart gekommen, wo er einige Zeit Privatsecretär von Herzog Louis von Württemberg gewesen. (Aus der früheren Zeit seines Lebens ist mir sonderbarer Weise fast nichts bekannt geworden, so innig wir auch einige Jahre mit einander lebten.) Er kam, wenn ich nicht irre, im Wintersemester 1809/1810, dem letzten meiner Studienzeit, nach Heidelberg, war an mich direct oder mittelbar empfohlen. – Mit diesem Aufenthalt in Heidelberg u. Mannheim begann er eigentlich seine Künstlerlaufbahn. – Ich war als Violoncellspieler schon manchen Künstlern nicht unbekannt, besonders für’s Quartett brauchbar. Schon 1807, als der berühmte Spohr auf einer seinen ersten Kunstreisen nach Heidelberg kam, mehrere Concerte gab u. gern Quartetten spielte, dann 1808 die Gebrüder Bohrer sich hier hören ließen, war ich brauchbar befunden worden, und hatte als Student, der bei seinen Comilitonen als Melomane bekannt war und etwas galt, wesentlich zum Gelingen der Concerte beigetragen. So geschah es denn auch mit Weber. Es war damals auch einige musikalische Liebhaberwelt hier in Heidelberg. Der Musikdirector u. Organist Hoffmann spielte ganz gut die Geige, selbst für Prima-Violin für unsre gewöhnlichen Quartette; der Studiosus Gambs – ein Preuße, der später den Kurländer Sacken im Duell erschoß und, wenn ich nicht irre, im Befreiungskampfe geblieben ist – war ein sehr fertiger Violinspieler; die Tochter des Geh. Rths. Kopp aus Cassel, jetzige Geh. Rath. Dahmen war eine ausgezeichnete Pianistin. | Mit beiden kam ich häufig zur Ausführung Beethoven- und Mozart’scher Quartette zusammen. Auch mit dem Tasso- und Ariost-Übersetzer Dr. Gries, der trotz seiner Taubheit großer Melomane und geschickter Clavierspieler war, spielte ich nicht selten Duetten pp. – Es ward mir nicht schwer meinem neuen Freunde C. M. v. Weber, denn das wurde er sehr bald, ein paar (für Heidelberg) sehr einträgliche Concerte zu Stande zu bringen; auch gefiel sein ganzes Wesen der Studentenwelt ungemein. Ich trat selbst mit meinem Violoncell in seinen Concerten als Solospieler auf u. das zog wenigstens Freunde u. Neugierige herbei. Weber hatte mir auch in wenigen Tagen zu dem Zwecke Variationen für Violoncell componirt, die ich vortrug. Ich besitze noch unter meinen Musikalien die Prinzipalstimme von Weber’s eigner Hand geschrieben; die Begleitungsstimmen von Copistenhand aus der Partitur gezogen; sie sind in späterer Zeit, vielleicht etwas überarbeitet! bei Schlesinger in Berlin erschienen. Mein lieber Sohn Ferdinand hat ja sogar mit vieler Mühe, die er sich bei meinen alten Papieren gegeben, einen Conzertzettel von einem Weber’schen Concert in Heidelberg aus jener Zeit aufgetrieben, dessen gedrucktes Programm das bestätigt, was ich oben nach meinem Gedächtniß erwähnt habe. (Er ist vom 15. August 1810.) Und nun gieng es, Ostern, mit freudigen Schritten nach Mannheim; doch nicht, um Heidelberg ganz aufzugeben; nein, der lebhafte Verkehr blieb bestehen. Waren ja doch neuere und innige Universitäts-Freunde von mir dort zurückgeblieben, die ihre Studien noch mehrere Jahre fortsetzten. Roeck aus Lübeck, (der jetzige Bürgermeister), Rehbnitz, die treue, schweigsame, künstlerische, tief empfindende Seele, Krohn, der Herrliche, Schwermüthige, der 1814 in Berlin als ein Opfer tiefsinniger philosophischer religiöser, selbstquälerischer Grübeleien sein Leben endigte, (Siehe „Eilers Wanderungen durch das Leben“ und dessen Brief an mich von 1814, der sich noch vorfindet,) | Eilers selbst, der Landsmann des Historikers Schlosser pp. – und war denn nicht das Stift Neuburg, das paradisische Besitzthum der Hout’schen Familie, bei Heidelberg gelegen, als immerwährender Anziehungspunkt ein Aufenthalt, gemacht für selige Menschen? – Vier Sommer hindurch während meiner Studienzeit hatte ich wohl die meisten Abende dort bis 10 – 11 Uhr zugebracht – auch gar manchen Winterabend, und war, wie oft! bei Mondschein nach Hause gegangen, Goethe’s Lied summend: „Füllest wieder Busch und Thal still mit Nebelglanz“, und manche Ferienwoche hatte ich ganz, Tag und Nacht, dort verweilt. Solche Zeiten und Stunden vergessen sich freilich nicht, wie schwach auch das Gedächtniß sonst werden mag; sie graben sich immer tiefer in die Seele, je ärmer das Leben wird, und bei jetzigen Spaziergängen auf jenem Wege kann ich nicht lange dorthin sehen, ohne vom Gefühle überwältigt zu werden. Zwischen Mannheim und Heidelberg und dem Stift Neuburg waren also in den Jahren 1810 bis 13 – 14 wie gesagt die Besuche hin u. her, selbst mit längerem Aufenthalt, häufig genug. Es versteht sich von selbst, daß meine Freunde überall aufgeführt und als Freunde mit aufgenommen waren. Es galt das besonders von Roeck und Rehbnitz. (Letzterer ist Pathe meines Theodor’s und in diesem Augenblicke noch in Kiel als akademischer Lehrer der zeichnenden Künste angestellt.) Als nun C. M. v. Weber mit seinen Concerten in Mannheim auftrat, war er gar bald durch seine Kunst und seine Persönlichkeit der Liebling der ganzen