## Title: Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag. Liebwerda, Samstag, 16. bis Dienstag, 19. Juli 1814 (Nr. 3) ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040695 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ An Mademoiselle Carolina Brandt zu Prag. durch Einschluß. No: 3. [Liebwerda,] d: 16t […][July] 1814. Morgens Wie zählte ich heute jede Minute, wie oft lie[f ich in de]r bangsten und frohesten Erwartung zum BadeMeister nach […][…]s ich endlich die Züge deiner theuren lieben Hand erblikt[e,] […]ten im Stich laßend auf m[ein Zi]mmer rannte, um re[…] z[…] […]g deiner Hand genießen und [mich] zu dir träumen zu [können.] W[ie] unendlich glüklich machte [m]ich jedes Wort des Brie[fes], und wie schlug mich der Schluß zu [B]oden. – Ist es möglich! in dem Augenblik wo du von Liebe überwallst, auf einmal so schreklich kalt zu seyn? womit habe ich das verdient? Ich greiffe in meine Brust und fühle sie rein und voll der heißesten Triebe für dich. Welch ein Nichts hat dich verstimmt? Habe ich ein Wort in der Eile ges[chr]ieben das dir wehe thun [k]onnte? und war etwas was dich verstimmen konnte, wie kannst du deinen armen Carl, der gar Nichts auf der Welt hat, a[ls] dich, und nun den einzigen Ersaz deiner Briefe, – damit [so un]endlich kränken daß du sch[reibs]t – ich ersehe […]age meines Briefes und […] deßhalb nochmal […] [V]erz[eihun]g, es soll nicht mehr ges[ch]ehen. das ist zu viel. Verzeihe, ich kann nicht mehr, meine Hand versagt mir den Dienst. – und du dankst für die Güte daß ich dich im Tumult nicht vergeßen. – in welcher Minute, in welcher Stimmung must du das erhalten haben. – d: 17t [Juli] Ich bin etwas ruhiger geworden. Gewiß 10mal habe i[ch deinen] lieben Brief durchgelesen und eben so oft versucht zu schreiben, – immer um[son]st, der Drang in mir war zu groß als daß ich ihm hätte Worte geben kön[nen]. endlich nahm ich deinen Brief zu mir und lief in Gottes freye Natu[r], bestieg ohne auszuruhen über 2 Stunden lang den höchsten Berg, wa[rf] mich [da] wie fa[st] ermattet auf der Spizze [nied]er, und las nochmals. O meine [L]ina! wie hast du mir so wehe thun können? in jeder Zeile [ha]uchte mich die Liebe an die mir so theuer, so unendlich werth ist. w[ie] freudig überraschte mich öfter das Zusammentreffen unsrer Idee[n] wie du es nun auch in 1 und 2 finden wirst. und wenn du mir denn ein f[reudige]s Lächeln ablokst durch deine Versprechen wie brav du sein willst un[d] schon bist, – so ist 10fach schreklich wenn aus ganz heiterem Himmel, ein [z]erstöhrender Bliz niederfährt. das arme Blättchen das ich so h[…] […]s schrieb; mir so darauf zu Gute that, daß die andern nicht schreiben konnten, da der Kutscher nicht einmal ausspannen, ja gar nicht wa[rten] wollte, und es an allem, an Zeit, an Schreibmaterialien, an S[…] pp fehlte; da dachte ich, | Nein! so [t]rokken s[ie] laßen, daß wir glüklich [angek]ommen wäre Sünde, und die 2 Worte werden s[ollen S]ie [er]st überzeugen daß es auch w[ahr] ist; und wenn Sie dann den Thomas [nach den] Umständen fragt, und auch [h]ört daß die 2 Männer nichts als Grüße [zu bestellen haben], dann wird sie doch auch d[ie]ser kleine Beweiß wärmerer Anh[änglichkeit fre]uen. Wie sehr ha[be] ich mich betrogen. ich hätte also li[eber] [gar nicht] als so wenig schrei[be]n sollen. dieß ist das einzige [was ich nach so] langere Grübeln [als U]r[sa]che deiner Bitterkeit auffinden kann […] [the]ure Lina; fürchte nicht [daß ich] nun bey etwas ruhigerer Stimmung [me]hr d[arin suche] oder sehe, als eine dein[er] Aufwallungen, die bald durch deine richtigen Gefühle und das Einsehen da[ß] du mir Unrecht gethan wieder verschwinden wird; aber du kennst mich, du weißt wie sehr alles auf mich wirkt, was von dir