## Title: Aufführungsbericht Leipzig: Preciosa, zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät des Königs im Dezember 1822 (Teil 2 von 2) ## Author: Kalophilos ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031342 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Aus Leipzig.(Beschluß.) Selbst der Charakter der Heldin des Stückes schwankt, vielleicht aus gleichem Grunde, zu sehr zwischen dem Naiven und Sentimentalen, zwischen heiterem Scherze und tragischem Ernste. Die Darstellerin hatte indeß die romantische Seite desselben so glücklich aufgefaßt, und wußte in Rede, Tanz und Spiel so zu bezaubern, daß man sie einstimmig hervorrief. Die Direction hat auch dieses Stück, von welchem eine oftmalige, kassenfüllende Wiederholung zu hoffen steht, mit prächtiger Garderobe und einer ganz neuen, glänzenden Schlußdirection ausgestattet. Das Maschinenwesen war indeß nicht lebendig genug, die langen Zwischenakte raubten dem Zuschauer Geduld, und die Mondscheinnacht des zweiten Aktes war unnöthigerweise zu düster beleuchtet. Man sah kaum, daß es kein aus Pappe geschnitztes, sondern ein lebendiges Thier war, auf welchem Preciosa ritt, und ob es ein Pferd oder ein Maulthier gewesen, hat uns die Nacht nicht verrathen wollen. Uebrigens machte sich Alles gut und schön, nur die Erkennungscene des letzten Aktes nicht, die uns matt erschien. Die Schauspieler können in Erkennungscenen des Guten nie zu viel thun, und nicht etwa bloß die Erkennenden selbst, sondern auch ihre Umgebung. Aber weder die Braut noch die Mutter, noch die Väter, noch die Dienerschaft schienen sich in die Seele des Zuschauers zu versetzen, der nothwendig, stets auf den Moment der Entwickelung begierig, sich im Voraus den Eindruck denken mag, welchen das Wiederfinden einer verlornen geliebten Tochter auf das Herz der Aeltern und Aller hervorbringen muß, die Theil an dem Schicksale des Mädchens genommen haben. In einem, am ersten Weihnachtfeiertage, im Teater arrangirten Deklamatorium wurde eine Arie von Farinelli und mit Mad. Werner ein Duett aus Adelasia e Aleramo von Mad. Neumann-Sessi gesungen, und Schillers Kampf mit dem Drachen von Hrn. Stein gesprochen. Sodann folgte unter dem Titel: Gemälde aus der Geschichte der deutschen Bühne, eine Wiederholung des von Blümner zum Geburtfeste der Hrn. Hofraths Küstner gedichteten Nachspiels, mit Weglassung des Gelegenheitlichen, für die ein geistreicher Genuß, die der ersten Privat-Darstellung desselben nicht beiwohnten. Jeder einzelne Theil dieser musikalisch-deklamatorischen Abendunterhaltung wurde beifällig aufgenommen, und der Ehre, beklatscht zu werden, konnte sich dießmal Jeder rühmen, da in dem Nachspiele sämmtliche Mitglieder der Bühne beschäftigt sind. In Elise von Valberg gastirte Dlle. Voß vom Breslauer Theater als Elise. – In den ersten Akten schien sie befangen, sie sprach zu leise und dadurch gewann der frohe, naive Charakter zu viel Sentimentales. Das Mädchen scheint übrigens nicht ohne Talent, das nur wohlgemeinten Rath bedarf, um die Hoffnungen zu rechtfertigen, zu welchen die Tochter einer braven Künstlerin (Mad. Werdy in Dresden) und eines für die Kunst zu früh verstorbenen Vaters, der einst die Zierde des Weimarischen Theaters war, berechtigen dürfte. – Hrn. von Zieten's Spiel erschien uns als Amtshauptmann von Valberg nicht kräftig genug, aber er wurde mit Mad. Genast (Darstellerin der Fürstin) gerufen. Mad. Schmelka hob in der Rolle der Oberhofmeisterin das Pedantische der alt-französischen Hof-Etikette nicht genug hervor, wodurch das Ergötzliche der Rolle ganz verloren ging. Hier ist die höchste Sorgfalt im Aeußern Hauptbedingung des Effekts, die Arme dürfen nicht nachlässig herabsinken; sie müssen auf dem Schooße des Reifrockes ruhen, das französische: mon dieu! darf nie in ein deutsches: Mein Gott! verwandelt, und in der ganzen Haltung muß jene höfische Gemessenheit sichtbar werden, durch welche der Dichter dem Charakter das Gepräge des Komischen geben wollte. Ueberhaupt aber haben wir die Darstellung des Stückes schon weit ergreifender auf denselben Bretern gesehen, als dieß heute der Fall war. Den Schluß der dießjährigen theatralischen Vorstellungen macht Mozarts Don Juan. Kalophilos.