## Title: Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Innsbruck. Dresden, Mittwoch, 28. März 1821 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A041733 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Mein Herzensbruder! Welche Freude hat mir dein lieber Brief vom 22t Febr: gemacht den ich d: 28t erhielt. ich würde ihn mit umgehender Post beantwortet haben, hätte ich nicht auch gewünscht die Gegenfreude dir machen zu könen. hier folgt der gedrukte Beweis, daß es meine innigste Freude ist, wenn ich der Welt etwas von dir mittheilen und sagen kann. Welchen Antheil meine Lina nimmt, brauche ich dir nicht erst zu sagen. Wir sind jezt nur sehr um dich in Sorgen, ob du nicht vielleicht auch nach Italien mußt. ich bitte dich beruhige uns baldigst darüber. Wir haben uns recht lange nicht gesehen, und noch immer will mir keine Hoffnung dazu winken. und du kannst noch schwerer über dich gebieten als ich. Sey nur fleißig und schreibe viel. ich weiß nicht, es ist mir immer als ob dieses Ereigniß einmal bedeutend auf dich einwirken könnte. der Mensch ist einmal so, selbst der warm glühendste für seine Kunst, bedarf eines Anstoßes. Von mir kann ich dir allerley erzählen. ich habe voriges Jahr von August bis November eine Reise über Hamburg bis Kopenhagen gemacht, die in jeder Hinsicht vortrefflich ausfiel. mein Empfang überall war weit über meinen kühnsten Wünschen, und Geld nahm ich auch gehörig ein. Nur meine arme Lina mußt ich in Hamburg zurüklaßen, weil sie guter Hoffnung war, und die Seereise für sie fürchten ließ. der Mensch denkt, Gott lenkt, demohngeachtet hatte sie eine zu frühe Niederkunft, wurde aber von guten Menschen so herrlich gepflegt, daß ich sie bei meiner Rükkunft von Koppenhagen, schon wieder ganz munter fand. mir hatte das gute Weib kein Wort davon geschrieben, um mich nicht zu ängstigen. Während dieser Reise hatte sich aber in Dresden viel verändert. der Graf Vizthum, unser Intendant hatte seinen Abschied genommen, und ein H: v: Könneritz aus Weimar war an seine Stelle getreten. dieser hängt den Mantel nach dem Winde, die Italiener haben ihn in ihren Klauen, und so sehe ich dahin schwinden, was ich seit 4 Jahren mühsam für die deutsche Oper errungen habe. Es gab Zeiten wo ich mich ganz unglüklich und desperat fühlte, nun gebe ich mir aber Mühe die Sache so leicht als möglich zu nehmen. ich habe die Beruhigung das meinige als ehrlicher Kerl gethan zu haben. weiter nun geschehe was Gott will. Ende Aprill reise ich nach Berlin, um meine neue Oper der Freyschütze, womit das neue Schauspielhaus eröffnet wird, selbst aufzuführen. Von da gehe ich mit meiner Lina ins Alexisbad, welches ihr und mir nothwendig ist. in Berlin werde ich auch um diese Zeit einmal wieder Meyerbeer sehen. Gott gebe daß er in Deutschland wieder der Alte sey, und nicht so denkt wie er in Italien componirt. Gestern habe ich gehört daß B: A: Weber in Berlin gestorben ist. Es ist wohl möglich daß ich den Ruf dahin erhalte. ich würde aber Dresden sehr schwer verlaßen, troz so manches für mich unendlich schmerzlichem. unsre Königsfamilie ist gar zu trefflich wenn man sie einmal kennt. abermals — wie Gott will. | Da sehe ich eben deine Briefe nach, und bemerke mit Schrekken daß du seit Ende 1818 keine Nachricht von mir hattest. Lieber Bruder unterdeßen war ich dem Tode nahe, war den ganzen Sommer 19 höchst gefährlich [krank], dann starb unser Kind. dann erkrankte meine Frau. dann später hatte sie wieder eine zu frühe Niederkunft, und somit habe ich statt Kindern einen Hund und einen Affen. – doch wird Gott das wohl wieder schenken. Meine Gesundheit ist aber seit dem sehr papiern geworden. Einen fatalen Husten kann ich noch immer nicht ganz los werden. Nun, es wird schon werden. Vor Weynachten reißte Bärmann hier durch. da wurde deiner oft gedacht. Von Junghs habe ich vorgestern Brief erhalten. Er hat eine LungenEntzündung überstanden, und die Frau wieder ein Mädchen gebohren. Er schrieb mir auch von deinem Ring, und hofft von dir selbst Nachricht zu erhalten. die alte Mutter hat ihre rükständige Pension ausgezahlt erhalten, was ein hübscher Nothpfennig geworden ist. ich glaube Sie brauchen es. der Himmel erhalte ihn seiner zahlreichen Familie. von D mol und F Dur höre ich gar nichts. Naumanns Vater unser wird nun gestochen und ist für die Pränumeranten um ein Louisdor glaube ich, bald zu haben. von meinem Kampf und Sieg ist nur der KlavierAuszug gestochen, die Partitur steht aber dir mit Vergnügen zu Dienste, und erwarte ich darüber deine weitere Ordre. Auch könntet ihr vielleicht die Kantate brauchen, die ich zum Jubelfeste unseres Königs schrieb, und die auch mit einem allgemeinen Texte als Ärndte Kantate aufzuführen ist. Nun arbeite ich an einer großen komischen Oper, dann geht es an eine durchaus in Rezitativen, Ernste. Hat dich nicht auch sehr erfreut, daß Dietrichstein und Mosel jezt Direktoren in Wien geworden sind? nun wird doch endlich diese Kaiserstadt auch wieder vaterländischem Talent nicht ganz verschloßen sein, und das wahrhaft Gute vorgezogen werden, nicht immer alles Roßinisirt sein. ich hoffe überhaupt daß dieser nicht lange mehr Epoche machen wird. Er schlägt sich selbst todt. Wenn der Himmel nur bald wieder in politischer Hinsicht Ruhe schenkt. Es gehört schon lange zu meinen Lieblings Plänen von hier nach München, und von da über Salzburg und Insbruk bis Mailand und dann über Wien nach Hause zu gehen. Aber wer kann jezt kalkuliren? auch könnte es ohnedieß erst künftiges Jahr sein. Bis dahin kann sich viel ändern. Gott lenke die Herzen der Machthaber zum Frieden. Nun mein alter Hansel lebe wohl. Gott erhalte dich ferner so gesund, als du mir zu meiner großen Freude berichtest. Meine Lina giebt dir einen herzlichen Kuß, und bei uns bleibts beim alten, das Schreiben ausgenomen, darin können wir uns beide beßern. Mögen uns nur recht oft fröhliche Veranlaßungen die Feder in die Hand geben, es ist gar zu betrübt wenn man blos klagen kann. Ich drükke dich innigst an mein treues BruderHerz. behalte auch so lieb deinen Weber Dresden d: 28t März 1821.