Berlin 5. Juli
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Mein sehr verehrtes Fräulein,
Anbei erfolgt versprochenermaaßen ein Joh: Seb: Bach und noch einer, ein kleiner (der Choral) und ein Friedemann Bach. Außerdem das Portrait von Weber mit schönstem Dank und außerdem noch die Copie der Cabinetordre Friedrichs
des Großen für Ihren Herrn VaterVater der Adressatin dürfte vermutlich Leopold Krug (1770–1843) gewesen sein, die Kabinettsordre war aber wohl an dessen Vater, Johann Philipp Krug, den Kontrolleur der Königlichen Holzmagazine in Halle/Saale, gerichtet. nebst einem Schreiben des Preußischen
Historiographen Hn: Professor PreussJohann David Erdmann Preuß (1785–1868)., was zwar an mich
gerichtet ist, aber als Aufklärung über die Sache von Seiten der besten Autorität
demselben natürlich ganz ergebenst dargeboten wird. Als kleines Anhängsel erfolgt
noch für Sie, mein verehrtes Fräulein, ein Werkchen meines ältesten Sohnes, des Officiers. Nehmen Sie alles so gütig auf wie es Ihnen gegeben wird. So reich bin ich nicht wie Sie, daß ich so
glückliche Leute machen kann, eben wie Sie. Dennoch bin ich so unbescheiden, noch einige erklärende
Worte zu den Bach's hinzuzufügen, weil ich Ihnen gegenüber mich doch nicht selbst herabsetzen möchte,
indem ich es wagte, doch etwa Dinge, vielleicht
gleich Null, Ihnen darzubieten, für ein so großes Opfer,
wie Sie
mir gebracht. Ich bin stolz und glücklich, ein noch so
großes und gutes Blatt übrig gehabt zu haben, was ich kaum wußte. Die ganze
letzte Seite, Aria überschrieben, u. die vorletzte
bis zum rothen Strich aufwärts ist von Joh. Seb. Bach eigenhändig
geschrieben. Eben so ist die Überschrift: Alles nur nach
Gottes Willen
Sebastians Hand und
einzelne von mir roth angestrichene Wörter. Die Überschrift giebt namentlich seinen
ihm ganz eigenthümlichen großartigen SchriftcharacterZur Continuo-Stimme der Kantate BWV 72 (heute im Bachhaus Eisenach) vgl. u. a. Dagmar Beck in Weberiana 8, S. 82..
Für den Fall, daß Sie Sich darüber wundern sollten, daß die Baßschlüssel auf pag. 3 sich eben wie unten so ähnlich sehen, diene zur
Erklärung daß Sebastians
ganze große Familie inclus. seiner Frau für ihn und zwar
höchst fabrikmäßig für ihn schrieben, so wurden denn, ehe die Seite in den Noten geschrieben wurde, erst die Baßzeichen en masse gesetzt, u. da man wußte, was bei dem vielfachen
Copiren der einzelnen Orchesterstimmen auf jeder Zeile zu stehen kommen mußte, so
schrieb man sogar die Vor- u. Überschriften der einzelnen Sätze schon im Voraus, wie das mit dem Worte
Recit.
auf der 4ten Zeile von unten hier auf
pag. 3 der Fall ist, das nicht
von Sebastians Hand,
obwohl alles übrige unter dem rothen Strich von ihm ist, wie Sie das wohl selbst
leicht entdecken werden, wenn Sie die Notenschrift vonpag 1
u 2 u. 1/3 3 mit 2/3 3 u. 4 vergleichen. Es ist mir eine große Freude, Ihnen ein grade dies geben zu können, weil es das letzte
große Stück ist, was ich habe, denn der beigehende Choral
auf dem 2ten halben Bogen pag. 2
wäre doch zu wenig gewesen. Ich hätte Ihnen gerne alle 4 Stimmen geschickt, leider aber sind die übrigen 3 die
genaue Copie der mitkommenden Oberstimme, die das Orchester mitspielt. – Wie
großartig ist auch hier wieder die Note wie das Wort Choral
. Die 1ste Seite scheint ein ganz kleines Bächlein
oder ein
Bachius
geschrieben zu haben.
Der Friedemann ist ganz eigenhändig. Das Werkchen meines Sohnes wird Ihrer gütigen Beachtung empfohlen. Wenn auch
alle Väter auf Ihre Kinder eitel sein müssen, so ist doch
wohl so viel Gutes in mindestens 1/3 des Ganzen, daß ich mich freuen kann, es Ihnen zu geben, ohne gar zu urtheilslos zu erscheinen. –
Einen Brief von Weber
für Sie schicke ich noch nicht mit, da ich noch nicht
durch bin, weil eine Riesenlast von Arbeit auf mich
gefallen ist, so wie ich hier ankam. Bald jedoch hoffe ich jedoch Ihrer Weisusng
nachzukommen. – Außerdem erfolgt das mir gütigst geschenkte alte op.3Das Exemplar des Erstdrucks der Six petites Pièces faciles (Augsburg: Gombart, 1803) aus dem Besitz von Friederike Koch ist Bestandteil der Jähns’schen Sammlung Weberiana (D-B, Weberiana Cl. IV A, Bd. 63, Nr. 549). in einer neuen Auflage, ebenso das op. 10. Six pieces à 4mains den Würtembergischen Prinzessinnen auf Ihrem großen, alten Exemplar dedicirtVermutlich identisch mit dem Erstdruck des Zyklus’ in der Jähns’schen Sammlung Weberiana (D-B, Weberiana Cl. IV B [Mappe VIII], Nr. 1051).. Ist es Ihnen wirklich
gleich, welches Sie besitzen, so
bitte, behalten Sie das neue Exemplar u. senden mir gütigst Ihr altes Exemplar, wenn es nicht ungezogen von mir ist, immer noch Wünsche
auszsusprechen. Aber sogar jetzt noch bin ich nicht am Ende damit, indem ich bitte, mir das Flemmingsche Portrait zum
photographiren gütigst erlauben zu wollen. – Schließlich bitte ich, doch noch genau nachzusehen, ob Sie nicht die 2te Hälfte jenes
abgerissenen Blattes irgendwo auffinden, dessen Sie Sich erinnern werden. Es ist ein
Dank an die Sänger pp. bei Gelegenheit der 1sten Aufführung
des Freischütz. Es wäre mir von höchster
Wichtigkeit diese 2te Hälfte dieses Quartblattes, die nicht unter den Briefen lag, zu
erlangen. Bitte, bitte, sehen Sie doch noch nach! Ich fürchte mich nicht, Sie durch
diese nachträgliche Bitten zu erzürnen, denn Sie gaben um der Sache willen, wo die Person nicht den
Schatten eines Rechtes oder Verdienstes hatte, um so großer Güte theilhaftig werden
zu dürfen! – Und so bitte ich auch noch dieses
Blättchens wegen, denn mir ist das Kleinste u. anscheinend
Unbedeutendste von großem Werthe.
Und nun Lebewohl! Tausend tausend inniger Dank begleitet es u. die herzlichen
wärmsten Wünsche für Sie Alle!! Ihnen Allen die verehrungsvollsten Grüße von
Ihrem
F. W. Jähns.
Am linken Rande von Bl. 3r: Sollten Sie eine Abschrift der
beiden verschenkten Briefe erlangen können, würde ich Ihnen höchst verbunden sein.
Am linken Rande von Bl. 4v: Verzeihen Sie die schlechte Schrift!!! Ich war in
dringendster Eile u. wollte doch gerne alles für Sie bereit machen. – In nächster
Woche komme ich wieder nach Berlin.