## Title: Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher. München, Donnerstag, 27. Juni 1811 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040408 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Es ist mir unbegreifflich geliebter Bruder, daß du so lange mir nicht eine Zeile geschrieben hast, da ich doch überzeugt bin daß du mich nicht vergeßen hast, und du doch auch wustest daß ich hier in München sey. d: 27t Februar schrieb [ich] an dich von Würzburg aus und wie gewöhnlich und seitdem, antworteste du mir nicht. damit du aber siehst daß ich deßwegen doch keinen Groll habe so schreibe ich dir hiemit wieder, und bitte dich nur herzlichst mir bald zu antworten. du sizzest im Schooße der deinigen, ich stehe allein, denke daher wie sehr mich jedes Wort von dir freut und erquikt. laße mich jezt dir meine Fatas in Kürze vortragen. Weder in Würzburg, Bamberg noch Nürnberg oder Augsburg war etwas für mich zu thun. ich beschränkte mich also auf München wo ich d: 14t März ankam. überall vortrefflich und besonders vom ganzen Orchester mit ausgezeichneter Hochachtung aufgenommen wurde, und nach 1000 Schwierigkeiten endlich am 5t Aprill mein Concert im Theater zu Stande brachte. es war eines der besuchtesten seit langer Zeit, und ein wirklich Enthusiastischer Beyfall erhob mich.Ich bekam sogleich so viele Aufträge und Bitten Concerte pp zu componiren, daß ich den Entschluß faßte, den ohnedieß zu Reisen ungünstigen Sommer über hier zu bleiben, da ich mir mein[en] Aufenthalt bequem durch comp: verdienen konnte, und mit neuen Empfehlungen pp versehen weiter steuren kann. und das habe ich auch bisher gethan. ich war ziemlich fleißig, und brachte auch meinen Abu Haßan aufs das Theater /: von dem ich dir hier einen Zettel beylege :/ der 2 male schon mit großem Beyfalle gegeben wurde. ich lebe ziemlich Vergnügt, nehmlich so sehr man es seyn kann ohne einen der Unsrigen um sich zu haben.Anfangs August gedenke ich nach der Schweiz einen Abstecher zu machen, im September wieder hieher zu kommen noch ein Concert zu geben, und dann in Gottes Nahmen meinen Stab weiter nach Berlin, pp fortzusezzen. Von Weber habe ich Gestern Briefe erhalten worin er mir schreibt daß er d: 21t nach Darmstadt geht wo Samori gegeben wird. ich bin höchst begierig wie er ausfällt, lange genug haben sie daran studirt das ist nicht zu läugnen, so eine Kleinigkeit wieder von 10000 Proben. Ich fürchte beynahe für den Samori, denn nach den lezten A[e]ßerungen Mangolds und des ganzen Orchesters waren sie nichts weniger als con amore daran, und du weißt wie viel das thut. Wie steht es mit deiner kleinen Oper? was hast du neues geschrieben? Kann ich dir hier nicht in etwas nüzlich seyn, deine Oper hieher zu schikken oder vielleicht eine Meße aufzuführen? Lezteres möchte schwerer seyn als das erste da der neidische Winter niemand daran läßt, ich gebe mir schon seit einiger Zeit Mühe wegen einer Meße von Weber. doch hoffe ich soll es gehen. jezt sind gar keine HofMusiken in der Kirche da der Hof nicht hier ist. Meine Rec: deiner 4Händigen Var: wirst du in der Mus: Z: gelesen haben. es ist mir unbegreifflich daß deine Lieder bey André pp noch nicht heraus sind, hast du unterdeßen | nichts an Kühnel geschikt? vergiß ja nicht die Anzeige zu machen, wenn du etwas herausgiebst. ich habe seitdem hauptsächlich Clarinett Concerte für den herrlichen Bärmann comp: mein Concertino bließ er in mein[em] Concert, was außerordentlich gefiel. und mein Concert /: aus F moll C dur, und F dur :/ in dem Concert das der Mechanikus Kauffmann aus Dresden, auf seinem neuerfundenen Harmonichord gab, und für den ich auch ein Adagio und Rondo mit Begleitung des ganzen Orchesters geschrieben hatte. Lezteres besonders war eine verdammte Arbeit, für ein Instrument zu schreiben deßen Ton so eigen ist und so fremd, daß man seine lebhafteste Phantasie zu Hülfe nehmen muß um es gehörig wirkend mit den anderen Instrumenten ins Licht zu sezzen. es ist ein GeschwisterKind der Harmonica, und hat besonders das eigene, daß die 8ve so hervorsticht bey jedem gehaltenen Ton, weil durch Reibung Holzstäbchen, und durch diese erst wieder Saiten in Schwingung gebracht werden. Beyde Compositionen gefielen ungetheilt und ausgezeichnet. Ich warte mit Schmerzen auf einen guten neuen OpernText, denn wenn ich keine Oper unter den Fäusten habe ist mir nicht wohl. Papa Vogler hat mir lange nicht geschrieben, ich kann mir denken daß er viel mit Samori zu thun hat. Beyliegenden Brief bitte ich dich gehörig zu besorgen, er wurde mir gestern zugeschikt. um ihn nicht aufzuhalten muß ich mein Gesaalbadere schließen. Lebe wohl liebster bester Freund und erfreue bald durch einige Zeilen, deinen dich so innigst liebenden ewig treuen Bruder. M: München d: 27t Juny 1811. im Bauhof über 2 Stiegen. Unbekanter Weise meinen Ehrfurchtsvollen Gruß an dein vortreffliches Gräfliches Haus. adieu.