Stadt. Ein so origineller, ausgezeichneter Künstler, mit so feiner ausgezeichneter Weltbildung, war eine gar seltene Erscheinung; sein Verstand zeigte sich zwar nicht minder ausgezeichnet und ausgebildet, und an reichlich gesammelten Lebenserfahrungen, die er gar wohl anzuwenden wußte, | fehlte es ihm trotz der jungen Jahre (23 Jahre) keineswegs; aber sein ganzes Wesen trug dabei doch das unverkennbare Gepräge der Genialität, sowie seine angenehme heitere Laune, die über dem Grunde eines tiefen Gemüthes schwebte, sich nicht selten zum Humor erheben konnte. War auch seine äußere Gestalt unscheinbar, klein und schwach, mit schmalen Schultern: so fesselte doch alsbald die schöne Form des länglichen Kopfes, der geistige Ausdruck der ganzen Gefühlsbildung mit ihrer Frische und lebendigen Jovialität – die offne Rede einer schönen sonoren Baritonstimme, Aufmerksamkeit und Neigung. In unserm engeren Kreise, mit dem er natürlich zuerst vertraut wurde und blieb, ward er gar schnell das geliebte Schooßkind. – Ich habe schon weiter oben, wenn ich mich recht erinnere, vorausgreifend einiges von den Jahren 1810, 11 pp erwähnt. – Gottfried Weber, der liebenswürdige, congeniale, herrliche Mensch, mußte denn Carl Maria v. Weber natürlich ganz besonders anziehen; sie verstanden sich Beide, man möchte sagen, bei der ersten Berührung schon durch und durch. Die Bekanntschaft machte sich durch die Musik von selbst. Ob C. M. v. W. durch mich dort eingeführt worden, oder durch Briefe, ist wohl ganz gleichgiltig, genug, wir fühlten uns Alle zusammen als wahre ächte Freunde, als Brüder für’s Leben. – Gottfried war im Jahre vorher, 1809, mein Schwager geworden, nachdem er seine erste Frau, Therese von Edel, ein sehr liebes edles Wesen, verloren. Sie war am 14. Aug., und mein theurer guter Vater den Tag darauf, am 14. Aug. 1808, gestorben. Durch dieses zusammentreffende, erschütternde Schicksal schlossen wir uns, Gottfried und ich, nur noch fester aneinander an. [Von der Hand Duschs überlieferter Teil:] Es wäre vergeblich, wollte ich versuchen Euch eine Schilderung von der künstlerischen Bewegung, von dem musikalischen Leben und Treiben [zu] machen, das durch C. M. Weber’s langen Aufenthalt besonders in unserm Kreise hervorrief. Seit einem Jahre hatte sich die neue Museumsgesellschaft gebildet, u. Gottfried Weber [war] unausgesetzt thätig in den musikalischen Abendunterhaltungen, zu denen ein ziemlich großer Saal zu Gebote stand, unter seiner Leitung neuere Tonwerke von den „Liebhabern“ aufführen zur Aufführung zu bringen die man, wie ich schon oben erwähnt, auf gewöhnlichen Wege nicht zu hören bekam. – Die große Superiorität und die Fähigkeit Gottfried Weber’s zur Führung eines Orchesters und großer Gesang-Chöre, wenn er schon gleich er nur als „Liebhaber“ war auftreten konnte, war allmählig allgemein anerkannt. Selbst das verstockte Virtuosenthum, deßen Stolz sich lange gegen einen „Liebhaber“ gesträubt hatte, erkannte endlich seine Superiorität | und ließ sich endlich auch herbei, Einige als aufgenommene Mitglieder des Museums, andere gegen Bezahlung unter der Direktion Weber’s mitzuwirken. Dieser verstand ohnehin seine Leute zu behandeln, und auf die geschickten Blas-Instrumentisten des Orchesters, die wir am meisten nöthig hatten, übte er noch einen besondern Einfluß, weil sie sich überzeugt hatten, daß er die Natur und Organisation ihrer Instrumente beßer kannte als sie selbst, und sie sich gar oft bei ihm (in Bezug auf Klappen Mundstücke, Einsatz pp.) Raths erholten. – Der unvergleichliche Frey, der seinem Sinne nach ohnehin mehr zu uns, als zum gewöhnlichen Orchestervolk gehörte und der im Quartett-spiel wenn noch nicht die höchste, doch gewiß schon die vorletzte Stufe in Geist, Seele und Gewandheit des Vortrages erreicht hatte, stand natürlich immer an der Spitze der Violinen, und eine Hauptsäule, der Contra-Baßist Keil, fehlte nie, mehr noch aus schönem Eifer für die Sache, als wegen der Renumeration, die er bedurfte. | Für den Solo-gesang leistete als Sopran meine Schwester (G. Weber’s Frau, die C. M. W. scherzweise immer Frau Base nannte) mit ihrer seltnen wunderschönen, ganz nach italienischer Methode, ohne italienische durchgebildete Stimme Coloraturen, mehr als irgend eine Theater prima-donna; eine Altistin wie Fräulein Therese Grua war in der ganzen Oper nicht zu finden, eben so wenig ein Tenor wie die herrliche Stimme des Apothekers Walter, der das Theater verlaßen hatte weil ihm die Apotheke durch Heirath lieber war; nur dem Solo-Baß-Sänger mußten wir Schmeichelworte geben. – zu den Chören drängte sich eine solche Menge, daß man Mühe hatte die Ungeschickten abzuhalten. Und nun denke man sich die Wirkung des gewaltigen Ferments das durch die Ankunft C. M. Weber’s in diese Bewegung kam. Außer den öffentlichen Conzerten die er gab, und die seinen Ruf bald nach vielen Seiten hin verbreiteten, gehörte er glücklicher weise unserm kleinern Kreise an, der ihn anzog und von ihm mächtig angezogen wurde. Tonel