## Title: Friedrich Rochlitz an Tobias Haslinger in Wien. Leipzig, Donnerstag, 28. Dezember 1826 ## Author: Rochlitz, Johann Friedrich ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A042609 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Leipzig, d. 28sten Dec. 26. Sie werden, mein lieber Freund, schon längst einer Antwort auf Ihre zwey Briefe entgegengesehen haben. Aber außerdem, daß meine Arbeiten sich in den letzten Monaten jeden Jahres noch mehr als sonst zu häufen pflegen, bin ich auch, seit der feuchte Herbst im November bey uns eingetreten, unaufhörlich mit katarrhalischen Beschwerden und gichterischem Reißen in den Füßen geplagt gewesen; was mir Alles erschwerte; so daß nichts fördern wollte, wie sehr ich mich auch anstrengen mochte. Noch jetzt bin ich von diesen Übeln nicht ganz frey: aber ich kann doch wenigstens nicht das Jahr zu Ende gehen lassen, ohne noch einmal bey Ihnen einzusprechen. Für Ihr Geschäft, und für Alles, was hiervon bey einem Haus- und Familien-Vater abhängt, ist dies Jahr von vieler, und, so viel ich weiß, sehr vortheilhafter Wichtigkeit gewesen: möge das neue glücklich fortsetzen, was das alte glücklich begonnen; und möge es auch übrigens für Sie und die lieben Ihrigen ein gesundes, heiteres, geseegnetes Jahr seyn! Wir Beyde aber wollen einander gegenseitig den bisherigen freundschaftlichen Antheil erhalten, so gut das, | bey so beträchtlicher Entfernung, möglich ist. Für ein Gleiches von Seiten der Ihrigen gegen mich mögen Sie selbst sorgen. Für die mir zugesandten Musikalien Ihres Verlags danke ich Ihnen. Was ich über die Eyblersche Messe Ihnen sagen möchte, belieben Sie aus dem Schreiben an den Componisten herauszulesen, das ich deshalb offen beylege; ich müßte es sonst zweymal schreiben. Mit der Recension, wenn sie nun erscheint, werden Sie als Verleger gewiß zufrieden seyn. Über die nun nachfolgenden Werke E.s mögen dann Andere sprechen, damit aller Schein von Parteylichkeit vermieden werde. Einiges Andere von dem Überschickten werde ich in der musik. Zeitung gleichfalls, wenn auch kürzer, anzeigen. – Wenn Moscheles sein neues Concert in C so vollendet, wie er den ersten Satz geschrieben hat (er spielte diesen hier öffentlich:) so bekommen Sie einen trefflichen Verlagsartikel daran. Jenes Allegro ist in wahrhaft großartigem Styl, und für den Solospieler | nicht nur, sondern auch für das ganze Orchester, sehr glänzend; hat auch nicht so viel überkünstlichen Hokuspokus, als mehrere seiner andern Compositionen. Eben jetzt haben wir hier (in Deutschland zuerst) des Webers Oberon auf der Bühne. Was ist das wieder für ein geniales, vortreffliches Werk, und ganz von seinen andern verschieden! ohne Vergleich anmuthiger und einnehmender, als die Euryanthe; und im Ganzen des Charakters und der Schreibart weit fester gehalten, als der Freyschütz. Das wird wieder seinen Kreislauf durch ganz Europa machen; wenigstens überall, wo man die großen Anforderungen an Maschinisten, Decorateurs u. dgl. einigermaßen befriedigen kann. Bey der ersten Aufführung war mein Inneres zugleich entzückt und schmerzlich ergriffen, daß dieser liebe Freund, indem er der Welt neue Freuden giebt, in der Erde modert, und sogar erst noch die engländische Eigensucht und hochmüthige Gemeinheit so schwer empfinden mußte. Ich weiß freylich, | daß wir Alle gerade für unser Bestes, das wir, worin es auch sey, leisten, die eigentliche Belohnung hier auf Erden nicht erwarten dürfen, gar nicht erwarten sollen; dieses mein Wissen ist auch kein todtes, sondern es beruhigt mich: allein beym ersten Eindruck solcher Erfahrungen, mögen sie nun mich oder Andere betreffen, kann ich meiner Gefühle schwer Herr werden. Da Hr. v. Mosel vielleicht gern ein Wort über Webers Werk erführe, ich ihm aber jetzt nicht schreiben kann und Sie ihn doch wohl sprechen: so sagen Sie ihm, mit meinen herzlichen Begrüßungen, was ich hier geschrieben habe. Mit den Ihnen bewußten Gesinnungen gegen Sie und alle die lieben Ihrigen Ihr Rochlitz.