Liebster Einziger Freund, und Harmonischer Bruder!
Lange schon liegt die Schuld auf mir Ihnen als den gewiß an meinem Schiksale dem
Herzlichst Antheilnehmenden, Nachricht von mir zu geben, aber theils war ich
immer zu zerstreut, theils wollte ich die
Aufführung meiner Oper
Uraufführung der Silvana am 16. September 1810 in Frankfurt vgl. die Aufführungsbesprechung sowie den Theaterzettel in D-F.
abwarten. dieß ist nun geschehen, ich sizze ruhig beym Grospapa
in dem ledernen Darmstadt, und
habe Ihnen diesen ganzen Vormittag gewiedmet, um nach meinem Tagebuch vom
Augenblik unsrer Trenung an erzählen zu können.
Den 14t Juli reißte ich ab und
kam d: 15t glüklich in
Mannheim an,
wo ich mit der bekannten Herzlichkeit und Liebe aufgenommen wurde,
ich gieng sogleich zu Berger um von diesem zu
erfahren wann er mit mir unsrer Verabredung gemäß nach
Baaden reisen wollte.
hier erfuhr ich zu meinem grösten
Leidwesen, daß Er wegen Krankheit des andern Tenoristen
Deker
jezt nicht mit reisen könnte. wie unangenehm mir dieses war
können Sie sich denken, da ich so manche Hoffnung auf diese Reise baute. Einmal
so weit, wollte ich nicht wieder umkehren, und entschloß mich die Reise allein
zu machen. Weber et Frau
und Dusch sagten,
wenn ich noch ein paar Tage warten wolle, so würden sie mit mir reisen; wer
wartete lieber als ich, und hier war es wo ich
am 18t Ihren Brief
erhielt, der die Ankündigung Ihrer Abreise in sich verschloß.
Was soll ich Ihnen lange mit Worten ausdrükken welche Trübe Stimmung dieß über
unsern ganzen Kreiß, und besonders über mich verbreitete, ich hoffe Sie kennen
uns und mich, und eile daher gern über diese Traurige Errinnerung weg. d: 19t
reisten Weber
und Frau,
Dusch und ich ab, und kamen Abends in
Carlsruhe an,
die Reise war eine der angenehmsten meines Lebens, und
Ihrer wurde unzählige Male dabey gedacht, und auch mit unter wakker geschimpft,
daß der Seehund sich so schnell aus dem Staube gemacht. geh! —
sagte Weber, — s'ist gar zu dumm, daß der Kerl fort ist. —
d: 20t Kamen wir endlich in Baaden an, und fanden alles so voll daß wir
kaum bey einigen Bekannten uns einquartiren konnten
Die Reisegesellschaft übernachtete in der ersten Nacht im Badischen Hof; vgl. Tagebuch..
ich fand da viele Bekannte aus allen
Weltgegenden, dachte wirklich gute Geschäfte da zu machen. d: 22t reisten
Weber et Comp: wieder ab, und ich blieb nun allein meineman
Schiksale überlaßen. den Brief von Vogler an den Kronprinzen von Bayern gab ich abDer verschollene Brief Voglers an Kronprinz Ludwig war vermutlich ein Empfehlungsschreiben für Weber.,
wurde recht gut aufgenommen bestimmte den Tag
meines Concerts ungefähr, und wartete nun Sehnsuchts
voll auf die Ankunft Bergers, und auf
Musik die mir Weber schikken sollte, da an kein Orchester zu denken ist, und man sich mit
Kleinigkeiten behelfen muß. Aber weder Musik, noch Berger kamen, und um das
Leidwesen zu vollenden, war in ganz Baaden
und der Gegend kein Spielbares Instrument, man sagte mir von einem
in Rastatt, ich reiste hin, und kam eben an als
der Eigenthümer davon verreißt warLaut Tagebuch war Weber in Rastatt im Hause des Dr. Haug und spielte auf dessen Instrument, erreichte Haug jedoch nicht. .
über alle dem vergieng Zeit, die
Prinzeßin Stephanie, machte eine Reise der
Kronprinz wollte abreisen,
und so wurde ich ärgerlich und gab es ganz auf. ich erkannte in alle diesem wieder meinen
feindlichen Genius, der mir es zu lange hatte gut
gehen laßen, um mich nicht wieder einmal bedeutend zu nekken,der Aufenthalt und
die Reise kosteten mich über 10 Carolin, die mich sehr
schmerzten. Doch habe ich einige sehr intereßante Bekanntschaften gemacht, die mir in der Folge sehr nüzlich werden können.
der Kronprinz von B: ist oft ganze Nächte mit mir herumgezogen wenn ich
Ständchen brachte
Weber erwähnt im Tagebuch eine Reihe von Ständchen (vgl. 27., 30. u. 31. Juli). Mit dem Kronprinzen von Bayern, Richter, Menzingen, Iwan Müller und den beyden Zweybrücken brachte er der Prinzessin Stephanie am 31. Juli ein Ständchen.
