Von Einem Tage zu dem andern verschob ich die Antwort auf deinen lieben
Brief vom 30t Aprill,
mein theurer Bruder, weil ich immer hoffte
daß so manches sich entscheiden sollte, und ich dadurch in den Stand gesezt würde dir eine bestimmte Antwort
über meine Reise zu Euch, geben zu können. Bis jezt hängt dieses noch von 1000
Zufälligkeiten ab, und ich bin nur durch die Gelegenheit der Abreise MüllersDie Identität des genannten Müller ist ungewiss; möglicherweise handelt es sich um Wilhelm Müller, dessen Anwesenheit in Prag bislang allerdings nur für Oktober 1813 gesichert ist; vgl. Karl Goedeke, Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung, 2. Aufl., Bd. 8, Berlin 2011, S. 255.
verleitet worden, dir vor der Hand zu schreiben, daß mir deine Liebe innig wohl thut,
daß ich dir fast in Allem Recht gebe, und daß ich bestimmt mich entschloßen habe nach
Berlin zu kommen.
Wann dieß aber geschehen wird, ob in 3—4 oder
8 Wochen kann ich nocht nicht wißen, und überhaupt wünschte ich daß du die Sache noch in
Dunkelheit ließest weil ich mir von der Freude einer Ueberraschung gar viel verspreche.
doch stelle ich lezteres ganz deinem Gutfinden anheim. Wenn dieser Brief kurz wird so
wundre dich nicht, denn es reut mich schon jeder Federstrich den ich mache, weil alles
sich in Bälde so gar schön und gut wird Mündlich abthun laßen. Auf jeden Fall erfährst
du von mir noch bestimmt Art und Zeit meiner Reise, und wo möglich Tag und Stunde meiner
Ankunft in Berlin.
Bey dir zu wohnen lieber Bruder wird mir das erfreulichste und
erhebendste sein, aber ich glaube doch vorher eine Art von Anfrage bey
Beers
machen zu müßen wenn ich hin komme, denn die könnten es übel nehmen,
und glauben ich sey nicht mit Ihnen zufrieden gewesen. Wenn du mir noch etwas zu
schikken oder zu schreiben hast, so thue es nur noch hieher
per Adresse Ballabene et Comp:
da ich vielleicht noch den ganzen Juni hier sizze.
Unsrer guten Koch sage alles Erdenkliche von
mir, daß ich aber jezt außer Stand wäre an Sie zu schreiben. Wie sehr ich in Arbeit stekke
kann dir Müller erzählen. seit dem 10t
Sept: 1813 gebe ich künftigen Sonntag
die 23te OperVgl. dazu die Aufstellung im Prager Notizen-Buch; nicht mitgezählt sind die dort notierte Schauspielmusik zum Österreichischen Feldlager sowie das Pasticcio Andromeda und Perseus.. Müller bringt auch einen
ganz neugebohrnen Canon mit.
der liebe Theilnahmvolle Brief von dem guten
Jettch: Jordan hat mich herzlich erfreut, und es ist
recht schlecht von mir daß ich noch nicht geantwortet habe, aber es ist mir bey Gott
jezt unmöglich da ich den Kopf zu voll habe, und mein Gemüth zu unruhig ist, das langsam
aufs Papier zu krazzen was ich bald freudig von den Lippen strömen laßen kann.
Also jezt Punktum, Grüße an Alle,
bald liebster Bruder hofft dir selbst sagen zu können wie innig er dich liebt, dein treuster
Bruder Weber
Prag d: 5t Juny 1814.