Hertling, Eure Mutter, Frau Hout, Clary Solomé[,] alle mit dem feinsten Gefühl für ächte Kunst begabt, waren entzückt von seinen | Compositionen, deren freilich erst wenige waren, von seiner Meisterschaft und seinen originellen Phantasien auf dem Clavier, fast mehr noch von seiner liebenswürdig geistreichen Persönlichkeit. – C. M. mußte nun bei Gottfried Weber wohnen, so oft und so lange er in Mannheim war, und uns beiden schloß er sich mit der innigsten Freundschaft an. Seinem alten Vater wurde ein den er mit sich nach Mannheim zog, wurde eine kleine Wohnung in der Nähe meines elterlichen Hauses verschafft. C. M. sorgte für den alten Mann der der Sorge sehr bedurfte, und in der Abwesenheit C. M. war mein Schwager Gottfried damit beauftragt. – Wir drei waren, so wie es nur unsre Zeit erlaubte, beisammen; an den Abenden wurde vierstimmig gesungen, G. Lieder vorgetragen. u. s. w. # G. Weber’s 12 vierstimmige Gesänge sind die Frucht jener Zeit. Nicht reich an musikalischen Ideen und Erfindung, war er dagegen Meister des Satzes und der verständigsten Behandlung des Textes. Seine Lieder gehören nächst denen unsers Carl Maria zu den schönsten besonders in der deklamatorischen Behandlung. Übrigens war sich G. Weber wohl bewußt, daß die Bahn die er in der Kunst zu wandeln habe, nicht im Praktischen läge. Forschen, reformiren und Festhalten einer reinen Theorie, scharfe gesunde Kritik, im Technischen wie im Aesthetischen das war seine unausgesetzt verfolgte Aufgabe; – die C. Maria’s war rastlose geniale Produktion, die in wenig Jahren Großes in der Kunst welt hervorbringen sollte, wie er es zur Freude der Welt u. Nachwelt gethan hat. Da G. Weber seine schweren Berufe als Advokat, Richter, Gen. Staatsprokurator mit Auszeichnung erfüllte so muß man über die Vielseitigkeit und enorme Arbeitskraft des Mannes staunen, der zugleich so Bedeutendes in der Kunst als wahrer Reformator geleistet hat. C. M. herrliches frisch und originell gedachtes Clavier-quartett nebst andern quartetten und Clavier-Musik wurde man nicht satt zu hören so oft es auch bei Hertling’s, bei Weber im Museum aufgeführt wurde. In letzterem wurde denn gar bald C. M. „erster Ton“ mit Orch Deklamation und Schlußchor mit Orchester, und seine Sinfonie unter seiner eignen Direktion gegeben. | Nie habe ich ein Violoncell-Solo mit mehr Liebe gespielt als damals das kleine herzige Solo im „ersten Ton“ mit dem leisen echo. Zur Declamation hatten wir Esslair mit aller Kraft Fülle und Wohllaut derder Stimme, die dazu nöthig sind. ; das vorzüglichste was in dieser Art zu finden war, – während nun Projekte zu C. M. Weber’s größern und kleinern Kunstreisen gemacht wurden, bald wieder ein Conzert in Heidelberg, Darmstadt pp. veranstaltet wurde während er zugleich Plane zu größern compositionen in sich trug, und Einiges zu einer Oper (ich glaube Abu Hassan) componirte, kam auch die guitarre fingen auch die Lieder mit guitarre-Begleitung an recht in Schwung zu kommen. C. M. hatte schon in seinen 5 Liedern nebst einem Canon (dem H. Hoffmann in Darmstadt dedizirt) und Gottfried Weber in seinen der Königin Carolina von Bayern gewidmeten Liedern (bei Simrock?) gezeigt wie der Verstand auch etwas bei der composition eines Lieder-textes zu thun habe. Beide waren darin vollkommen einig, daß eine verständigere Behandlung der Texte nöthig sei als die bisher allgemein übliche, nach der Schablone einer kurzen häufig nicht einmal für die erste Strophe paßende Melodie das ganze Lied | abzuleiern. (Mozart hatte das freilich auch schon gewußt, wie sein einzig-schönes Lied „Das Veilchen“ von Göthe beweist, und wie er überhaupt alles wußte was nur irgend zur wahren Kunst gehört; aber wie wenig Lieder hat Mozart componirt!) Eine ganze Reihe der schönsten Lieder wurde in jenen Jahren von den beiden Weber in gegenseitiger Anregung componirt; fast alle mit guitarre-Begleitung. Der Mißbrauch der in der romantischen Strömung später mit dem Guitarre-Geklimper getrieben worden hat dieses Instrument sehr mit Unrecht in Mißkredit gebracht. Die Natur dieses Instrument’s eignet sich gerade ganz vorzüglich zur Begleitung einfacher, besonders der zum Theil deklamatorisch behandelter Gesänge; ja es giebt viele der allerschönsten Liedercompositionen aus die geradezu diese Art Begleitung fordern. und welche die Überfüllung, den Klang und gar die Überfüllung einer Clavier-begleitung, mit der man im Gegensatz auch Mißbrauch genug treibt und getrieben hat, durchaus zurückweisen, wie z. B. C. M. Weber’s „Die Schäferstunden“ oder sein wundersüßes Ständchen Serenade: „Horch leise pp“ von Baggesen, Eben so und | noch gar viele andre. Eben so fast alle von Gottfried Weber, in denen das Deklamatorische unter andern das schöne Lied: „Des Kriegers Abschied“ von Körner, und das schönste das er je componirt hat: Körners „Abschied vom Leben“ in denen das Deklamatorische gar glücklich mit dem Melodiösen verwebt ist. – Der herrliche Liederschatz den uns C. Maria hinterlaßen hat, und gar