No: 51. Dresden d: 25t May 1817.
Meine theure geliebte Lina!
Es ist heute Sonntag, schönes Wetter, und die Menschen wirbeln so froh und
heiter durcheinander daß es eine Lust sein könnte. Mich macht das ganz wehmüthig, und
vielleicht geht es meiner guten Mukin eben so. Wir sind beide so allein, und haben
Niemand mit dem wir uns freuen können. Bist du wieder auf gutem Fuß mit
Drs: so hast du es beßer, denn die werden gerne von mir mit dir
sprechen, ich bin aber gar ein armer Hund, denn Liebchen das ist ja so ferne, das muß
ich stets laßen alleinWeber zitiert die Zeilen 3 und 4 aus der ersten Strophe des Volkslieds Das Liebchen in der Ferne Ich wäre wohl fröhlich so gerne
; vgl. J. J. Algier (d. i. Johann Jakob Gailer), Universal-Liederbuch. Weltlicher Liederschatz für Deutschlands Gesangfreunde, Reutlingen 1841, S. 440.. – die dummen 20 Meilen Zwischenraum, wenn ich ein
Vöglein wär, flög ich zu dir. Das viele und angestrengte Einstudiren hintereinander
hatte mich doch sehr angegriffen, was ich jezt erst fühlte da Grünb: weg waren. denke
nur selbst d: 22t Aprill zum 1t mal Helene. d: 24
repetirt. d: 3t May zum 1t male Joh: v: Paris. d: 8.
rep: d: 11t
zum 1t male das Lotterieloos. d: 15t
rep:
d: 18t schon, Blaubart. d: 20t
rep: also in nicht gar 4 Wochen 4.
Opern total neu einstudirt. du kennst meine Weise, wie ich mich um alles bekümmere,
nun, es gieng auch darnach daß es eine herrliche Belohnung war. aber item es griff an.
Nun wollte ich die paar Tage Proben Ruhe recht zu andern Arbeiten nuzzen; ja! empfehl
mich ihnen! ich war zu erschöpft und hatte zu nichts Lust als zum schlafen. Zudem wurde
ich mit Fremden Besuchen überlaufen, denn jeder der herkömt will mich einmal besehen, so
daß ich Dritthalb Tage außer bestimten Geschäfts Sachen
rein verduselt habe. Du weist daß das mein unbehaglichster Zustand ist, denn ich bin nie
vergnügter als wenn ich recht eifrig arbeiten kann. Ja, wäre
Muks da!! das wäre ein ander Ding, da würden solche
Feyertage wahre Festtage,
da würde spazieren gegangen, gegutt, und sich wahrhaft erholt und lustig und heiter
gelebt. aber so allein – – – – nein, mag nit. Da
kriegt mich kein Teufel aus dem Neste. höchstens besinn ich mich auf alle rükständigen
Visiten, und schlachte die ab, mit großer Anstrengung und Ueberwindung, kehre aber auch oft
unterwegs wieder um und geh hamerl. Muß dir also doch ungefähr sagen was ich gemacht
habe seit meine No: 50 abgeschikt habe. da kam der Graf
Vizth: zu mir /: d: 23t :/ und wir sprachen
die Kreuz und die Quer. dann freßt ich im Engel. dann besucht ich den
kranken Baßi, den alten
Sekonda, und den kranken Collegen
Morlachi. lezter sizt schön in der Tinte. den Mund voller Geschwüre, die
Drüsen angelaufen pp er behauptet an einer giftigen Blume gerochen
zu haben. o! es giebt der Blumen mancherlei. – nun, mich gehts nichts an. Dann
erhielt ich einen Brief von Wohlbrük mit dem Rest seiner SchuldZweite Rate zur Schuldenverrechnung vom 22. April 1817; vgl. Tagebuch., und das war
gut. Abends war Gelehrten Thee bei der
Fräulein aus dem Winkel. wo vieles recht intereßante
vorkam. besonders ein Bericht des Hofr: Böttiger über das Merkwürdigste Litterarische
was in dieser Meße in Leipzig erschienen. d: 24t also gestern, Schrieb
ich meinen Tabellarischen Opern Plan, ab, und schikte ihn
dem Grafen. gieng dann zu Kind, und sah nach wie weit die
Jägersbraut im neuen
Kleide vorgerükt wäre. Mittag im Engel. dann meinem Bedienten einen
schönen Hut gekauft. und zum Grafen Vizthum gegangen
und über den Opern Plan gesprochen. dann viele Laufereyen und Anstalten für die Oper die
d: 1t
Juni auf dem Baade gegeben werden soll. Schmidl kam von Pillnitz
herein. und von Berlin bekam ich einen recht fatalen Brief wegen denen für Graf
Pachta bestellten Treßen. die Leute halten sich an mich, ich
muß sie bezahlen, sind sie verlohren, so bekomme ich wahrscheinlich vom Herrn Grafen
auch nichtsLaut Tagebuch erhielt Weber am 6. Juni 1817 einen Wechsel für die Tressen.. Schreiberey, Porto, Verdruß und Zeit und Geld Verlust ist mein Lohn.