.
auch traf ich den bekannten Dichter
Tiek
Ludwig Tieck war im Sommer 1810 zusammen mit dem Kunstgelehrten Sulpiz Boisserée
und Kronprinz Ludwig von Bayern in Baden-Baden zur Kur, vgl.
Thomas Zieger, Ludwig Tieck. Proteus, Pumpgenie und Erzpoet. Leben und Werk, Frankfurt 1990, S. 73
und Heinrich Berl, Baden-Baden im Zeitalter der Romantik, Baden-Baden o. J. [1936], S. 60–61.
und eine Menge meiner Freunde aus StuttgartVgl. Tagebuch 29. Juli,
wodurch denn auch mancher Augenblik versüßt wurde. am angenehmsten aber war es mir, daß ich meinen Freund
Cotta
den bekannten großen Buchhändler aus Tübingen antraf, der mich bat
etwas über Baaden fürs Morgenblatt zu schreibenDer Aufsatz über Baden-Baden
ist von Weber am 1. August geschrieben worden
(vgl. Tagebuch), im
Morgenblatt für gebildete Stände Jg. 4, Nr. 190 (9. August 1810), Sp. 757–758
erschienen und mit Melos gezeichnet. Weber gibt hier an, dass Cotta ihn um einen Text über Baden-Baden gebeten habe. Auffälllig ist, dass Weber unter den Lokalitäten besonders
den Badischen Hof, den Cotta im selben Jahr gekauft hatte, hervorhebt.
Cotta scheint den Text also durchaus als gezielte Werbung für sein Etablissement bestellt zu haben.
Daneben ist auch ein Zusammenhang mit der geplanten Herausgabe von
Webers Roman Tonkünstlers Leben durch Cotta,
über die lt. Tagebuch am 25. Juli und 1. August verhandelt wurde, denkbar.
Die beiden in den Text eingefügten Gedichte eines unserer ersten Dichter
,
die auf einem Maskenball am 29. Juli im Badischen Hof vorgetragen wurden,
stammen möglicherweise von Ludwig Tieck.
/:, welches ich unter der Firma des H: Melos that, :/ und dem ich mein
Künstlerleben Über dieses Romanfragment hatte Weber lt. Tagebuch schon am 25. Juli
mit Cotta gesprochen der mein Künstler Leben verlegen will,
und am 1. August hat er sich lt. Tagebuch
vollends mit Cotta verabredet wegen meinem Buch,
wobei Cotta Weber eine Frist bis Dezember setzte,
vermutlich, weil er es – wie es im Brief heißt –
zu künftiger Oster Meße mit einigen Kupfern
herausbringen wollte.
Webers Hoffnung, dass das Glück und Werth meiner Arbeit in den Augen der Welt
durch den ausgezeichneten Ruf des Verlages schon halb entschieden
sei,
bezieht sich auf Cottas Verlagsprogramm,
das u. a. Exklusivausgaben von Werken Goethes und Schillers enthielt.
Weber hatte jedoch –
durch die Aufführung der Silvana,
sein geplantes Konzert in Frankfurt,
die Komposition der 6 Sonaten op. 10
und den Beginn der Arbeit an Abu Hassan aufgehalten –
das Werk nicht bis zum Jahresende fertig. In der
Moralischen Übersicht des Jahres 1810
vermerkt er lediglich, er habe
am Künstlerleben gearbeitet mehrere Kapitel
.
Vgl. dazu auch
Brief Webers an Cotta vom 29. Januar 1811
und Brief Webers an Cotta vom 20. April 1811.
Im ersten teilt er seinem Verleger mit:
Sie werden Sich wundern so lange nichts von mir gehört zu haben, aber andere Geschäfte hielten mich ab mit dem anhaltenden Fleiß
der nöthig gewesen wäre an dem Künstler leben zu arbeiten, und da mir sehr daran gelegen ist etwas
Ihres Verlags würdiges zu liefern, so wird es sich wohl noch einige Zeit verziehen
.
Weber schlägt zugleich vor, ein oder 2 Kapitel daraus wieder ins Morgenblatt zu rükken
.