manche von den vorzüglich gelungenen Liedern Gottfr. Weber’s, besonders aus der begeisternden Zeit der Befreiuungskriege, werden wieder frisch aus ihrer temporären Vergeßenheit aufleben, wenn die Welt einmal von der heutigen Superfetation, von der Verkehrtheit und Verrücktheit unsrer Componisten übersättigt, zur Natur der wahren Kunst zurückkehrt. Unser damaliges gemeinschaftliches Leben gehörte zu dem genußreichsten das sich denken läßt. Oft schon am frühen Morgen beim Frühstück waren wir zusammen; oder über Mittag; am Abend fast regelmäßig. Sonntags wo möglich den ganzen Tag. Neben Scherz und Laune war die Kunst im weitesten Sinne oder einzelne Kunstwerke derGegenstand des Gesprächs. Texte, wie sie der Tag brachte, andere die wir zu dem Zwecke aufsuchten, wurden besonders in | der Richtung besprochen, ob sie sich zur composition überhaupt eignen, und dann welches die beste Art ihre ihrer musikalischen Auffaßung sei? Tonwerke, Aufführungen in den Conzerten pp von Opern und Schauspielen wurden beurtheilt, kritisirt, Rezensionen und Kunstberichte in nuce zu weiterer Aus Ausarbeitung von dem Einen oder dem Andern beschloßen. In der Zeitung „für die elegante Welt“ in der Leipziger „musikalischen Zeitung“ in dem Mannheimer „Badischen Magazin“ aus der damaligen Zeit finden sich noch viele Spuren unsres Zusammenwirkens. Meine Unterschrift in vielen Rezensionen über das mannheimer Schauspiel im „Badischen Magazin“ war [„]The unknown man pp“ – darauf spielt C. Maria in einem Briefe an mich aus München 1811 [an], von dem ich noch (leider nur) ein Stück unter meinen Papieren gefunden habe. Eigne Produkte, wenn sie vorgebracht wurden, erfuhren immer eine strenge, oft unbarmherzige Kritik, wie wie wir das unter uns ein für allemal ausgemacht hatten, wobei scherzweise die Redensart üblich wurde: „Ich weiß du nimmst mir das | nicht übel, lieber Bruder.“ – sehr oft wurde dann noch ex abrupto Mancherlei am Klavier durchgesungen, oder mit der immer bereiten Guitarre ein paar Lieder „zum Besten gegeben.[“] Zuweilen brachten wir auch einen Abend bei Graf Benzel-Sternau (dem „goldnen-Kalb“ Benzel) zu, der damals Präsident des Hofgerichts in Mannheim war; seine kunstliebende Frau war besonders für Carl Maria eingenommen, und in diesem Kreise war alles geistreich, ja nach Geist haschend, und anregend. Dann kam Gänsbacher, Organist, Kirchen-componist, alter Freund Weber’s, Schüler von Michel Haydn u. Vogler, der seinen Lehrer in Darmstadt besucht hatte aufgesucht hatte. Ein treuer kernhafter Tyroler (Siehe deßen Laufbahn in Gassner’s Lexikon, das freilich in seinen Angaben nicht immer ganz genau und zuverläßig ist) ein herrlicher Bratschist, der bei unsern Quartetten u. Quintetten bei Stengel, Weber, Weiler pp. gehörig in Anspruch genommen wurde so lange er bei uns verweilte (für die Zeit, und Zeitdauer fehlt mir alles Gedächtniß) | Nun ging es auch von Zeit zu Zeit einmal nach Darmstadt (was mich betrifft freilich nur immer auf wenige Tage sehr vorübergehend) zum Besuch bei Vogler, und Hoffmann, dem besondern Musikfreund und Gönner Carl Maria’s. Dieser und auch Gottfried Weber, besonders der Erstre blieben oft wohl längere Zeit, und ehrten den alten Meister hoch. Wie weit C. Maria früher ein förmlicher Schüler von ihm gewesen ist mir wie man behauptet ist mir nicht bekannt; er verweilte noch jetzt öfter dort, ab- und zugehend. Alle nannten sich gern seine Schüler, und gewiß hat Jeder von ihnen, die schon ein eignes Urtheil besaßen, das von ihm gelernt u. benutzt, was er noch für seine vollkommnere Ausbildung glaubte verwenden zu können. – Der damalige Großherzog von Darmstadt, ein merkwürdiger Melomane, ohne ge tieferes Verständniß der Kunst, obschon er Partitur las, und mit dem Taktstock dirigirte, hatte dem alten Abbé Vogler, der sein Lebenlang unstät herumgereist war und als großer Meister auf der Orgel, Meister im Contrapunct und dem fugirten Satz wie als Gelehrter in der Theorie berühmt war, in Darmstadt, mit einem | Wohnhaus, einer reichlichen Pension und dem Titel Geistlicher Rath eine behagliche Heimath für sein den Abend seines Lebens bereitet. Vogler, in der That ein gewaltiger Beherrscher des gewaltigsten aller Instrumente, war noch in seinem Alter eine kräftige Natur. Unter buschigen überhängenden Augenbrauen waren noch feurige, nicht große, Augen. Er hatte eine gedrungene Gestalt, auch kräftige gedrungene Gesichtszüge, nicht eben angenehm und freundlich, aber auch nicht unbedeutend. – Ausdruck tiefen Gefühls in der Musik scheint seine Sache nicht gewesen zu sein, und von einem eigentlich melodischen vollen, abgerundeten Gedanken erinnre ich mich nicht in seinen compositionen vieles wahrgenommen zu haben. Aber ein unscheinbares für sich nichts-sagendes Thema sogenanntes Thema contrapunktisch zu verarbeiten und mit gegenthema bis zur vollkommnen Fuge zu steigern und zu beleben, das von seinem Fache darin war er ein gewaltiger Meister, und auch seine derartige Improvisationen, zu denen er