d: 9t Aprill
1818. Dresden.
Wohlgebohrner Herr!
Meines Wißens hatte ich persönlich Ihnen nichts zu verzeihenWegen Sieberts vertragsbrüchigem Abgang vom Prager Ständetheater (er war von einer Gastspielreise im Frühjahr/Sommer 1816 nicht ins Engagement zurückgekehrt)., und wenn es
wäre, würde ich es längst
vergeßen
gethan
haben. Wenn Sie aber
mich verkannt zu haben bekennen, so lag und liegt dieß in Ihrem hypochondrischen
schwarzsehenden und argwöhnischen Gemüthe vermöge deßen Sie in Jedem Menschen Ihren
Feind und Neider sehen, und am allerwenigsten denen trauen die Ihnen dieß offen genug zu
sagen die Wahrheitsliebe haben. Wie sehr Sie dadurch sich und Ihren Umgebungen das Leben
verbittern und kaum erträglich finden laßen, muß Sie nun wohl bald die Erfahrung gelehrt
haben, und ich wünsche aus vollem Herzen zu Ihrem und der Sie Umgebenden Wohle, daß Sie
endlich heiter und ohne mißtrauischen Sinn ins Leben sehen mögen. Deuten Sie diese
schriftliche Widerholung deß Ihnen so oft mündlich gesagten freundlich, herbeygeführt
durch Ihre Äußerung und von der besten Willens Meinung
eingegeben.
Was Ihren Wunsch Gastrollen hier zu geben
betrifft, so habe ich selbigen unserm verehrten Cheff
vorgetragen; Es ist und bedaure daß wir ihn nicht erfüllen
können. Erstlich istzu gleichem Zwekk und darauf folgendem Engagement schon mit einem
BaßSänger abgeschloßenVermutlich Eduard Delcher gemeint, der im Mai 1818 in Dresden gastierte (allerdings ohne nachfolgendes Engagement); vgl. dazu auch Webers Brief an den Grafen Vitzthum vom 3. Dezember 1817. Carl Beral, der ab Mai 1818 kurzzeitig Aushilfsrollen in Dresden gab, kommt dagegen eher nicht in Betracht., 2tens ist es stehender Grundsaz hiesiger Bühne geworden,
außerordentliche Fälle ausgenomen – keine Gastrollen ohne unmittelbar daraus erfolgender Anstellung zu bewilligen.
3tens sind Ihre Leistungen hier schon sattsam
bekanntSiebert war 1811/12 mit der Gesellschaft von J. Seconda in Dresden aufgetreten und hatte im April 1816 nochmals dort konzertiert; vgl. u. a. AmZ, Jg. 18, Nr. 23 (5. Juni 1816), Sp. 387f. und Sie wißen es ja selbst daß Ihre schöne Stimme gewiß vollen Beyfall erhalten hat. und sollte einmal der obige Fall eintreten Sollten Sie übrigens einmal geradezu Engagement wünschen, so würde sich dann das weiter besprechen laßen.
Mit aller Achtung
Ihr
bereitwilligerohne Unterschrift