Im Brief an Cotta vom 20. April 1811 teilt Weber mit:
ein größeres Kapitel aus dem Künstler Leben folgt in einigen Tagen,
bis jezt war es mir unmöglich daran zu kommen, um es vollendet aus zu feilen,
indem der Strudel von Gesellschaften und Geschäften eines Concert Gebers unendlich ist.
zum Verlag antrug. Er nahm es zu meiner großen Freude an, und es soll zu künftiger Oster Meße mit einigen
Kupfern erscheinen. Sein Verlag hat einen so ausgezeichneten Litterarischen Ruf,
daß dadurch allein schon das Glük und der Werth meiner Arbeit in den Augen der
Welt halb entschieden ist.
d: 2t August reiste ich wieder ab, und kam d: 3t
in Mannheim an, wo ich gleich
für das Museum requirirt wurde,
und d: 4t da spielteVgl. die Tagebuchnotizen vom 4. August 1810 sowie die Korrespondenznachrichten in der Rheinischen Correspondenz vom 17. Oktober 1810.. ich wohnte dießmal bey
Weber, und fieng an, an meiner
Oper Abu Haßan zu arbeitenVgl. Tagebuch 11. August.
— man ließ mir keine Ruhe, und ich muste noch ein sogenanntes
Gesellschafts Concert in Heidelberg arrangirenVgl. Brief Webers an Gottfried Weber vom 30. August 1810,
blos mit Quartett und Gesang.
d: 13t gab ich dieses, und hatte Troz dem schönen Wetter und einer
Kirchweihe in der Nähe, zahlreiches und gütiges Publikum. auch überraschte es
mich sehr, und rührte mich ungemein, daß zu Anfang des Concerts
auch auf einmal die Hertlingsche Familie
pp kurz an 20 Personen von Mannheim
zu meinem Concert kamen, und nach dem wieder weg fuhren. es sind
dieß die wenigen glüklichen Momente des Lebens, die,
unsdurch das
Gefühl, sich die Liebe und Achtung guter Menschen
erworben zu haben, Jahre von Unannehmlichkeiten aufwiegen. d: 15t kehrte ich
nach Mannheim zurük, und den 18t reiste ich von
da mit schwerem Herzen ab, indem ich wohl keine Hoffnung habe meine Lieben da
wieder zu sehen, und Darmstadt
ohne Sie vor Augen hatte. Hier erhielt ich ihr liebes
Briefchen von Franzensbrunn unter 28 JuliLaut Denkwürdigkeiten (S. 40)
war Gänsbacher am 26. Juli in Franzensbrunn eingetroffen.
.
und erfuhr daraus doch daß Sie glüklich bey den Ihrigen
angelangt sind. ich achte und liebe Ihr Gräfliches Haus
um Ihrentwillen, denn zu wem es Sie so mächtig zieht, und wo
Sie sich so glüklich fühlen, daß müßen gute
Menschen seyn, und wenn ich j es je möglich machen könnte, nach Prag zu kommen, so
würde es gewiß geschehen, aber so bin ich ein Ball des Schiksals, daßs mich nach
seiner Laune in der Welt herum kugelt.
der Canon von IhnenBisher nicht ermittelt hat mir viele Freude gemacht, und mich an manche froh zusammen verlebte Stunden bey denen der
L'ameroLied aus Gänsbachers Liedern op. 9, abgedruckt auch in Webers Artikel in der AmZ vom 11. Juli 1810. prangte, errinnert.
Was soll denn mit
Ihren Musikalien geschehen?
d: 27t gieng ich nach Frankfurt
und hörte eine Probe meiner Silvana mit an,
verabredete mit dem Musikdirektor Schmitt und reiste wieder zurük.
componirte das erste Allegro zu meinem Concert
womit der Papa sehr zufrieden ist, und
arbeitete die Fuge vom ersten Ton umVgl. Brief Webers an Gottfried Weber vom 23. September 1810, Komm.,
bey der ich das eintaktiges Fragment
zum ContraSubject nahm,
und mit der Papa so zufrieden war daß ich es Ihnen
gar nicht wieder sagen mag. so vergieng die Zeit, und d: 6t
September endlich nahm ich Abschied von Unsrer guten
Hausfrau
Weber hatte, bevor er in Voglers Haus umgezogen war,
zusammen mit Gänsbacher Wohnung und Kost bei einer
50jährigen Feldwebelswittwe genommen, die Gänsbacher als geschwätzige, garstige Hausfrau beschreibt
(vgl. Denkwürdigkeiten, S. 31 und 33).
