## Title: Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag. Augsburg, Montag, 7. August und Dienstag, 8. August 1815 (Nr. 14) ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040804 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ No: 14. Augsburg, d: 7t August 1815. Abends 7 Uhr. Mein theures geliebtes Leben! Heute ist der 9t Tag daß ich keine Nachricht von deinem Leben und Befinden habe. — ich bin wohl kindisch mich darüber zu ängstigen, denn wie leicht wird man einen Posttag abgehalten, oder ein Brief bleibt liegen, und — wie schnell wird jene Zeit heranrükken, wo keine freundliche Zeile deiner Hand mehr lichte Punkte in mein trübes Leben flechten wird. — Ja ja, es wird mir recht schwer mich an diesen Gedanken gewöhnen zu müßen, und so lange ich noch diese Gegenwart, die doch nur ein Schatten der glüklichen Vergangenheit ist – festhalten kann, thue ich es mit voller Kraft meiner Seele. Heute sind es 2 Monate daß ich Prag und allem LehensGlük Lebewohl sagte. Eine Ewigkeit dünkt mich diese Zeit. Heute über einen Monat bin ich wieder in Prags Mauern und bin dann ganz allein — Hier umgiebt mich doch noch ein Zirkel von Menschen die mich lieben, alles mögliche anwenden mich zu erheitern, und die herzlichen Antheil an mir nehmen. Dort sehe ich in jedem einen Störer meines Glüks, weiß von jedem daß er sich eine Freude daraus machte uns zu trennen. — Wahrhaftig man muß ein recht guter Mensch sein, um nicht alle Menschen zu haßen oder wenigstens zu verachten. Man klagt sehr über meinen finstern Ernst. — lieber Gott wenn die Leute wüßten wie verdienstlich noch diese Art von Erträglichkeit von mir ist. ich begreiffe wahrhaftig nicht, daß man sich noch so an mich drängen mag, da jede Berührung mit mir, eigentlich eine Verwundung für den andern sein muß. lch arbeite viel, aber mit Anstrengung. doch ist mir noch am wohlsten in meinen TonGebilden. Jener keke, himmelanstrebende Sturm und Jubel mag wohl dahin sein, aber tieffühlende Gemüther werden mich vielleicht doch verstehen, und lieben vielleicht da sie mich nicht kennen, sondern ihr Ideal mir unterschieben können. Mein Concert hat wirklich große Sensation gemacht. zu anderen Zeiten hätte mich das für Monate neu ermuthigt, jezt konnte es mir blos eine gewöhnliche Zufriedenheit ablokken. d: 4t wo ich meinen Brief No 13 an dich abschikte. verbrachte ich mit Reise Anstalten, und der Oper die Vestalin, die Mad: Sessi gab. wir entschloßen uns kurz noch, um Zeit zu gewinnen die Nacht durch zu reisen. und fuhren also um 12 Uhr Nachts ab, und kamen d: 5t Morgens 7 Uhr schon hier an. hier empfing uns der Onkel Bärmanns, Buchhändler Braun, ein herrlicher fröhlicher alter Mann, aufs herzlichste. und es ist ordentlich komisch rührend mit welcher Sorgfalt wir bedient worden. Der ganze Tag verging mit Visiten. viel hat sich auch hier verändert, und nicht zum erfreulichen. manches ist todt, und was noch lebt ist geistig abgestorben. der Eifer und die Huldigungen der hiesigen Kunstfreunde ist groß, denn alles ist schon arangirt. sehr ermüdet, giengen wir bald zu Bette. d: 6t verging mit Besuchen empfangen und geben und einer Landparthie, wo ich mich unbeschreiblich ennuyirte, troz der gut gewählten Gesellschaft. ich tauge nicht mehr dazu. | Abends mußte ich spielen. und dann gings zu Tische bis 12 Uhr. Der heutige Tag glich dem Gestrigen mit Ausnahme der Concert Probe, die heute um 10 Uhr war, und die recht gut, über meine Erwartung ausfiel, da das Orchester gröstentheils aus Dillettanten besteht. Mittags aß ich bei meinem alten Freunde Munding, und jezt habe ich eben ein 4tel Stündchen gerettet, um mit meiner geliebten theuren Lina zu plaudern. und dann wieder dem Gesellschafts Joche mich zu unterwerfen. auch dieße Ruhe gönnte man mir nicht, und holt mich eben ab. gute gute Nacht. ich habe in München gesagt daß man mir die Briefe nachschikt, aber es ist nichts gekommen. — — gute Nacht, gute gute. dein ewig treuer Carl. #lb#d: 8t Morgens.Noch einen herzlichen Zuruf meiner geliebten Lina, ehe diese Zeilen auf die Post kommen. ich bin recht traurig und besorgt. früh um 8 Uhr waren wir schon in der Kirche um eine Musik zu hören. ich bat recht innig Gott um dein Wohl, und eilte nach Hause zu kommen, weil ich beinah mit Gewißheit hoffte einen Brief von dir zu finden. Die Harlas hatte an Bärm: geschrieben. so lieb und gut, aber daß auch Gestern noch kein Brief von dir in München ankam, macht mich sehr besorgt. nur Gesund sei, geliebtes Leben, alles übrige muß ich ja tragen. ich bitte dich mich aus dieser Qual zu reißen. Morgen bin ich wieder in München. ich bin so zerstreut und verwirrt. wenn du wüstest wie mich dieses Stillschweigen ängstiget. — Doch ich will das Beste hoffen, wie leicht bleibt ein Brief liegen. Lebe wohl, theure geliebte Lina, ich küße dich Millionenmal. gedenke Deines ewig treuen Carl.