sich leicht bereit war zeigte waren immer voll Leben Kraft und Geist. – Er hatte damals in seiner | Muße, außer der Oper „Samori“, eine Reihe von vierstimmigen Gesängen componirt die wir großentheils zum Theil bei ihm am Clavier durchsangen, und von denen uns einige sehr gefielen; der Text eines derselben, den ich mir erinnre, war: Deus caritas est; diligamus Deum quia prius dilexit nos. Ich glaube sie sind später bei Simrock erschienen. Es existirt von Vogler aus dieser spätern Lebenszeit eine sehr ähnliche Büste, und wenn ich nicht irre ist in der Familie Weber in Darmstadt ein Abguß davon. Bei Vogler trafen wir nun auf den jungen Jakob Meyer-Beer aus Berlin, der da förmlich in Kost und Logis zum Zweck des Unterrichts aufgenommen war. Ich weiß nicht, ob Carl Maria ihn viell schon früher, vielleicht auf einer Reise in Berlin h kennen gelernt hatte; genug er schloß sich sehr schnell an ihn und auch an uns andre an, wir wurden Freunde, vollkommen „Brüder“ für’s Leben, wenigstens äußerlich. wie sich das noch in der vorhandnen Correspondenz aus jener zeit zeigt. Ich habe seitdem diese doch nie tief eingedrungene Freundschaft in Frankfurt und Soden, und dann vor vier Jahren, als er in Stuttgardt seinen unglücklichen „Nordstern“ persönlich zur Aufführung brachte, zu erneuern Gelegenheit gehabt. Meyer-Beer, damals noch nicht 20 Jahre alt hatte sich doch schon eine ganz außerordentliche | musikalische Ausbildung erworben, und besaß von Natur ein bewundernswürdiges Talent, dem er früh und wie es scheint durch’s ganze Leben einen eisernen Fleiß beigesellte. – Als einer der ersten Virtuosen auf dem Klavier hätte er damals schon glänzende Kunstreisen unternehmen können, wenn er es nöthig gehabt, oder gewollt hätte; aber er benutzte diese Fertigkeit bloß um alle größern compositionen in der Partitur durchzuspielen. Seine Bibliothek war angefüllt von hunderten von Parti wohl eingebundnen Partituren, und es war ihm ein Leichtes Partituren aller Art von den größten Oratorien, Opern pp. nach Belieben mit der staunenswerthesten Vollstimmigkeit vom Blatt zu spielen, wie denn auch der Inhalt dieser mannigfaltigsten fremden compositionen aus älterer und neuerer Zeit sein Hauptstudium zu bilden schienen. Hier zeigte sich nun schon damals eine große Verschiedenheit bei diesen beiden auch verschieden berühmt gewordnen Männern, da unser Carl Maria zwar das Partitur-Lesen und Spielen auch nicht versäumte, aber bei seiner herrlichen Virtuosität doch das Klavier hauptsächlich dazu gebrauchte | um diesem Instrumente, wie es Mozart und Beethoven thaten, seine eigenthümlichsten Empfindungen und musikalische Gedanken anzuvertrauen, und mit den reizendsten compositionen, die er mit ganz eigenthümlichem Geiste, mit der feinsten Eleganz und Grazie, ... tiefem Gefühle, vortrug, die zuhörer zu oder bezaubern. bezaubernder Eleganz und Grazie vortrug, den zuhörer mit sich hinzureißen aus dem gemeinen Leben emporzuheben. – Es lag etwas Heterogenes zwischen ihm und uns, wohl hauptsächlich in höhern Lebensansichten, indeßen die Jugend verbindet auf eine zeitlang auch noch viel Heterogeneres. Wir lebten, bei vielen Berührungspunkten mit ihm, ein brüderliches Leben mit ihm, so oft wir zusammen kamen. Meyer-Beer kam zuweilen, doch selten nach Mannheim Dann wurde auch wohl einmal ein Wettkampf in freier Phantasie zwischen Beiden über ein beliebiges Thema auf zwei Klavieren mit allerlei neckischen Vorschriften und Bedingungen von unerwartetem willkührlichem Abbrechen des Einen, raschen Einfallen und Fortsetzen des Andern u. dergl. veranstaltet. M. Beer’s 4stimmige „geistliche Lieder von Klopstock“, die schon schon im Stich erschienen waren, und zu loben sind wurden gesungen; größere größere Pläne der | mit denen sich Beide trugen und Kritiken über Kunstwerke wurden besprochen. – wenn wir nach Darmstadt kamen, ließen wir uns zuweilen den rußischen Caviar und die Pommerschen Gänsebrüste die der alte Beer von Berlin geschickt hatte, recht wohl gefallen. M. Beer mußte uns dann Mancherlei besonders aus seinen vielen Partituren vorspielen. Einmal wurde auch eine hübsche frische composition von ihm: „Willkommen“ zur Feier des Geburtsfestes des alten gemeinschaftlichen Lehrers Vogler vierstimmig gesungen. Der berühmte Maestro Giacomo erinnert sich wohl kaum noch derselben, und mißachtet sie vielleicht als eine Schülerarbeit. Ein oratorium das er damals noch im Vogler’schen Hause componirt hat: „Gott und die Natur“ von Aloys Schreiber, soll schöne Sachen, besonders einen schönen „Chor der Blumen“ enthalten. Ich habe nie etwas davon gehört Nichts gleicht übrigens der zähen Beharrlichkeit, mit welcher M. Beer mehrere Jahre hindurch (wenn ich nicht irre drei Jahre) in dieser Hochschule bei Vogler mit einem beispiellosen Fleiße ausgehalten hat. Er hat dadurch, bei seinem großen | Talent eine ungemeine Fertigkeit im Tonsetzen, ein Geschick in allem Technischen erworben, wie wenige, er hat alles gelernt und sich angeeignet, was sich für die