## Title: Friedrich Wilhelm Jähns an Marie Lipsius in Leipzig. Berlin, Sonntag, 7. Dezember 1884 ## Author: Friedrich Wilhelm Jähns ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A045192 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Berlin 7. Dez. 1884. Mein hochgeehrtes Fräulein! So geht es! Bei Empfang Ihres Schreibens vom 29. Nov. wollte [ich] Ihnen sofort antworten; es wurde mir aber unmöglich gemacht u. erst jetzt nach Verlauf von fast einer Woche komme ich dazu. — Der erste freie Moment in jetziger unglaublich mit Arbeit überladenen Zeit, gilt Ihnen u. Ihrem Wunsche. Was Herrn Hauptmanns Carl v. Weber ausgesprochene Erlaubniß in Bezug auf die Copie der Briefe (Carl Maria an seine Gattin) anlangt, so hat mich dieselbe, so erfreulich sie für Sie u. mich auch sein muß, doch etwas in Erstaunen versetzt. – Bei oftmaligen Besprechungen mit Max v. Weber u. dessen Tochter Frl: Marie v. Weber (auch nach Max v. Weber's Tode mit Letzterer) wurde die Veröffentlichung der 70 Briefe meiner Sammlung (so wie aller übrigen Briefe Carl Maria's an seine Gattin) von ihnen förmlich perhorrescirt. | In Folge dessen wurde die in der schriftlichen Übergabe-Acte an die hiesige K. Bibliothek deren Verpflichtung zur Versagung unbeschränkter öffentlicher Benutzung ausdrücklich als der Wille der ganzen Weber'schen Familie ausgesprochen. Danach mußte mir des Hrn. Hptms. v. Weber (Sohn von Max v. W.) so bereitwillig gegebene Erlaubniß zur Veröffentlichung unerklärt erscheinen, wenn er nicht der unberschränkte alleinige Erbe sämtlicher Briefe Carl Maria's an seine Gattin geworden ist. In diesem nun wahrscheinlichen, nur mir unbekannt gebliebenen Falle ist die Sache ganz einfach. Sie werden das Gewünschte erhalten und es bleibt jetzt nichts als die Zeit einigermaaßen zu bezeichnen wo die Copien in Ihren Händen sein werden. Von allem zu Anfange dieser Zeilen Mitgetheilten abgesehen, werde ich mich bemühen, die 70 Briefe quaest., so bald wie möglich, durchzugehen. Ein bis 2 Monate werden aber gewiß darüber hingehen, bis Sie die Abschrift haben dürften. – Die Hauptschwierigkeit | für mich liegt darin, Ihnen aus den 70 Briefen diejenigen auszuwählen, welche 1.) interessant sind; (welche sind interessanter, welche die interessirensten?) – 2.) diejenigen, welche noch nicht veröffentlicht sind (ganz oder theilweis? Max v. Weber u. ich gaben Ganzes u. Theilweises, Max im „Lebensbild“ seines Vaters und ich in meinem „Weber in seinen Werken“ Bd I u. II von Max haben zusammen um 1270 Seiten herum, mein Weber hat um 450 herum; die (1720) wären mit noch Anderem in Zeitschriften, für welche wir Beide noch vor Erscheinen unserer Bücher schrieben, zu durchforschen. – Dieses Geschäft würde ich, selbst in ruhiger Zeit, kaum in einem Monat erledigen können; aber in arbeitsübervoller wohl unmöglich unter 2, vielleicht 3 Monaten . Denn – ich kenne keineswegs die autographischen sehr langenBriefe Weber's, ebenso Max v. W's und meine eignen Sachen so „in- und auswendig“, wie man wohl denken könnte. Mich deshalb einer solchen Arbeit, die jedenfalls mit einem Hasten verknüpft ist, bei meinem Alter von 76 Jahren hinzugeben, ist doch nicht ganz unbedenklich; | , denn immerhin ist sie eine Neben-Arbeit, bei der aber doch meine Kräfte sehr angespannt werden u. meine Unruhe stetig wächst über das nunmher 3 Jahre lang andauernde Niederliegen meines Ergänzungsbandes zu meinem „Weber“, denn so lange ist diese Arbeit todt durch fortgesetzt auftretende dringende Neben-Arbeiten, die mich jener Hauptaufgabe meiner vielleicht nur noch sehr kurzen Frist zum Schaffen nach grade zu ent-Fremden beginnen. – Was Hrn. Dr. Kopfermann jedoch betrifft, so können wir ihn wohl kaum zu einer Durchsicht der Copien heranziehen, ihn, der ebenfalls von einer enormen Berufs-Arbeit schon fast erdrückt wird. – Daß ich eine anscheinend so übermäßige Zeit von 2 ja vielleicht 3 [Monaten] ansetzte, dem zur Erklärung: daß ich in dieser Periode noch 2 Schüler-Aufführungen im Conservatorium v. Scharwenka habe, die wieder nur so nebenher laufen bei meiner übrigen Lehrer-Thätigkeit u. dem absorbirenden Leben in der Gesellschaft. – Doch genug!!! – Ich bitte, verehrteste Freundin, daß Sie mir nicht allzu böse sind über all diese Ausführungen, mit denen ich dieses Blatt angefüllt. Im Übrigen werde ich für Ihre Wünsche wirken, so viel u. so bald [ich] es irgend vermag Ihr sehr ergebener F. W. Jähns.