## Title: Carl Maria von Weber an Thaddäus Susan in Ried im Innkreis. Dresden, Sonntag, 2. März 1817 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A041074 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Dresden, den 2. März 1817 Mein guter theurer Bruder! Abermals hättest du Ursache mit mir zu grollen ob meines langen Stillschweigens nach Außen; nach Innen spricht es immer von dir und den Deinigen. Es ist eine der Lasten meines Berufes, daß ich selten, ja beynah nie mit einem Freunde in ununterbrochener Berührung bleiben kann. Je mehr Fäden das Weltleben an Einen knüpft, je mehr man wirkt und arbeitet, desto weniger gehört man sich selbst an, desto mehr fühlt man sich als eine Art Opfer auf dem großen Altare der Kunst, wo es dann das Schönste ist, im Nützlichseyn unterzugehen, und für sich nur selten ein Erhohlungsblümchen am Wege zu pflücken. Doch darf ich nicht unbillig seyn; erhebend ist der Gedanke und das Gefühl, wirken zu können, und durch rastloses Streben dem Guten Bahn zu schaffen. Deinen und deiner lieben geistvollen Gattinn Briefe nach München erhielt ich da im August 1815. Du kannst nicht glauben, wie theuer mir dieser Abdruck deines Lebens, Handelns und Denkens ist. Ich habe ihn oft durchgelesen, und nur immer wieder das Unvermögen gefühlt, dir auch eben so antworten zu können. Mein Leben ist zu sehr von tausend sich durchkreuzenden Quellen durchschnitten, als daß andere als mündliche Mittheilung hinreichen sollte. Ja und könnte ich es auch durch ein Buch beynah zu Stande bringen, so fehlte mir der Willen und die Lust dazu. So vieles seh ich als überstanden, abgeschüttelt, überduldet an, und lasse es gern in einer Art von Dunkel schlummern, immer nur vorwärts schauend auf das was zu thun übrig ist, und dessen ist zu viel! – Du erhältst deinen regen Sinn für die Kunst lebend unter den ungünstigsten Hülfsmitteln von Außen. Ich würde das übermenschlich finden, wenn ich nicht in deiner Lebensgefährtinn den Engel sähe, der dich aufrecht erhält. So finde ich es begreiflich, alles zu tragen, und froh sich schönen Träumen hinzugeben, im Gefühl der verstandenen Mittheilung. Ich war damals (1815) sehr trübe in jeder Hinsicht. Ging von München nach Augsburg, gab da mit Bärmann Concert, war mit Arbeit überhäuft, und mußte den 5. September wieder nach Prag ins Joch zurück. Hier schrieb ich meine große Cantate, deren Text und meine Ansicht ich dir hier beylege. Den 22. December führte ich sie zum ersten Male auf, mit Erfolg. – Immer fester wurde mein Entschluß Prag zu verlassen, und verdoppeln mußte ich daher meine Arbeiten in jeder Hinsicht. Ich wollte meine Schöpfung auch in einem Zustande zurücklassen, der meiner würdig wäre, und der meinem Nachfolger es federleicht machen sollte, den Faden aufzunehmen und eben so fortzuwirken, wie ich es gegründet hatte. Ich verfaßte zu diesem Zweck mehrere Geschäftsbücher, die alles klar darstellten und entwickelten. Im Juny 1816 ging ich nach Berlin und führte am Jahrestage der Schlacht eine Cantate auf, wiederholte sie den 23., von da ging ich nach Carlsbad, endlich Ende September legte ich meine Direction nieder, und wollte eine große Kunstreise beginnen, ging zuerst nach Berlin, wo ich wie ein Einsiedler drey Monate abgeschlossen lebte, um eine Unzahl angefangener Compositionen zu vollenden. Hier erhielt ich den 14. October deinen liebevollen Brief vom 26. September, aber auch er mußte nebst unzähligen andern unbeantwortet liegen bleiben, weil mich das unbedingt Nothwendige drängte. Eben im Begriffe von Berlin weiter nach Hamburg, Kopenhagen ec. zu reisen, erhielt ich aufs schmeichelhafteste den Ruf hierher, den ich annahm, weil ich einen reichen Wirkungskreis voraussah, da mit mir ein ganz neuer Kunstzweig, die deutsche Oper, für Dresden aufgeht, das vorher nur italienische kannte. Die Organisation eines solchen Werkes aber fordert Fleiß, Ausdauer und Zeit. Seit dem 13. Jänner 1817 bin ich hier, und schon sind einige Opern in Scene gegangen, und Gott wird weiter helfen. So weit mein Leben in den schärfsten Umrissen, aus denen du aber wohl sehen kannst, welches Treiben und Wogen darin vorhanden, und wie ich nie zu eigentlicher Ruhe gelangen werde. Das soll auch nicht seyn, sonst wäre ich nicht zum Künstler geboren, und würde schlecht meinen Beruf erfüllen, wollte ich es anders. Mein Gemüth ist jetzt auch weit ruhiger und heiterer als vor zwey Jahren. Ich sehe der frohen Hoffnung entgegen, künftigen Herbst mich mit einem lieben Mädchen zu verbinden, die alle Talente in sich vereinigt, die mein Leben erheitern und beglücken können. Gott gebe seinen Segen dazu, denn ohne den ist alles eitel. Es ist immer ein großes Wagniß, und Heil dem Glücklichen, der schon das große Loos wie du gezogen hat. Die lieblichen Geistesblüthen deiner Gattinn erfreuen mich sehr, und ich vermag es zu fühlen, wie diese schöne Gabe euer Leben erhöhen und verschönern muß. Sage ihr meinen herzlichen Dank auch für ihre freundlichen Worte an mich, die ich abgesondert beantworten würde, wenn nicht alle meine Worte für euch beyde wären, und ich dem einen nichts ohne den andern geben kann. Hätte ich nur recht viel zu geben, und ließen mir die 1000 zeitfressenden Plackereyen des Geschäftsganges Muße, Euch öfters Beweise meiner Liebe zu geben. So aber ist alles Menschliche ein Stückwerk, der fühlende Geist ists allein, der ergänzt, begreift und ausmalt. Gott segne euch und eure Kinder. Zu den schönsten Augenblicken meines Lebens würde ich es rechnen, euch einmal überraschen zu können, und wer weiß, ob der Zufall es nicht einmal herbey führt. Lasse mich bald wieder hören wie er dir geht, ob deine lieben Kinder zu deiner Freude heranwachsen und sich entwickeln, und ob du mit Liebe gedenkest deines dich unveränderlich treu liebenden Bruder Weber m. p kön. sächs. Capellmeister und Di rector der kön. deutschen Oper.