## Title: Friedrich Kind to Helmina von Chézy in Wien. Dresden, Thursday, April 6, 1826 ## Author: Kind, Johann Friedrich ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A047207 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ An Frau Helmine von Chezy, in Wien. Waßerburgbastei N. 1191. oder bei Fr. Caroline von Pichler, geb. v. Grei- ner, oder bei H. Schickh, Redakteur der Wiener Zeit- schrift für Lit. Kunst u. Mode. Dresden, 6. April 1826. Verehrte Freundin! Ich muß wohl durch die Post an Sie schreiben, da mir die Arnoldische Buchhandlung (wegen des Eingang-Verbots der Ab.[end] Zeit.[ung]) keinen Brief befödern will und eine andere Gelegenheit sich nicht findet. Daß Sie nicht früher Antwort von mir erhalten haben, werden Sie mir gewiß verzeihen, wenn Sie die vielfache irdische Sorge und Unruhe sich vorstellen könnten, welche mir der Hauskauf gemacht hat. Ich bin der bürgerlichen Geschäfte seit einer Mandel Jahre ganz entwöhnt; nun mußte ich wieder Gelder umsetzen, Capitale suchen, Urkunden aufsetzen p kurz mich um mancherlei bekümmern, was mir Verdruß macht und alle poetische Stimmung raubt. Nunmehr ist, Gott sey Dank, das Meiste überstanden – nur der Aus- und Einzug steht uns nach Johannis bevor – und ich benutze eins der ersten freien Stündchen, um Sie meines steten, freundschaftlichsten Andenkens zu versichern. Meine kleine, doch sehr nette Hütte ist übrigens in Dresden selbst, zwischen der Johanniskirche und den neuen sehr reizenden Promenaden gelegen, auch mit einem Gärtchen versehen – in Taschenformat, mithin zum Vergnügen eines Taschenbuch-Herausgebers heinreichend und geeignet. – Daß mir der durch Herrn Dubois zugedachte Brief entgangen ist, bedaure ich sehr; es freut mich immer innigst wenn ich etwas von Ihnen erfahre, und noch dazu wenn Sie ihn in rosenrother Laune geschrieben! Der letztere ist es nicht, sie waren kränklich und abgespannt. Doch das ist nun hoffentlich vorüber und der Frühling, der trotz des ungezogenen Aprils doch manchmal hervorgukt, wird gewiß auch seiner Sängerin die schönsten Gaben aus der Fremde mitbringen. M–s und E–s Tod haben auch mich sehr gebeugt; noch mehr aber der meines dreißigjährigen Freundes Semler, der ein Theil meiner Seele war. Der Kummer über diesen Verlust machte mich sogar körperlich krank, was dann die in Obigem erwähnten Sorgen und Geschäfte mir noch drückender erscheinen ließ. Er hat mir die meisten seiner Manuscripte logirt und ich werde wahrscheinlich in einiger Zeit eine Sammlung seiner kleinen, theils zerstreuten, theils noch ungedruckten Schriften herausgeben, weil es sein letztwilliger Wunsch war und in der That viel Treffliches darunter sich befindet. – | Was Sie mir von Ihren Söhnen schreiben, habe ich mit der freundschaftlichsten Theilnahme gelesen. Möge Gott Ihnen recht viele Freude durch sie schenken! Meine Frau und Töchter sind gesund und empfehlen sich Ihrem Andenken aufs angelegentlichste. Roswitha ist sehr herangewachsen und nähert sich ihrer Blütezeit; sie ist in vergangener Osterwoche confimirt worden. – Was die Gloriande anlangt, so müßen Sie – was mich schmerzt – was ich Ihnen darüber geschrieben, noch nicht aufmerksam gelesen haben. Ich schrieb Ihnen der Hauptsache nach, daß sie mir im allgemeinen für ein Taschenbuch zu lang scheine, und daß ich – nur in einem möglichen Falle – es war der, daß andre zugesagte und bereits angenommene Beiträge nicht eingiengen, sie vielleicht benützen könnte. Dieser Fall ist aber nicht eingetreten, vielmehr sind jene Beiträge zum Theil länger ausgefallen, als zu erwarten stand, und es ist mir daher weder vergönnt, die Gloriande aufzunehmen, noch, was aus Obigem folgt, ein Honorar dafür zu bieten. Ich bin dieß um so weniger im Stande, da meine Zahlungen fürs Haus mein kleines, fast in dreißig Jahren erübrigtes Vermögen ziemlich ganz hinweggenommen haben, und ich daher, um den Meinigen dieß ihr einziges Erbtheil ohne allzu ängstliche Sorge zu erhalten, wenigstens für eine Weile meine Ausgaben möglichst beschränken muß. Es thut mir unendlich leid, Ihnen diess schreiben zu müßen, aber es steht bei dem besten Willen nicht in meiner Macht es zu ändern. Das Ms. ist indeß sorgfältig aufbewahrt und ich erwarte Ihre weitere Verfü | gung. – Da ich jetzt anfange, meine Papiere zu ordnen, habe ich 2. Gedichte von Ihnen gefunden – ein Frühlingslied u. ein Morgenlichtlied (lezteres im Großen Garten zu Dr. 28. Sept. 1818.) Sind diese schon gedruckt? Sonst könnt' ich sie einmal mit aufnehmen. – Meiner Musenstunden sind jetzt wenige; ich habe nur mit Noth das vollendet, was mein Taschenbuch und noch ein andres, die Orphea, zu erhalten hatte. Merkur und Apoll sind feindliche Wesen u. ich habe mit einem echten Sohne des erstern zu thun gehabt. Ich hoffe, es soll nun bald anders werden. – Was Sie von dem Nachtlager z. Gr. schreiben, hat mich sehr gefreut. Sagen Sie Allen, die meiner freundlich denken meinen Dank u. die wärmsten Grüße. – Hier scheine ich von der Bühne exilirt, u. Ella wird wohl ein Unglückskind bleiben, so sehr ich sie liebe. Vandyk ist kürzlich in Frankfurth am Main mit Beifall gegeben worden. Die Lindner hat das Lenchen gegeben. – Weber soll in [Lon]don ein großes Aergerniß gehabt haben; ein spe[…]tirer Dichter hat schnell einen Oberon gedichtet u. […] ein dito Componist ihn componirt. So ist ein Oberon vor Webers Oberon auf der Bühne erschienen. Genau weiß ich die Sache nicht; sie ist mir flüchtig erzählt worden. – Krauklings leben noch ganz, wie sonst – er in alten Büchern, sie in ihrer Häuslichkeit u. einigen freundschaft. Kreisen. Sie haben mir aufgetragen, Sie ihres liebevollsten Andenkens zu versichern. – Meinen Gegengruß an Ihren Wilhelm! Ich muß schließen, um nicht abermals die Post zu versäumen. der Ihrige Kind.