## Title: Carl Maria von Weber an Charlotte von Wiebeking in München. Hosterwitz, Mittwoch, 26. August 1818 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A041448 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Hochwohlgeborene, innigst verehrte Frau! […] Seit Jahr und Tag bin ich meinen liebsten Freunden, meinem Gänsbacher und so manchem andern Nachricht schuldig geblieben bis ich endlich jetzt mich aus dem Strudel auf eine kleine Zeitinsel gerettet habe, die mir Raum gibt auch einmal etwas zu meiner Beruhigung und Freude zu tun. Der überraschende Besuch Bärmanns gewährte mir die hohe Freude recht viel von Ihnen sprechen zu können […]. D: 12 [Januar 1817] reißte ich nach Dresden ab. Hier erwarteten mich verdruß und Geschäfte aller Art. Kabalen und Widerstreben der Italiener und ihrer Anhänger, gänzlicher Subjekt Mangel der deutschen Oper, wenig Vertrauen der Regierung zu der leztern, deren Errichtung ihr blos die Zeitumstände und der sich immer lauter dafür aussprechende Wunsch des Publikums – abgedrungen hatten. Auf diesem ewig wogenden Meere- wo ich alle Kräfte und Augenblicke der neuzugründenden Anstalt, der es an Allem, an Musik ec fehlt widmen mußte, und sehr oft auf dem Punkt stand das Ganze wieder fallen zu laßen und meinen Abschied zu nehmen, – habe ich fast bitter gelebt, gekämpft, gesorgt und gelitten. Doch die Theilnahme des Publikums zeigte sich bald laut und erfreulich, das Vertrauen des Hofes erwachte nach und nach. Mein sehr geliebter und wahrhaft verehrungswürdiger Cheff, litt und arbeitete mit mir, und um seinetwillen ertrug ich vieles, wo ich sonst früher wohl mit beyden Füßen dareingesprungen wäre. Die Zeit wo ich meine gute Lina heimführen durfte nahte im 7ber 1817 heran, als die Vermählungsfeier unserer Prinzeß Marianne mit dem Großherzog von Sachsen, meine Anwesenheit und die Composition einer großen italienischen Kantate erheischten. […]. Endlich riß ich mich los um meinem angestrengen Körper und Geist Ruhe zu gönnen, und auch meine Oper die Jägersbraut bearbeiten zu können. Ich erhielt Urlaub vom Staatsdienst auf 2 Monate, und zog d: 22. Juny hieher aufs Land. Kaum angekommen drängten mich Aufträge für Berlin, und eine Kantate zum 3: August, als dem Namenstage unsrer Königin, Prinzeßin und Königs, nach deren Vollendung ich eine große Kantate zur Jubelfeyer unseres Monarchen im 7ber schreiben mußte. […] [nach Faksimile weiter:] […] theuren Freunde sehen Sie, daß ich gewiß Ihrer gütigen Nachsicht bedarf daß es mir so wenig vergönnt ist mir selbst zu leben oder meinen Freunden, was daßelbe ist. Bärmann hat eine kurze Zeit dieß Drängen und Treiben mit angesehen, und mir versprochen Ihnen ein treues Bild davon zu entwerfen. Ich aber benuzte mit großer Freude diese wenigen Stunden, einem Hause das durch seine liebevolle Theilnahme mir so erhebende tröstende Blumen auf den dornenvollen KünstlerPfad streute, wenigstens durch diese gedrängte Uebersicht einen Beweis zu geben, wie gerne ich den Verdacht von mir wälzen möchte, als ob irgend eine Zeit oder Beschäftigung meine Verehrung und Anhänglichkeit an daßelbe mindern können. Sollte meine fleißige liebe Schülerin nicht mehr in Ihrer Nähe sein, so haben Sie wohl die Güte, Ihr diesen Brief mitzutheilen, wobey ich nicht umhin kann ganz leise die Lehrer Besorgniß einfließen zu laßen ob Sie auch ihr schönes Talent nicht über den Freuden und Sorgen des neuen Standes vernachläßigen werde? Meinen inniggeachteten Freunden, dem edlen Haus Vater, Fr. v: Köhler, dem künftigen Gatten Fr: Fannys, Freund Schellings, Schlichtegroll pp allen meine herzlichsten Grüße, und von mir die Bitte nicht ganz zu vergeßen Ihren gewiß stets unveränderlich treu ergebenen Freund C: M.vonWeber Hosterwitz nächst Pillnitz bey Dresden. d: 26t August 1818.