Prag d: 16t May 1814
Mein lieber theurer Freund!
Wie soll ich Ihnen warm genug für Ihren lieben Brief danken, der so schön den
Antheil ausspricht der allein im Stande ist lichte Punkte in mein trübes LebensGetreibe
zu bringen. Sie entschuldigen selbst mein Stillschweigen schonend, liebevoll und
theilweise auch gegründet, aber nur mit denen traurigen Modifikationen kann ich Ihnen
Recht geben, nehmlich daß der Stunden der Weihe für mich gar keine waren, wohl
aber desto mehr der Krankheit und immerwährenden Kränkeley. weder Zeit noch Lust zum Arbeiten fand sich bis jezt, und ich
habe im strengsten Sinne des Wortes seit 8 – 9 Monaten, keine Note geschrieben. die
Gründe dazu liegen theils in mir Größeren Theils aber in denen mich umgebenden Umständen
die durchaus nichts anspornendes und erfreuliches haben. Mündlich hoffe ich Ihnen dieses
klar und deutlich auseinander zu sezzen, wenn anderst der Himmel nicht auch noch die
liebsten Hoffnungen und Pläne scheitern läßt, von denen ich das wiederaufleben meiner
körperlichen und geistigen Kräfte erwarte. ich habe mich fest entschloßen d:
18t oder 20t Juni
von hier abzureisen, und Leipzig,
Gotha, Weimar
und Berlin zu besuchen. Es versteht
sich von selbst daß der Wunsch Sie zu sehen und zu sprechen die
Haupttriebfeder mit ist und ich werde Sie aufsuchen Sie mögen sein wo Sie wollen. Sie
sprechen davon das Bad Radeberg
bey Dresden zu besuchen. Wann geschieht das und wo liegt
es? genau bestimmt. – Lieber wäre es mir freylich Sie im Juny noch in
Leipzig zu treffen
weil ich von Ihnen hauptsächlich einen freudigen Anstoß zur Arbeit bey dem ruhigen
Gothaer Aufenthalt hoffe.
Aber freylich, Gesundheit ist das höchste Gut. Also bestimmen Sie mir möglichst genau,
die Zeit, Richtung und Länge Ihrer Reise.ich habe einen 3 monatlichen Urlaub deßen lezten Theil ich
in Berlin zu verleben denke. —
Sie Glüklicher Mann! ich kann mich dieses
Ausrufes nicht erwehren so oft ich einen Blik in Ihr häusliches Leben thue. Bey Ihnen
wandeln selbst trübe Ereigniße sich zu glüklichen Momenten, weil sie die schöne
erhebende Ueberzeugung ewig neu gebähren so eine treffliche LebensGefährtin
an der Seite zu haben. die Trennung Ihres Georgs
von seiner theuren Mutter, kann vielleicht Niemand
lebendiger erfühlen als ich, in deßen Leben, eine ganz ähnliche Handlung, vielleicht die
Epoche war, die auf die ganze übrige LebensZeit mir Selbstständigkeit und Muth zur
Arbeit im Vertrauen auf reines Streben, gab. Meine verewigte Tante,
schon hoch an Jahren, dem Grabe nahe, ließ, – ja trieb
mich – die einzige Freude Ihres Alters, von sich; weil Sie einsah daß ich nur dadurch
mir selbst erhalten werden konnte. — Frieden und Seegen Ihrer Asche! — — —
Sie wollen einen Umriß meines Zustandes? ich könnte ihn Ihnen als vollkommenes Gegen/ nicht Seitenstük zu
dem Ihrigen geben. — Früh Morgens bis 10 Uhr, als der einzigen Zeit wo ich sicher zu
treffen bin, bestürmen mich alle Wesen die etwas mit mir zu sprechen haben. da habe ich
dann keine ungestörte 4tel Stunde, und bin froh wenn ich die trokenste Arbeit in den
Intervallen vornehmen kann. täglich um 10 Uhr ist Probe die bis gegen 1, ½ 2 Uhr dauert.
Sie werden dieß begreifflich finden, da ich ein beschränktes Personale habe, und immer
einen Tag um den andern Oper ist, da alle Tage, Jahr aus Jahr
ein gespielt wird. dann werde ich meistens wo abgefüttert wo man hingehen muß, um nicht
ganz aus der Menschen Augen zu kommen, und Ihnen auch Gelegentlich zu sagen, was sie von
diesem oder Jenem zu halten haben. dann geht es noch einen Augenblik nach Hause, um die
nöthige Geschäfts Correspondenz zu besorgen, Partituren, Bücher,
durchlesen, corrigiren,und 1000 Dinge mehr, die sich täglich
Haufenweise einfinden und doch schwer aufzuzählen wären. dann ins Theater um die
nöthigen Befehle für den folgenden Tag zu ertheilen. Rüksprache mit dem Direktor nehmen
pp ist das geschehen, und ich recht ermüdet von der Last des
Tages, dann wäre der Augenblik da, wo ich so gerne an Freundes Brust ruhen, und mit ihm
mich des Gelungenen freuen, oder auf Verbeßerung des Fehlerhaften sinnen möchte, — aber
da bleibt mir nichts als mein einsames Zimmer, der heftige Kopfschmerz, und das Gefühl
eines unnennbaren Alleinstehens. – Soll, kann man damit
arbeiten? Wäre mein Gänsbacher hier so wäre freylich das alles anderst,
aber seit dem dieser seinem hohen Vaterlandstriebe gefolgt, und bey den Tyroler Jägern ein rauhes
gefahrvolles Leben einer ruhigen, angenehmen Existenz vorzog, giebt es hier
keine Seele, die nur im geringsten Anklange zu der meinigen
gestimmt wäre. der Geist des Publikums den Sie so treffend wahr, einen
matten, unruhig ins Blaue hinaus wünschenden nennen,
ist so niederschlagend für den schöpfenden Künstler, daß er ganz dem entsagt auf selbes zu wirken,
und sich wieder von ihm begeistern begeistern zu laßen.