Kunst lernen läßt; er hat dazu, durch eine genaue Bekanntschaft mit so vielen der größten Meisterwerke ein reiches Material zu gelegener Benutzung und Anwendung, wenn er darnach greifen wollte, aufgehäuft. – So hatte er sich recht gründlich mit allen Hülfsmitteln ausgestattet, um sein fest vorgestecktes ziel zu verfolgen. Er wollte Opern schreiben, nur opern, und hatte es nicht unterlaßen schon während der Lehrzeit sich mannigfaltig darin zu üben, und es ist bemerkenswerth genug daß kaum je eine composition andrer Art von ihm bekannt geworden. Ihm fehlten nur zwei Dinge, freilich Hauptbedingungen, um das Größte in der Kunst zu leisten: Genie Unter Genie verstehe ich hier den Kunstquell der in der Brust des Künstlers selbst seinen Ursprung hat, und ohne abgeleitet aus andern Regionen zu sein, reicher oder schwach beschränkter, stärker oder schwächer, aber einem mit selbständigem Triebe fließt, und daher das eigenthümliche Gepräge des Erzeugnißes bedingt. und ideales Streben – Das Talent, wie groß es auch sei, kann mit allem Fleiß das Genie nicht ersetzen, wenn gleich das Genie zu seiner Entfaltung u. wirksamkeit des Fleißes und eines gewißen Talentes nicht entbehren kann. Denn die Produkte beider sind der Art nach verschieden. – werke des Genie’s wie Carl Maria konnte M. Beer nicht hervorbringen; aber ein höheres Streben hätte seine Erzeugniße veredeln können, wenn er eine höhere Natur gehabt | und sich nicht von niedrigern Zwecken hätte herabziehen laßen. – Mendelsohn war in dieser Beziehung sein edlerer Rivale, bei dem man aber freilich noch außer dem großen Talent einen gewißen eigenthümlichen Quell des Genialen anerkennen muß, d wenn er zu beschränkt und zu wenig ergiebig war, um für Manche seiner großen Unternehmungen hinzureichen, der aber M. Beer gänzlich fehlte. – In jener Jugendzeit schien er auch geneigt sein Talent einem reinern Kunststreben zu weihen. Er sagte mir oft, er halte die oper von Mehul: „Jakob und seine Söhne“ für die beste aller opern, und wenn man ihm darin nicht völlig beistimmen wollte, so war wenigstens das Muster als kein übel gewähltes zu betrachten. Es ist gewiß das Beste was die Franzosen in der höhern Oper gleistet, und ein solches sujet am wenigsten zu verwerfen. – auch versuchte sich M. Beer bald an der Oper Jephta’s Gelübde, die er wie ich glaube in München schon 1812 zur Aufführung brachte, aber | nicht mit vielem Erfolg. Auch sein Oratorium [„]Gott und die Natur“[,] die „geistlichen Lieder“ von Klopstock waren würdige Gegenstände. – von dem Jahre 1814. an, wo er nach Italien ging hörte ich lange nichts mehr von ihm. der gena Aber die Laufbahn beider Künstler liegt jetzt abgeschloßen vor uns, und zeigt was aus ihnen geworden. Der anfangs nicht mit Glück versuchte weg zu den reinen Höhen der Kunst sch[eintien]ien M. Beer zu langsam und zu unsicher zu seinem Ziele zu führen; sein Ziel war offenbar in der Welt so bald als möglich zu „reüßiren“ auf welchem wege es immer sei, äußern Ruhm äußre Ehre erlangen, ging es auf dem nicht, so wurde jeder Andre versucht; er hatte Geld, viel Geld, viel Talent, hatte viel gelernt, und Arbeit und Mühe setzte er rastlos daran, da konnte es ihm ja auf eine oder die andre Art nicht fehlen; nur durfte er nicht an die Worte des Dichters dabei denken: „Wer den Besten seiner Zeit genug gethan, der hat gelebt für alle Zeiten.“ Das Urtheil das über ihn von einem mir Unbekannten in Gassner’s Lexikon gefällt worden ist hart ausgesprochen, aber ich wüßte nicht viel dagegen einzuwenden, er hat zum großen Theil den Verfall der Oper mit herbeiführen helfen. Er ging damals nach Italien, blieb lange dort, studirte das Treiben und den dortigen Geschmack im Opernwesen, und während | C. Maria in Dresden unmuthig gegen das italienische Geleier in der Oper kämpfte, versuchte er dort mit Rossini auf den dortigen Theatern zu rivalisiren. Aber dem leichtfertigen genialen italianischen Singvogel konnte er es nicht gleicht machen, war er ih[m] auch an gediegener CompositionsKunst und dramatischer Behandlung (mit Ausnahme der komischen oper) weit überlegen. Es gelang ihm schwer, soviel ich davon hörte, mit seinem „Crociato“ endlich durchzudringen und auch diese scheint nur einen sehr vorübergehenden Erfolg gehabt zu haben. Aber er mag in jenem Lande während seines langen Aufenthaltes manche gut zu verwerthende Melodie gesammelt, manche Erfahrung für die Behandlung des Gesanges und in dem Technischen was die Bühne verlangt mit nach Hause gebracht haben. Er kam nach 8 oder 10 Jahren zurück nach Berlin, und aus jener erzählt mir eben in diesen Tagen ein hiesiger Freund, ein älterer Mann, ein Zusammentreffen das mir merkwürdig genug scheint. Er war nemlich im J. 1826 bei der damals so hoch gefeierten Sängerin „Milder-Hauptmann“ zu Tisch geladen, wo viele Künstler versammelt waren. Auch M. Beer und C. M. von Weber lernte er da kennen. Der Erstre hatte noch keinen sehr hervorragenden Namen; C. Maria, schon | leidend auf der vollen Höhe seines