Gotha, d: 24t 8br 1812.
Mein gutes Treues Herz!
Deinen Brief vom 9t huj erhielt ich den 16t mit denen
Beylagen richtig, und ergötzte und erquikte mich daran sehr. nur dein Brief hat mich
recht wehmüthig gestimmt. Eine Wehmuth die mich diese Tage über nicht dazu kommen
ließ, eher zu antworten, und die mich noch jezt zerstreuend, nur mangelhaft mich
auszudrükken erlauben wird. Wie wahr ist was du sagst, daß der warme herzliche
Gedanke auf dem Papier ganz anders steht, als im Herzen, daß so viel darauf ankömt in
welcher Stimmung man ihn liest, und daß man wirklich, — schreibt man an einen recht
lieben Menschen, — immer in einer Art von Fieberhaftem Zustande ist. Habe ich recht
den Sinn Deines Briefes herausgefühlt, so habe ich Dir durch meinen Brief an
Lichtenstein wehe gethan. Dieß ists
was mich so unendlich schmerzt, daß du glauben könntest, ich träge dich nicht eben
so tief im Herzen als irgend ein Wesen auf der Welt. ich weis nicht mehr wörtlich was
ich an Lichtenst: schrieb, aber es ist
gewiß daß ich während meines Aufenthaltes in Berlin mich nie ihm
so viel nähern konte, als zu einem eigentlichen Freundschafts Bunde nothwendig ist.
unsre beyderseitigen Erfahrungen und Ansichten waren die eignen Hinderniße. und
liebten und achteten wir uns auch gegenseitig so sprach es sich doch noch nie
feßellos aus. im lezten Augenblike des Scheidens blikte er noch herzlicher und wärmer
auf, und gerne bot ich nun auch aus der Ferne ihm die Hand zum Bunde.
Mit Uns war das anders. Glaube mir, bey Gott, ich
habe dich nie verkannt, ich wußte wohl welch,
herrliches tiefes Gemüth, unter der anscheinend kalten Hülle verborgen lag, und wer
weis ob einer deiner Freunde dich je so vollendet verstand und faßte als ich. Wir waren lange im Reinen mit unseren Gefühlen, bey
uns brauchte es keiner Erklärungen und keiner Versicherungen. Wir wußten was wir
aneinander hatten, und — freudig und fest sage ich es, — was wir aneinander haben, und ewig behalten werden. Sieh! bey jedem
andern hätte ich einer solchen leisen Andeutung als in deinem Briefe liegt, kaum
erwähnt; aber bey dir, du liebevolles inniges Herz, muste es mir unendlich wehe thun dich
gekränkt zu sehen, da du immer die Furcht hegst daß du nicht
deutlich genug deine Liebe und Treue aussprechen kannst, da du dir selbst vVorwürfe
darüber machst, und es dich dir daher ein bitteres Gefühl verursachen muß, wenn du
zu dem Glauben dich veranlaßt glaubst, auch der
Freund den du liebst, von dem du dich erkannt hofftest, gäbe nun einem aAndern seine
Liebe wärmer hin, und du seyst selbst schuld, weil du nicht eifrig genug ihm deine
geoffenbaret. Nein! wahrhaftig nein. Könnte ich dir gegenüber stehn, und dich an
meine Brust dürkken, du würdest mich erkennen, und mit Liebe umfaßen.
d: 25t Ich wurde Gestern weg von meinem Schreibtische
zum Herzog gerufen, mußte Mittags da
bleibenLaut Fourierbuch für Oktober bis Dezember 1812 (Thüringisches Staatsarchiv Gotha) speiste der Herzog mittags nicht mit dem Hofstaat, sondern Im Zimmer
; Weber ist als sein Gast aber nicht erwähnt. und kam erst spät in der Nacht nach Hause. da fand ich einen Brief und eine
Zeichnung von Mad: Lautier, die mir
sehr viele Freude machten. oft werde ich die Zeichnung
ansehen und der schönen Zeit gedenken wo ich auf jenem Hügel standS. E. Lautier hatte eine Zeichnung des Jordan-Gartens in Pankow geschickt; vgl. Webers Brief an H. Lichtenstein vom 1. November 1812.. Wann wird es mir wieder so gut werden? — Zu gleicher Zeit erhielt ich einen Brief von Weimar, wo ich aufs dringendste
eingeladen werde zu der Grosfürstinn zu kommen, und ihr meine Sonate selbst vorzuspielen. ich werde also heute Abend dahin abreisen, und
wahrscheinlich in 5 bis 6 Tagen wieder zurükkommen, entschuldige mich daher recht
dringend bey den Briefstellerinnen, wenn meine Antwort ein paar Posttage später
erscheint. denn wenn ich mir auch heute noch ein paar Stunden abzwakken könnte so
würde ich doch nicht mit der Ruhe und Liebe schreiben die nöthig ist. auch habe ich
gar manches zu besorgen.
Ach was hätte ich darum gegeben bey dem Geburtstagsfeste unserer lieben Jordan zu sein, bringe ihr meine
herzlichsten Glükwünsche, die, wenn sie auch spät kommen, doch immer recht wahrhaft
und ehrlich gemeint sind. daß du dabey Jettchen nicht vergißt versteht sich am Rande. Das Bällchen und die Kielemannsche VertheidigungVermutlich bezogen auf den scherzhaften Steckbrief im Bulletin vom 12. September 1812. haben mir unsäglichen Spaß
gemacht. Abends vor Schlafengehn ist es gewöhnlich meine Ergözlichkeit, daß ich alle
Eure Briefe durchlese und mich so in freundlichen Errinnerungen einwiege um davon
dann weiter träumen zu können. Mein Aufenthalt in Gotha kann wohl sich
bis gegen Ende November verziehen. ich muß nothwendig
einige Arbeiten vollenden. a prospos da fällt mir ein: Gehe
doch einmal zu Gubiz und Grüße ihn aufs Beste von mir, sage ihm ich hätte ihn nicht vergeßen, wenn ich gleich bis jezt stumm wie ein Fisch gewesen sey, und ich hoffe er habe auch an
meine Libußa gedacht.
Auch Mariane Hurka sage alles Liebe und Schöne von mir. Gestern
lief auch ein KlavierAuszug nebst Liedern hier ein. ich beantworte vielleicht alles in Weimar, wo ich gewiß die ersten
Morgenstunden frey habe. Wollank hat
mir lange nicht geschriebenDen letzten Brief hatte Weber laut Tagebuch am 3. Oktober erhalten.. versetze ihm ein par freundschaftliche Rippenstöße zur
Aufmunterung. Aus Kystings Reise ist wohl nichts geworden, denn
wäre Er so mir so nahe gewesen, hätte er mich gewiß besucht. ich sage dir jezt
Lebe wohl um wenigstens der guten Koch ein
paar Worte zu schreiben. ich reiche dir treulich die Hand aus der Ferne zum derben
Händedruk, und schließe dich in mein Herz ein.
Dein treuster Bruder Weber.