No: 16.
Berlin d: 30t August 1814.
Mein gutes theures Mukkerl!
Heute ist schon der 2t Posttag daß ich nichts von dir mein liebes Leben höre.
Woran gewiß nichts Schuld ist, als daß du deine Briefe schon nach Weimar oder Leipzig geschikt haben wirst. ich weiß
das wohl, und glaube doch der Briefträger müßte mir etwas von
dir bringen wenn er ins Zimmer tritt. So eben brachte er mir einen Brief von meinem
lieben Gänsbacher, und ich empfing ihn gar nicht mit der gehörigen Freude, weil er nicht
von dir kam. Nun meine HauptGeschäfte beendigt sind habe ich keine Ruhe und keine Rast
mehr hier, und die paar Tage, in denen ich noch so viel zu laufen und zu rennen habe um
nur die nothwendigsten AbschiedsVisiten zu machen sind mir sehr
lästig. Auch werde ich so mit Einladungen und Ehrenbezeugungen bestürmt daß es mir ganz wohl ums Herz sein wird, wieder allein und mir
selbst überlaßen in meinem Wagen zu sizzen. Mein ConcertAm 26. August 1814. und
deßen glüklicher Erfolg hat vielen Personen sehr großen Verdruß verursacht, und die
kleinlichen Geschichten und Manövres dabey machen mir Spaß und geben Lichtenstein und
mir viel Stoff zum lachen. In der heutigen Zeitung soll ein Gedicht, und Rezens: auf
mich stehen. sobald ich es habhaft werden kann schikke ich es Dir.
Liebich scheint auch einzusehen daß es beßer
geht wenn ich da bin. Hier haben auch viele bedeutende Menschen denselben Glauben. und
meinem dikken NamensVetter sizt der Angstschweiß schon fingerdikk an der Stirne wenn er
mich nur ansieht.
Da du einigen Antheil an den Briefen des
Kainz an mich zu nehmen scheinst so lege ich dir hier abermals einen bey. den ich mir
übrigens aufzuheben bitte.
d: 27t wo ich die No:
15t schrieb. War Abends Musik beym Instrumentenmacher Kysting,
wo ich mein Quartett spielte, und eine große Freude darüber
hatte, weil es so ganz vortrefflich accomp:accompagniert wurde. Aber
auch so große Künstler wie Möser, Semler, und Töpfer, die können so etwas leisten. d: 28t
speiste ich Mittags in Pankow bey JordansVermutlich Pierre Antoine und Pauline Jordan, infrage kommen aber auch Pierre Jean und Wilhelmine Friedel-Jordan oder Johann Ludwig und Henriette Jordan., und Abends war große Gesellschaft bey Welper in der Stadt. RombergFraglich, ob Bernhard Romberg oder sein Cousin Andreas. spielte und ich accomp: ihn. dann spielte ich allein, und schoß für
diesen Abend den Vogel ab, denn die Leute wollten ganz toll vor Freude werden. Gestern
d: 29t Mittags war ich bey Beers, und Abends auf der Accademie, und darauf bey Frau v. KleistMöglicherweise identisch mit Marie von Kleist zum Soupér, wo ich abermals spielen mußte. Du siehst die Leute erhalten mich hier gut in der Uebung, und das ist mir auch
recht gesund, und that Noth, denn ich war sehr zurük gekommen in meinem Spiel. Die
Vormittage vergehen mit Besuche annehmen, Geschäfts Gängen, Noten corrigiren
pp so schnell, daß ich gar nicht zu mir selbst kommen kann.
Heute war ich in der Probe einer neuen Oper,
Die Fischer bey Colberg recht schöne Musik. aber ganz Locales
Sujet. ich bin begierig wie sie gefällt. Meine Abreise steht vor
der Hand noch auf d: 3t festgesezt. ist aber Silvana d: 5t so
muß ich wohl die 2 Tage zugeben, und reise Abends nach der Vorstellung ab. In Weimar muß ich beynahe auch befürchten die Großfürstin nicht zu
treffen, da sie in der Hälfte Sept: nach Wien reißt, und vielleicht einige Tage vorher nicht mehr in der ruhigen
Stimmung ist, Musik zu machen, oder anzuhören. Wie der Himmel will, es wäre mir zwar
sehr unangenehm, aber die Haare würde ich mir auch deßhalb nicht ausreißen, da ich dann
desto schneller wieder weg käme. Am meisten fürchte ich in Gotha
festgehalten zu werden, da der Herzog schon so lange darauf wartet, und sichs gerne so
recht behaglich sein läßt mit mir. Wie denn nichts in der Welt ist, das die Fama nicht herumschleppte, so habe ich denn hier auch schon
vielerley angenehme Sticheleyen wegen dir hören müssen. So gerade zu mich damit zu
nekken, dazu haben die Leute in der Regel zu viel Respekt, aber so verblümt thun sie es recht ordentlich, und da sie sehen daß ich mein
Wohlbehagen daran nicht verbergen kann und will, so treiben sie es immer weiter. Z: B:
der Dichter Gubiz brachte neulich meine Gesundheit aus, und zwar
mit dem Beysazze, daß wenn sie recht wirksam sein sollte, so müßte auf
Brandt getrunken werden,
die Meisten verstanden das freylich nicht, aber ich stiß recht von Herzen aus voller
Seele mit an und trank auf deine Gesundheit mein Glas recht rein aus. Es müßen Dir doch
oft die Ohren klingen, denn Lichtenstein ist so gut recht oft von Dir anzufangen zu
sprechen, da ich nicht immer die Courage habe, die Leute mit
meinen Angelegenheiten zu incomodiren.
Dieß ist mein vorlezter Brief von hier aus
denn wenn ich auch d: 3t wegreise so muß ich dir doch noch ein paar Worte sagen, damit
Mukkerl nicht Angst um mich hat, wenn ein Posttag ohne Brief erschiene. Mit meiner
Gesundheit geht's recht gut, im Concert habe ich mir zwar
Schnupfen und Husten geholt, das hat aber nichts zu sagen, ich bin doch im Ganzen recht
wohl. Grüße die gute Bach, Grünbaums, Allram ppp alle aufs
beste, und denke so oft und mit eben der Liebe an mich, als
Dein treuer Carl es thut, der Dich 10 000 000 000 000 000mal mit
der innigsten treusten Liebe küßt, und unveränderlich dein
Carl ist.