## Title: Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin. Dresden, Montag, 8. Februar 1819 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A041495 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ S: Wohlgebohren dem Herrn Profeßor Dr: Hinrich Lichtenstein Direktor des zoologischen Museums zu Berlin UniversitätsGebäude. Mein lieber Bruder, und liebe Frau Gevatterin! Das war eine harte Periode für mich, Ihr lieben Freunde, in der für mich alles todt war, außer meiner allernächsten Umgebung und Pflicht. d: 22t Xb 1818 gebahr mir meine gute Lina nach unsäglichen Leiden eine gesunde Tochter. War aber dann in sehr gefährlichem Zustande; versuchte es 14 Tage unter den grösten Schmerzen zu stillen, es gieng nicht. 2-3 Ammen wurden gewechselt – – stille davon, es ist vorüber. wenn ich dann so bis 11-12 Uhr bei meiner Frau Krankenbette den Schmerz in mich gesogen hatte, muste ich noch in meine Arbeitsstube, und arbeiten. d: 17t und 24t Januar endlich wurde meine neue Missa mit Erfolg aufgeführt. Seit dieser Zeit, bin ich aber so gänzlich abgespannt, daß ich zu nichts aufgelegt, mich dem gänzlichen Müßiggang hingab. da ich nun diesen sehr haße, so hilft er mir auch nicht viel. Nun aber ist Weib und Kind auf den Beinen, und ich werde wohl auch wieder drauf kommen, auf die geistigen nehmlich, denn auf den andern hat mich Gott wunderbar erhalten bei all dieser Anstrengung, Sorge und Unruhe. Eine große Freude hat mir deiner lieben Frau Brief durch die Versicherung gemacht, daß Ihr alle heiter und wohl seid. Ist denn gar keine Hoffnung Euch einmal hier zu sehen? und wie steht es mit deiner großen Reise? ich sizze ziemlich fest vor der Hand. Schenkt der Himmel mir aber den Sommer über viel gute Gedanken, vollende ich meine Oper und einiges andere gehörig, so will ich gar nicht für einen kleinen Ausflug stehen. Mit tausend Dank erkenne ich der Frau Gevatterin Versprechen unsre Kompositionen auszutauschen, aber meiner braven Hausfrau bleibt dazu keine Zeit, und ich möchte sie auch gar gerne als meine quasi Schuldnerin ansehen, wenn das nehmlich möglich wäre nach dem vielen Schuldwesen in das mich Eure Liebe und Sorgfalt von jeher versenkt hat. das will ich denn als ehrlicher | Mann schuldig bleiben, wegen des Unvermögens es zurük zu zahlen. Ich hätte dir noch so viel zu sagen, lieber Bruder, daß ich nichts mehr zu schreiben weis. ist doch ein traurig Surrogat der Gänsekiel, besonders wenn man sich lange nicht gesehen hat, und die Lebensbahnen so verschieden in die Welt hinein laufen. Was ich so ungefähr treibe und mache, erfährst du ja wohl, und das Detail läßt sich kaum erzählen, man muß es mit erleben. Ich werde suchen Anfangs May wieder auf das Land ziehen zu können, ich brauche Erholung, und da arbeitet sichs herrlich in der ganz stillen freyen Natur. Schleßinger und ich zerren an einem großen Handel wirklich wie ein paar Juden. ich habe nicht mehr Lust meine Arbeiten zu verschleudern, und er will gern mit gewinnen. ich habe viel Pläne vorräthig, gebe der Himmel mir auch glükliche Ausführung. Bärmann ist nach London gereißt und wird über Hamburg und Berlin zurükkommen. der König von Bayern hat ihm Zulage gegeben und versorgt seine Kinder. – so sind sie nicht alle – – Nun liebe Gevattersleute lebt wohl, meine Frau vereinigt ihre besten Grüße mit den meinigen auch an die ganze uns so liebe Familie, und vergeßt nicht Eure Euch herzlichst treu ergebenen Freunde Weber Dresden d: 8t Februar 1819.