Vgl. dazu auch die Briefe Webers an Gänsbacher vom 13. Mai und 9. Oktober 1810.,
die alle Tage von Ihnen sprach, — und zog nach
Frankfurt, wo ich mich den ganzen Tag mit Proben,
Visiten pp plagte, bis endlich d: 16t
meine Oper das Licht der Welt erblikte.
Proben und alles gieng so gut, alles arbeitete mit so viel Liebe
daran, daß ich schon glaubte einmal etwas von mir ohne Hinderniß glüken zu
sehen. doch so gut sollte es mir nicht werden. die
Mad: Blanchard geruhte ihre Luftfahrt auf denselben Tag festzusezenVgl. Aufführungsbesprechung Frankfurt: Silvana
von C. M. von Weber am 16. September 1810 und Frankfurter Ober-Post-Amts-Zeitung, Jg. 1810:
(a) Nr. 147 (13. September 1810), 2r, (b) Nr. 150 (18. September 1810), 2r [Bericht vom 17. Sept. über die Luftfahrt am Vortag] sowie (c) Beilage zu Nr. 151 (Donnerstag, 20. September 1810), 2r-v: Frankfurt, 19. September [ein unterzeichneter Zeugenbericht über die Luftfahrt der Mad. Blanchard].,
und brachte mir dadurch daß ihre Abfahrt sich bis ½ 8 Uhr verzögerte eine Unruhe
und Zerstreuung ins Publikum und auf das Theater, daß ich sehr besorgt um mein
Kind wurde. doch ist es glüklich gebohren, und mit großem Beyfall empfangen
wordenVgl. dazu auch den Brief Meyerbeers an Gänsbacher von Ende September 1810.. ein Stük wurde Da capo gerufen, und am Ende
die Silvana und ich herausgerufen. Sie erschien, ich natürlich nicht.
Über Morgen als d: 26t ist die 2t Vorstellung und da gehe ich wieder hinüber um zu
sehen wie sie sich hält.
an André habe ich Ihre Lieder abgegebenVgl. Brief Webers an André vom 20. September 1810, mit meiner Übersezung. Simrok grüßt sSie bestens. Papa ist nicht wohl, leidet an den Hämohriden, und Segnet und grüßt Sie aber bestens, darf jetzt nicht viel sizzen, wird Ihnen
daher später schreiben. Beer meine einzige
Stüzze jezt, umarmt Sie vielmals.
Beer Weber und ich haben einen
Harmonischen Bund geschloßen, zu dem Sie auch gehören,
und von dem ich Ihnen in meinem nächsten Briefe, Geseze, und ausführlicher schreiben werdeWeber übersandte die Statuten des Harmonischen Vereins
nicht mit
dem Brief an Gänsbacher vom 9. Oktober 1810, sondern erst mit
dem Brief an Gänsbacher vom 7. Dezember 1810; zum Inhalt vgl. dort..
er ist für die Kunst und für uns von der grösten Wichtigkeit. die beyden andern haben
mich vor der Hand zum Dirigens erwählt wenn Sie es zufrieden sindVgl. § 2 der Statuten des Harmonischen Vereins.
— ich schließe den Brief noch nicht ganz vielleicht fällt mir noch etwas bey, jezt steige ich zu
Papa hinauf.
Hier folgt Ihr Lied ans KlavierBisher nicht identifiziert,
welches Papa umarbeitete, und unter Ihrem Nahmen der
Grosherzogin zu Ihrem Geburtstag übergab
Gemeint sein kann nicht die Gattin Ludewig I., die Hessen-Darmstädter Landgräfin Luise (1761–1829), da diese ihren Geburtstag am 15. Februar feierte;
näherliegend ist der Geburtstag der badischen Großherzogin Stéphanie am 28. August.
.
Kühnel
hat die Unverschämtheit gehabt auf die Choräle
Zwölf | Choräle | von | SEBASTIAN BACH, |
umgearbeitet | von | Vogler, | zergliedert von Carl Maria von Weber
,
Leipzig: Kühnel, VN: 843; vgl. auch Einleitung
nicht mehr als 4 Fridrichsdor zu bieten.
GrosPapa war sehr böß darüber, ich habe ihn aber doch
bestimmt die Sache als Bagatelle zu behandeln, worauf
ich dem Kühnel schrieb
er möchte Ssie nur gleich stechen, denn Vogler sowohl als ich, hielten es unter
ihrer Würde darüber noch zu Handeln. — die Verleger sind doch alle Hunde,
gemeine, und doch ist ihr zweites Wort immer Kunst, und Kunst, soll heißen,
Geld Geld.