kömt, daß [d]iese Saite meines Daseyns ei[ne] mir u[n]begreiffliche Empfindlichkeit [und] Reizbarkeit besizt, und es mir auch [lei]der nicht an schwarzem Blute f[ehlt] Geschichten und Nebenumstände [hin]zu zu fürchten. – Ach! hier s[teh]st du mir nicht gegenüber und siehst mich mit deinen großen hellen Aug[en] so liebevoll an, reichst mir nicht deine Hand so ehrlich gut hin, o[d]er fällst mir um den Hals, und alles [is]t vergeben, vergeßen, un[d] getilgt durch die Macht unsrer Lie[be.] – Hier verbrüte ich al[le]in; Kann Niemand zum Vertraut[en] [meines Ku]mmers machen, muß ihn [m]it mir herumtragen und nur fürch[terlich ängstlich ein]em Brief von dir entgegen sehen, der mich wieder […] mir wieder selbst [gie]b[t.] Wenn ich mich so rech[t zusamm]en nehme, und recht bill[ig b]in, so sage ich zu mir selbst, – sieh! m[a]l, da hat nun deine Lina alle Nächte geseßen, und nichts lieberes gedacht und gehabt, als dich, und das an [d]ich zu schreiben; nun hat sich in Ihrem Gemüth so unwillkührlich, und ohne weiter gerade über die Möglic[h]- oder Unmöglichkeit nachzudenken, der Gedanke festgesezt, Sie müß[e] nun von dir auch einen solchen Brief erhalten. Sie zählt voll Unge[d]uld jede Minute bis zur A[nk]unft des Kutschers – und der giebt ein Zeichen mit ein paar flüchtig und mit Noth zusammengekrazten W[or]ten. [i]st nun der erste Gedanke nicht der, daß während Sie am […][ti]sch saß, ihr Carl Tag und Nacht und krank auf der Straße war, son[de]rn der, Er hat mich schon vergeßen, und denkt er ist schon gnädig [ge]nug /: da Er weis wie mich alles freut, das von ihm komt, :/ – wenn [er] mir nur mit einem Worte trokken sagt, Er sey mit ganzen [Gl]iedern […] und gelegentlich ein Me[hrer]es. – – – Im Augenbl[ik]ke dies[…] Gefü[hle]s muste der Brief [a]uf die Post, und so entstand der Schl[uß] der deinem Carl 4 unglükli[c]he Tage macht. Liebes, theures Leben [wa]nn wirst du mich endlich kennen? Werde ich denn nie die frohe Aussicht [ha]ben, glauben zu können daß du weißt wie ich dich liebe, und [mit] [we]lchem gerechten Vertrauen du dich an die Brust lehnen ka[nn]st, die nur für dich und dein Wohl schlägt. Gute Nacht meine gut[e L]ina. Vielleicht sizt du jezt auch am Schreibtisch und gedenkst deines C[arl] möge doch der Himmel dich mit freundlichen Bildern umgaukeln und die [R]uhe in dich senken die uns beyde so unendlich glüklich machen wü[rd]e. du weißt was du mir v[e]rsprochen hast; du | willst dich mir erh[al]ten, ich werde strenge Rech[enschaft] [f]ordern von dem trübsinnigen Dämon in dir, der immer den Guten bra[v mein]enden unterdrükken will. Gute, Gute N[acht]. ich Küße dich u[nzählige mal] in Gedanken mein liebes Leben […] [Kußsymbol] d: 18t [Juli] Heute ist ein Tag [der] ganz zu meiner Stimmun[g paßen]d mir beynahe wohl thut indem andre über [ihn] schreyen. Ein dikker […] [Neb]el bedekt Berg und Thal so, daß man kaum [2] Schritte vor sich sehe[n] [kann und] wenn ich so in ihm herumwandle so glaube ich mich ganz in einen M[antel gehü]llt von der Welt abgesondert zu sein. Es ist sonderbar daß s[chönes Wette]r, mich meistens sehr traurig und ungl[…]len macht, während [ein solches w]ie das Heutige mir gerade wie mein Element [vork]ömt. Auch bin [ich] froh [da]ß es mich außer dem nothwendigen Hin u[nd Her]bewegen unter den [kur]zen Gä[ngen] beym [W]aßertrinken, von dem so sehr [em]pfohlnen Spazierengehen dispen[s]irt, und ich ruhig in meinen 4 Wänden sizzen und [in] den Nebel hinausstarren k[an]n. Ich arbeite mancherley aber meist Mechanis[ch]. Schreibe ab, bringe ins Rein[e, ] beseitige rükständige Geschäfts [Cor]respondenz [und] gehe zuweilen zum Klavier [an de]m ich Gedankenlos sizze. Es ist eine [s]eltsame ruhige Unruhe. [die Zei]t die ich der Kur widme, dünkt mich