unvergänglichen Ruhms war auf seiner letzten Reise begriffen, von der er nicht mehr zurückkehren sollte, auf der Reise über Berlin nach London. Die äußre Erscheinung war damals meinem Freunde unbedeutend vorgekommen, und in der That hatte er nichts, weder in Gestalt, noch in der Physiognomie, was einem Fremden im Mindesten als bedeutend oder anziehend hätte auffallen können. Doch war er im Umgang freundlich und voll lebhaften Verstandes; seine Freundlichkeit war ohne wärme; keine Hingebung sondern in allem der Ausdruck kluger Berechnung, und sein unruhiges Wesen hat mehr von dem eines Geschäftsmannes, der viel zu thun hat, als von dem eines M Mannes der von KunstIdeen bewegt ist. Wie sich M. Beer seit 1814. in der Freundschaft zu C. Maria verhalten, ist mir gänzlich unbekannt geblieben, an ein sehr inniges Verhältniß konnte ich mir niemals denken, aber ich würde mich freuen mich darin geirrt zu haben. Die Wege der Beiden lagen nun gar zu weit auseinander. Der Eine ging zum frühen Tod und zum Unsterblichkeit im dankbaren Andenken seiner Nation, deren innerste Saiten höhern Gefühls er bis zum Enthusiasmus anzuschlagen verstanden hatte wie sie in seiner eignen Brust erklungen waren der andre, mißmuthig über manches Mißlingen und verzweifelnd wie es scheint, auf dem Wege der reinen Kunst das Ziel seines Ehrgeizes zu erreichen, bereitete sich andre | Hülfsmittel aufzusuchen – er verließ sein Vaterland, man kann wohl sagen in Bezug auf die Kunst, für immer; er ging nach Paris, das war die Stadt die er brauchte, um wie sich bald zeigte, mit der Kunst Geschäfte zu machen, Handel zu treiben. Seine fein berechnende Beobachtung hatte bald herausgefunden, womit er dort sein Glück machen könne, und nun trat seine Kunst auf die Bekl was man nicht genug beklagen kann, zum allergrößten Theil wenigstens in den Dienst der niedern Leidenschaft, der gemeinen Lust nach Spektakel und Schaugepränge (als Hauptsache) eines verdorbnen entsittlichten Geschmacks. Auch Einzelnes, was gut und an sich zu loben wäre, Meisterstücke der Arbeit Kunstarbeit, alles wird und muß mit dem Ganzen zu dem es gehört zu Grunde gehen. Seine kluge Berechnung aber, die ihn wie wir es erlebt haben, bei jedem seiner Schritte bis in die neuste Zeit begleitete, hat ihn nicht getäuscht. Paris war der Ort, wo er seine Hebel ansetzen mußte um zu erreichen, was er vor allem wollte, und das hat er am Abend seines Lebens vollauf erreicht: äußern Welt-Ruhm äußre Ehre, und sogar noch ein reicher Geldertrag, der ihm seine | großen Ausgaben, die er zur Erreichung seines Zieles in frührer zeit machen mußte, mit Zinsen ersetzt. ––––– Aber das Alles wird mit ihm oder bald nach ihm zu Grabe gehen. – Immerhin ist es Schade. Denn konnte er auch seiner ganzen Natur [nach] nie einen ähnlichen Weg wie C. Maria machen, so hätte er doch, anstatt der Kunst und dem reinen Geschmack verderblich zu werden, bei seinem unläugbarn großen Talent, seiner technischen Erfahrung und Gewandtheit bei seiner genauen Kenntniß der Bühne und der Bühnen-Effekte durch eine edlere Richtung sich bedeutende Verdienste um das opern-Wesen erwerben können. Kehren wir zurück zu unserm Carl Maria, über den ich noch Einiges nachholen will. – wir träumten lange von der Möglichkeit ihn in Mannheim festzuhalten, und versuchten manche Schritte, daß ihm die dortige Kapellmeister-stelle übertragen würde. wir dachten es nicht so unmöglich, daß Peter Ritter, deßen fortwährende Befähigung freilich von Niemand bezweifelt wurde, bei seiner eben so anerkannten Trägheit, leicht auf eine ehrenvolle Pensionirung eingehen könnte. Auch war die Großherzogin Stéphanie dem Carl Maria sehr geneigt. Aber die Sache zog sich | in die Länge, um am Ende doch zu scheitern. Unterdeßen wuchs die Guitarren-lieder-Manie[.] Da wir oft erst am Abend zusammenkamen, so hingen wir dann, Carl Maria, Gottfried und ich, jeder seine Guitarre um, und durchzogen in warmen Sommernächten bis nach Mitternacht die Straßen, und sangen vor den Häusern von Bekannten und Freunden verschiedene Lieder, und Canon’s, unter andern den beliebten von C. Maria: „Mädchen, ach meide“ u. s. w. auch wenn ich nicht irre die schöne sérénade von C. Maria „Horch, leise Geliebte, horch!“ die ich dann später in Zürich, Bern pp zum Entzücken der Leute so oft singen mußte. Außer den öftern Ausflügen nach Darmstadt mach machten wir auch eine klein Reise von einigen Tagen nach Baden-Baden, immer die Guitarren mit uns die wir selbst im Wagen um uns hatten. In Baden war noch die Natur in ihrer reinen Herrlichkeit zu genießen; die elegante wie die sittenlose Welt die die schöne Natur verderben Reize der Natur verderben, war noch nicht in die Gegend eingezogen. | Die Tage die wir zuweilen miteinander auf dem paradisisch gelegenen Stift Neuburg bei Heidelberg, dem wohnsitz der Ho gastfreien Hout’schen Eheleute verlebten, und wohin viele meiner alten Universitäts-Freunde häufige Wallfahrten machten, gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Ich