– Abends war ich mit Schmidl bey Baßi.
Heute früh, führte der Satan
eine Visite nach der andern zu mir. Mittag kam Baßi wieder das erstemal im Engel zum
eßen, nach Tisch gieng ich ein bißel mit ihm auf die Brühlsche Teraße, und Er dann wie
ich, nach Hause. Heute hat mein Franz, mit dem ich
recht sehr wohl zufrieden bin, zum erstenmal seine
neue Livreè angehabt. sie ist so einfach und elegant, daß
ihm die Leute nachsehen. Er ist ein recht netter Bursche der was auf sich hält, und das
macht mir Spaz. Nur wollte ich du hättest ihn auch gesehen, würde dir auch Freude
gemacht haben. Nun, das wird auch so lange nicht mehr dauern, und er wird sich dir
zuerst als dein Sklave präsentiren wenn du in dein neues Reich einziehst. Ach, wäre es
doch schon so weit. ich habe eine recht unnennbare Sehnsucht nach meiner
Lina. Wenn nur der Herbst noch schön ist daß ich dir die herrliche
Gegend um Dresden zeigen kann. und künftigen Sommer werden wir zusammen zu Fuß die
Sächsische Schweinz durchreisen. gelte? ich freu miß.
Nun muß ich aber auch dir bekennen lieber Muks daß ich heute in aller Früh ein
bischen boshaft war, und ein
Epigram gemacht habe. ja,
ich konnte es nicht laßen, es stak mir zu sehr zwischen den Rippen. Ich glaube ich habe
dir schon oft von dem Fräulein Winkel gesprochen die ohne
alle Kenntniße in dem lächerlichsten, geschraubten
und gezierten Style immer über die ital: Opern schreibt, und darunter immer sich
unterzeichnet mit C.
immer kommen die Ausdrüke,
wonniglich,
sinnig, südlich
hell
pp vor. Nun hat sie seit einiger Zeit gemerkt, daß sich die Leute
darüber mokieren, und nun hat sie sich in einem Aufsaz in der
AbendZeitung, den ich heute Morgen las,
Th: unterschrieben. aber ihre
Manier war unverkennbar. ich schrieb also Es fiel mir
also folgendes Epigramm ein.
Ob du auch sinnig als Th
Mummst dich in neue KantuscheKartusche,
Nimmer kannst du dich verläugnen
Südlichhelltönendes C.
Schwimme denn muthiger Buchstab
Schwim auf der
Näße
Fläche
des Glutstroms,
Flach
Leer bist du,
inhaltsleer,
leicht genug,
– winklicht,
Kannst nur die Dinte nicht halten.
Du siehst die Dichterwuth ist anstekend.
bei der Gelegenheit fällt mir ein daß auf die Grünb: auch GedichteDas erste Gedicht aus der Abend-Zeitung (Jg. 1, Nr. 111 vom 9. Mai 1817)
hatte Weber bereits seinem Brief vom 11./12. Mai beigelegt.
Außerdem erschien in derselben Zeitung (Jg. 1, Nr. 116 vom 15. Mai 1817)
eine von Theodor Hell gedichtete Charade auf die Sängerin. gemacht worden sind,
die ich aber zu faul bin abzuschreiben, und du wohl bei ihrer Zurükkunft bei ihr lesen
wirst.
Ich freue mich auf Morgen, da komt ein Brief von Lina, und hoffentlich ein
guter, das heißt ein
froher, denn gut,
gut gut, war der lezte auch. Nun will ich noch andere
Briefe krazen, also adje für heute. Gute gute Nacht. –
vom Ett. – gut Nacht. + + + Millionen Bußen – dein dich innigst
liebender
Carl.
d: 26t Meiner Seel das
ist ein guter Kerl, der EginhardAnspielung auf die Figur Eginhard aus der mittelalterlichen Sage Eginhard und Emma
; vgl. auch den Roman von Friedrich von Fouqué nehmlich der No:
55, der hat wieder einmal ein ordentlich Gesicht. Nun ists gut, und
ich bin wieder recht froh und zufrieden da du es bist. Gott bestätige, daß du mit
Drs: ganz wieder auf dem alten Fuße stehst, mache dir nur auch
nichts selbst weis über diesen Punkt, oder sage es etwa nur um mich zu beruhigen. doch
ich werde es deinen Briefen schon ansehen ob es wahr ist, so recht aus
dem Grunde nehmlich. Auf diese Art genießest du ja den Garten auch,
und bist nicht genirt wenn du zu spielen hast. Es ist recht fatal daß sie nichts
nehmen, aber wir würden es auch nicht anderst machen. der guten Kleinwächter erwidere
bestens ihre Grüße, und bezeige ihr mein herzliches Beileid über ihr Kranksein. Ich
hoffe daß mein Brief den du Gestern erhalten haben must dich auch ganz dem Frohsinn
wiedergegeben hat. Ja ja, mach Err nur keine dummen
Streiche mehr. sonst gehe ich nach Amerika. Aber du verdammter Schneefuß, siehst du wie
du bist? da hast du mir schon wieder verschwiegen gehabt, daß du krank warst, und
gelb geworden bist. Gottlob daß es wieder vorbei ist,
du garstiger Hamster. – Schikk mir aber doch das Tränkchen möchte auch alle
Galle los sein, zuweilen kom ich mir auch etwas gelblich vor. Nun gebußt hätt ich dich
doch, hab dich doch lieb!!! – . Hab recht
gelacht wie ich mir ganz Wien das Zeug trinkend gedacht habe. Deine Theater Neuigkeiten
amüsiren mich sehr. es geht schön zu. – – Ist es denn ganz bestimmt
daß die kleine Krikeberg nach Prag kömt?Laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 343f.) gastierten Friederike Krickeberg d. j. mit Mutter und Schwester zwischen 10. und 27. Juni 1817 am Prager Ständetheater, ohne dass nachfolgend ein Engagement zustande kam. Nu meinetwegen, wenns der Kammerjungfer Recht
ist – ein hübsches Mädchen, aber damit Puntum,
aus. übrigens unter uns gesagt ein
ganz gelinder Oz,
Ochs, wollt ich sagen, denn
Oz ist was Edles. Also der Herr Bruder ist in Frankfurt?Louis Brandts Gastauftritte in Frankfurt vom 11. Mai bis 18. Juni 1817 führten nicht zu einem Engagement.