ein[es]theils so verlohren, und [andererseits sehe ich die No]thwendigkeit derselben wieder e[in.] Was mir auch s[ehr zu schaffen macht] daß ich nicht so viel Ruhe habe als i[ch] [h]offte und wünschte. ich […] in ge[…]chtet daß mein bischen Nahme, mich auch in diesem Winkel nicht ungesch[or]en laßen würde, und doch ist es so. Ein General Lehsten aus Preu[ß]en, und ein Pfarrer aus der Gegend, wollen mich mit Teufels Gewalt ang[ene]hm finden und genießen, ich hoffe sie aber doch durch meine Kälte und Zurükz[ie]hen abzuschrekken. Wenn doch die Men[sc]hen wißen könnten, wie wied[er]wärtig mir jezt alle Art von Berührung [mit] ihnen ist. Auch ist ein [une]rträgliches Gelaufe und Gelärme vor me[in]er Thüre, und Gestern vollen[ds] wo im Saale getanzt wurde, hatte ich alle Faßung nöthig um [nicht r]ein toll zu werden. Zum Glükke reisen täglich welche ab, und so wird d[as Haus] bald ganz leer sein. Heute bade ich zum erstenmale, 2 mal, [um] die Kur bald zu vollenden. Was machst du jezt? Es ist 3 Uhr Nachmittags. [schlä]fst du? oder hast du Besuch, oder sprichst [du] mit deinem Carl? denkst [du wo]hl so oft an mich als ich an dich? [Eigen]tlich bist du mi[r] [n]ur […] [in Ge]dank[en] an den allen übrige sich nur an[…]chen. Schon der […] andern [M]omente habe ich so viele. Wenn ich aufstehe und mein lieb[es] blaue[s Tu]ch mich ins Bad begleitet. wenn ich dann Wasser trinke, und 14 mal das Gla[s in] die Hand nehme, auf dem dem treuen Pudel gegenüber dein und mein N[am]e steht, – – Alles alles errinnert nur [an] dich. Mit meinem Rei[segeführten geht] es mir wie dir mit der Bach, nur mit dem Unterschied daß ich Recht und du Unrecht hast; – ich spreche wenig mehr von dir mit Ihnen; Sie verste[eh]n mich ni[cht], und nehmen im Ganzen zu wenig Antheil an uns beyd[e]n; aber [du w]eißt doch daß die gute Bach dich wirklich lieb hat; und Sie hat uns auch […]sehen, daß du ohne Rükhalt mit ihr sprechen kannst. Sie schrieb mir von [der] kleinen Mißhelligkeit zwischen Euch, die du [mir] erzählen würdest, was war das?, [etwa]s von Bedeutung, oder | gehörte es u[nt]er die […]chen kleinen Mißverständniße [und] Zänkereyen? ich werde diesen Brief d[…] […] sie schikken, weil mich die Adreße [d]eines lezten irre gemacht hat. Wer hat […] […]ten? du nicht. und wie [k]ams daß du es nicht thatst? die […] Einrichtung hier, macht mich so ärgerlich. der Bote der diese […] Carl[?] trägt bringt […]m erst die angekommne mit, so daß […] [kei]nen Posttag verfehlt [wo] man bey einer andern Einrichtung die […]f […] noch denselben Ta[g be]antworten könnte. Mit Sehnsucht […] […]rtung sehe ich dem […]den Tage entgegen. Wir[d] er mir Ru[he] und H[…] bringen? oder den [Schm]erz verdoppeln der auf mir ruht? […] das unzusammenhängende meiner Gedanken, aber es ist mir unmöglich […] [Ge]danken ruhig zu ordnen. Es wogt so in mir auf und ab, [und] […] [gl]aube eine Idee festhal[te]n zu können, so entschlüpft sie mir schon wie[der] […] [ehe] sie noch vollendet gedacht. Ich hatte mir vorgenommen die […]ilderung unsrer Gese[llsch]aft zu machen, auch deinen Brief Pu[nk]t für Pu[n]kt zu [bea]ntworten; – Es ge[ht a]ber nicht. vielleicht Morgen, oder Ueberm[o]rgen. die Stunde ruft [ins] Bad. adjeu. vor Schlafengehn sprechen [wir] uns noc[h]. Noch einen Kuß an [di]e lieben Lippen, meines Mukkerls. es ist mir […]nst, wo ich auch keinen für d[en] lezten ansehen wollte. um 10 Uhr. Auch das 2t Bad w[äre] […] [übe]rstanden; und nachdem ich [ei]n paar Worte an Dr: Jung und […] habe, muß ich noch vorm Schlafen gehn mit Mukkerl plau[dern] […] gute Nacht sagen so[ns]t kann ich nicht ruhig schlafen. S[…] […] ge, wie gerne hörte[…] […] jezt der Mutter Mahnung von […] und ¾ […] 11 Uhr – Ach! hier mah[nt] mich nichts; und doch wieder