Nichts erregt eigentlichen Enthusiasmuß, alles komt und geht mit Todeskälte.
der Haufe fühlt nicht als Haufe, weil er überhaupt keinen GemeinGeist besizt, keine
Geselligkeit existirt, und jeder Stand, und in diesem wieder jede Familie isolirt für
sich dasteht und vegetirt. ich werde Ihnen dieß für die M: Z: ausführlicher nebst einem
Bericht über die bisherigen Leistungen und Erscheinungen seit einem Jahre geben. –
daß ich Liebe genug zur Sache besizze um deßhalb doch meine Pflichten als Direktor im
vollsten Maaße mit Aufwand all meiner Kräfte zu thun, trauen Sie mir wohl zu, aber der Trieb
zum arbeiten, zu Sschaffenden
Leistungen, ist so hohen Ursprungs wie die Liebe, und läßt sich eben so wenig erzwingen.
Gegen Ende März bekam ich den Friesel sehr heftig, und daraus entstand eine komische Sache. nehmlich ein Concert
ohne den KonzertGeber. Meine Akademie war auf den 4t Aprill, /: einem freyen Tag im Theater :/ festgesezt;
ich hoffte von Stunde zu Stunde so weit hergestellt zu sein, und so kam es daß es weder verschoben werden noch ich dabey sein
konnte. ich hatte Werke einheimischer Componisten, von Wittasek,
Tomaschek und Weber
gewählt, dazu Mozart, Gluk
und Vogler. Von mir natürlich
nichts. Aber mein neu engagirter Patriotismus bekam
mir schlecht, denn das Haus war leer. item – Seit einigen
Tagen drükt mich auch sehr eine Nachricht nieder die ich Ihnen zugleich als Notiz die
Sie unter meinem Nahmen in die M: Z: sezzen können mittheile und an der Sie gewiß
Antheil nehmen. Abt Vogler ist nicht mehr.Gottfried Weber hatte bereits am 7. Mai einen Nachruf an die AmZ geschickt, der im Jg. 16, Nr. 21 (25. Mai 1814) erschien
Er starb schnell d: 6t May früh ½ 5 Uhr
in Darmstadt, und ich behalte mir vor später
etwas ausführlicheres über Ihn und seine Werke zu schreibenVgl. Komm. im Brief an Gottfried Weber vom 23. Juni 1810 sowie die überlieferten Schriften: Aufsatz über Abbé Vogler und den Artikel über Abt Voglers Jugendjahre. – das heutige
Johannisfest hat auch mir das Fest verschafft mit Ihnen sprechen zu können. Es ist der
erste Morgen seit langer Zeit der mein ist.
Ueber unsre Oper Mündlich ein mehreres.
was ich daran Hauptsächlich geändert wünsche, wird glaube ich Ihren Ansichten nicht zuwieder sein,
und betrifft gröstentheils Scenische Anordnungen. die Zeit Umstände haben auch auf die hiesige
Direktion nicht zum Vortheil gewirkt, und nur darin sehe ich die Ursache daß sie mir so
lange nichts bestimmtes darüber erklärt, doch was thut das, bin ich doch bestimmt, und
nehmen laße ich mir nicht was einmal für mich bestimmt war, – hören Sie?
Die Mus: Z: habe ich in Ewigkeit nicht gesehen, ich muß mir sie wirklich selbst halten, sonst weiß ich gar nicht was in der Welt vorgeht.
1000 Dank im Voraus für die Anzeige meiner LiederDie Rezension von Webers op. 25 war bereits in AmZ Jg. 16, Nr. 12 (23. März 1814), Sp. 193–198 erschienen die von Ihrer Hand nicht anderst wie beherzigenswerth und zugleich liebevoll sein kann. –
Ich drükke Sie in Gedanken innig an Freundes Brust und hoffe es bald in Wirklichkeit zu thun.
alles Erdenkliche herzliche an Ihre theure Gattin und Tochter,
und behalten Sie lieb Ihren ewig unveränderlichen treuen Freund Weber.