bewohnte dann mit C. Maria Ein schönes großes Zimmer, und bis spät in die Nacht hinein, bis zum Einschlafen wurde da über Musik und Kunst überhaupt geschwatzt und disputirt. Es ist mir noch jetzt gegenwärtig, wie C. Maria einmal während des Ausziehens der Kleider mir die Melodie eines Elfen-Chors vorsang, wie er ihm damals im Kopfe herumging, und ich meine fast es müße sich davon Etwas im Oberon vorfinden. Ein andres Mal sang er mir den Anfang einer Melodie zu dem Gesang eines Liebhabers 0 Fatime, meine Traute Die so zärtlich zu mir spricht Glaub’ mir, der Ton der Laute Malet meine Liebe nicht . Ich glaube aus einer kleinen Oper: „Abu-Hassan“ vor die ich sonst nie gehört habe – aber des worte und die Melodie habe ich sonderbarer weise bis jetzt behalten, obschon ich weder Text noch Musik der oper | die erst später fertig geworden, jemals kennen gelernt habe. Mancherlei Verhandlungen fanden auch von zeit zu zeit auf meinen Zimmern in Mannheim statt. Opern-texte war das große Bedürfniß für C. Maria; da suchten wir denn oft die erschien in den Erzählungen, in den Novellen die uns die neueste Literatur brachte, nach einem Gegenstand der sich zur Bearbeitung eignete, und fielen bei unsrer Durchsicht bis auf das „Gespensterbuch[“] von Apel, das grade damals erschienen war, und siehe da – der köstlichste Schatz für unsern C. Maria „der Freischütz“ war gefunden, ward man kann sagen in der musikalischen Phantasie unsres Tondichters lebendig. Ich könnte noch die Stelle auf meinem Zimmer genau bezeichnen, wo wir Beide saßen, und in rascher Übereinstimmung bei diesem glücklichen Fund stehen zu bleiben beschloßen. Ich sollte den Text bearbeiten und er ward nun Gegenstand mancher Besprechung. Aber die darauf folgenden | Zeiten waren dem Unternehmen nicht förderlich. Zunächst ist hier die Trennung zu erwähnen die bald darauf erfolgte, dann kam brachen die großen endlich die gewaltigen Kriegsbewegungen die Befreiungskämpfe [aus]. Ich selbst mußte ward zuerst in den Odenwald, dann auf den Schwarzwald versetzt, und sollte mich zur Ausgleichung für die sch genoßenen schönen Jahre doppelt in den Geschäften des praktischen Staatslebens umthun. Unserm lieben Carl Maria waren noch manche unruhige Wander-Jahre bestimmt. Das Haupthinderniß blieb aber immer die Trennung denn es ist fast unerläßlich für eine Oper daß der Bearbeiter des Textes und der Tondichter in täglichem persönlichem Verkehr fortwährendem Ideen-Verkehr bleiben, daß sie sich an demselben Orte zur leichten Besprechung und Verständigung aufhalten. – wohl haben sich unter meinen Papieren noch ein Paar Szenen für den ersten Akt einer „Freischützen-oper“ vorgefunden, die g die Exposition enthielten, ich glaube mit einer Romanze und einem Duett. Aber sie taugen Nichts. Die Exposition in dem Text | der fertigen Oper ist viel beßer, eingreifender und die composition davon ein unübertreffliches dramatisch-musikalisches Meisterwerk. Nicht so glücklich gerathen möchte ich in Bezug auf die Dichtung die Lösun Art der Lösung des Knotens am Schluß der oper nennen. Sie setzt den componisten in manche Verlegenheit und dabei fehlt ihr der unentbehrliche reine Abschluß. Die Trennung von C. Maria in Mannheim zu der es endlich doch kommen mußte, war eine sehr schwere, schmerzliche für uns Alle. Es schwebte darüber die Ahnung, daß es ein Abschied für lange, für sehr lange, vielleicht für immer sein könnte, und noch ging er doch, obwohl so herrlich begabt und ausgerüstet, einem unsichern Schicksal entgegen. Das war der Gedanke, dem das kleine Lied: „Weber’s Abschied“, seine Entstehung verdankt. Wenige Tage vor seinerWeber’s Abreise ward es auf meinem Zimmer, ich kann sagen, in Eile niedergeschrieben und sogleich von ihm componirt, und dann noch endige Male von ihm in unsern Mauern gesungen. Und seitdem, wie oft mußte ich es mit meinen andren schönen Liedern an GesellschaftsAbenden besonders in der Schweiz | den Leuten singen, und noch jetzt sind, nach einem Menschen-Alter, wie ich höre die Erinnerung an diese Lieder beiin der Tradition bei Manchen sogar in der Erinnerung nicht verklungen. Die Strophen des Liedes sind wie das bei den meisten Gedichten nothwendig ist, durch componirt, und besonders die letzte Strophe machte jedesmal eine große Wirkung. Es ist 1817 (20?) bei Schlesinger in Berlin in einer Sammlung mit geänderter Überschrift „Künstlers Abschied“ erschienen. Ich habe den Theuren nicht mehr gesehen. Die Entfernung nach Prag, nach Dresden, ohne Eisenbahn war groß; von Jahr zu Jahr hofften wir – und wer konnte wer mochte an einen so frühen Verlust denken! Ihr findet unter meinen Papieren noch zwei Briefe von Carl Maria; oder vielmehr anderthalb denn der Eine ist nur noch Fragment. Sie sind von München [15. Mai] 1811. und von Dresden Jän. 1821. datirt. Bewahret sie wohl als theure Reliquien nicht es von dem großen Künstler, sondern von dem edlen herrlichen Menschen, und als Zeugniße von der innigsten Freundschaft in der ich das Glück hatte mit ihm zu leben.