al[le]s an d[ie] verfloßenen lieben Zeiten. Ueberall fehlst du mir. zu jeder Stunde wo ich gewohnt war dich zu sehen, ist eine seltsame Bewegung in mir. Jede der kleinsten Bemerkungen die ich mache denke ich oft, [m]ich selbst vergeßend, dir gleich zu sagen, und wenn ich mich denn schon beyn[ah] unwillkührlich erhebe um zu dir zu eilen, so sinkt doppelt schwer [das] Gefühl der Entfernung au[f] mich. Besonders Abends gehe ich in Gedan[ke]n alle Opern durch die sein [k]önnten, und in jeder denke ich wie es dir […]der zu Muthe sein wird. Und du kannst glauben daß die Entfernung […] sein könnte mein Gefühl zu schwächen? Für mich giebt es keine [Zer]streuung. Alles was andere Menschen so nennen scheucht mich nur m[ehr] in mich selbst zurük. Es ist mir [r]echt wohl [ge]worden für dich, daß H: v: L: Besuch gut ablief, und du auch von dieser S[eite] ruhig sein kannst. Mit unzähligen Küßen b[edek]te ich [jeden] Plaz wo deine […] Lippen geruht haben. Es war mir als mü[…] sie […]ufsehen, sie mir entgegen fühlen. Meine Hände ber[ühren] das Klavier im ProbZimmer. [du] irrst wenn [du] glaubst daß sie von [dir] weg sind; alles ist immer n[ur] bey dir. Du irrst […] dich mit der Rolle in dem Gelegenheits […]g. Sie war immer [für dich] vom Componisten bestimmt. in der Zerstreuung der lezten [Z]eit hatte [ich] sie gar nicht geanauer an[ge]sehen. Klement hätte ja da leicht […] können. ich hoffe daß es nun überstanden ist. Es mag freylich […]z curios vorkommen so thätig sein zu müßen, je nun, Er und die and[ern] werden sich schon drein finden. vermißen wirst | nur du mich. Vielleicht sagen es die andern dir zu Gefallen auch einmal. Nun gute Nacht meine theure Seele, schlafe ruhig und zufrieden. Morgen früh sage ich dir noch einen freundlichen Morgengruß und dann geht der Brief zu dir. der Glükliche! ein paar Stunden später erhalte ich [einen] von dir – Werde ich ihn froh durchlesen? Ach Ja! Meine Lina ist gut, Sie wird nicht immer böse auf mich sein, der bey Gott so sehr alles zu vermeiden sucht was ihr nur im geringsten unangenehm sein könnte. Nicht wahr du bist meine, gute liebe Lina? Gute gute Nacht Mukkerl! Hörst du! ich rufe es noch einmal an der Ekke, Gute Nacht! d: 19t [Juli] Guten Morgen! wie hast du geschlafen? haben freundliche Träume dich umgaukelt? Es ist häßliches böses Wett[er,] wehe der Badekur wenn es so anhält. Da habe ich so überlesen was ich in den 3 ½ Tag geschrieben habe. Wie seltsam fremd mir das auf dem Papiere vorkömt, zusammengehalten mit der Wärme in meinem Innern. aus wie viel trüben Minuten und Stunden bestanden diese Tage, und in wie wenig Augenblikken ist das Resultat davon überlesen. Es ist doch ein elend Surrogat für wahres heißes Gefühl das Geschreibsel; wie weit bleibt selbst die höchste Kraft der Sprache hinter ihm zurük. Nur das Leben das der Lesende hineinfühlt bringt es wieder dem Leben des Schreibenden nahe, und das ist so, nicht wahr Lina? Wenn ich deinen Brief lese so stehst du so ganz vor mir, so sehe ich so deutlich jeden Zug in deinem Gesicht, jede Bewegung die dazu paßt, kann so vollkommen die Zwischenräume des Tages ausfüllen, daß ich nicht einen Brief daß ich dich selbst durch alle die Tage vor mir habe. Nur wenn ich geschwi[n]d fragen möchte, warum das so? oder warum diese Minen; – so sprich doch, sey aufrichtig, pp dann fühlt sich erst der Wahn, die Täuschung die doch so lieblich ist. In ein paar Stunden habe ich Briefe von dir. Wie langsam die Zeit schleicht. Grüße deine Mutter, Vater und Bruder bestens von mir. diesen Brief siegle ich mit Oblate. mit blauer. Lebe wohl mein geliebtes Herz, und bleibe treu deinem Carl der mit der innigsten Liebe nur dich denkt. Ich drükke dich in Gedanken fest an meine Brust. addio mein Mukkerl