sobald du von ihm selbst Nachricht hast so schreib mir für die Mutter ist da leichter
Gelegenheit hin zu finden. Mad: Schirmer ist Vorgestern von Berlin
zurükgekommen, und spielt heute hier zum erstenmale im Gut Sternberg, und
auf dem BaadeVgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 7. Juni 1817.. hat in Berlin Anfangs wenig aber dann
immer mehr, und zulezt sehr gefallenZum Berliner Gastspiel der Schauspielerin vgl. den Bericht im Dramaturgischen Wochenblatt vom 7. Juni 1817.. Ganz wie ich es
voraus sagte. Er war heute früh bei mir und brachte mir Briefe von Gubitz. sie habe ich
noch nicht gesehen, da ich heute keine Zeit habe ins Theater zu gehen. Heute Morgen wie
ich in die Kirche gieng fand ich unvermuthet die Familie Ebers, oder
Ephraim aus Berlin, die Schwester der
Beer. die einige Tage hier bleiben. Von denen erfuhr ich
daß unsre gute Beer einen sehr schweren Fall gethan, nach dem sie 3 Wochen das Bett
hüten muste. Jezt geht es aber beßer. die Grünb: hatte schon da gegeßen, und sollte als
Gestern
d: 25t als Sophie
in Sargines auftreten. Nach Gned habe ich
vergeßen zu fragen. Wenn es schön Wetter ist, fahre ich mit Ihnen in den Plauenschen
Grund. Du schreibst mir aber gar nichts von der
Waldmüller und ich bombardire dich doch in allen Briefen
drum. will gern wißen woran ich bin.
Daß dich mein gutes Volk auf den Händen
trägt und fetirt, ist schon Recht. laß dich aber nur nicht von dem Weyrauch wirblicht
machen, und siehe wie die Pumpernickels pp auch eben so erhoben
werden. der H: Urban ist ein hübsches MännchenUrban gastierte laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 342f.) am 21., 27 und 31. Mai sowie am 4., 6. und 10. Juni 1817 am Prager Ständetheater., und hat auch
wirklich Talent, nur Schade daß er ein grundverdorbener Mensch ist, der einer gewißen
Schule angehört die H: Iffland und Lamotte in München zu HauptAnführern hatte und hatMöglicherweise Anspielung auf eine homoerotische Veranlagung; allerdings war Urban verheiratet..
Jezt wird bald Kind zu mir kommen, und etwas von
der Oper bringen. Gubitz hat nun auch den Alfred umgearbeitet. bald werde ich in
Opernbüchern erstikken. Mukkel bet hübsch für mich, daß mir unser Herr Gott schöne
Gedanken schikt, denn in diesen Tagen fang ich an der Jägersbraut an. Auch der Plan zu
einer italienischen Oper ist schon entworfen, und das wird wohl die erste sein die ich
hier gebe. die Gründe dafür, wenn du sie nicht von
selbst einsiehst, ein andermal. Schreib mir ob du wieder hübsch gebleicht und
weiß und weise bist,
ob ditt und fett und heiter bist, ja ich kann nur dabei
bleiben,
Ja, bist du ditt und
fett,
so nehm ich dich im
Ett! – sonst ists niz. o! ich bin ganz guter
Dinge und gräme mich gar nicht mehr. ade Pumpernikel. grüß mir die
Mutter und Drs: aufs herzlichste, auch Niemez, wenn du ihn siehst.
wie steht es denn mit meinem Schrank? und dem Teuferl!
Teufelsstreiche machen ist keine Kunst, aber’s Spadifankerl
selbst, das ist schwer. gelte?
Nun ade ade
ade. Gott segne dich 1000 mal. + + + sey heiter und bleibe treu deinem
dich über alles liebenden Carl.
Millionen Bußen.