## Title: Carl Maria von Weber an Thaddäus Susan in Ried. Dresden, Sonntag, 22. Dezember 1822 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A041997 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Dresden, den 22. December 1822. Im Augenblicke meiner Abreise von Wien erhielt ich deinen lieben Brief. Er war mir ein unendlich lieber Reisegefährte; und wenn ich so allein in der Ecke meines Wagens saß, und die Gegenden rasch an mir vorüberflogen, da zogen auch die Gebilde meiner Jugendzeit, die du mir so schön wieder zurückriefest. an meiner Seele vorüber und Lächeln bis zum lauten Lachen, und Wehmuth, aber fast bis zu Thränen, wechselten den Schauplatz. Wie tief erkenne ich deine Liebe, und die Theilnahme, mit der du noch alles festgehalten wie es damals war, in deiner lebendigen Wiedererzählung; ich durchlebe sie noch einmal froh jene schöne Zeit, wo man sich glücklich fühlt, so viel zu wollen und sich das Vollbringen so gar herrlich denkt. Wie oft enthielten meine höchsten Wünsche, die ich für unerreichbar hielt, das nun Erreichte, und wie um vieles schob sich doch das wahre schöne Ziel immer weiter und weiter hinaus in meiner Überzeugung, und wie wenig genügte ich mir selbst in dem was Andern zu genügen scheint. Glaube mir, ein hoher Beyfall lastet wie eine große Schuldforderung auf der Seele des Künstlers, der es redlich meint, und er bezahlt sie nie, wie er wohl möchte. Was die Erfahrung zulegt, nimmt die dahinschwindende Jugendkraft wieder hinweg, und nur der Trost bleibt daß alles unvollkommen ist. und man that was man thun konnte. Wie gerne wäre ich einmal in deine Arme geeilt! Aber so gut wird es mir nicht, einen freyen Ausflug machen zu dürfen; der Dienst und die übrigen Verpflichtungen fesseln und geben nur immer streng begrenzten Raum einzelner Geschäftsausnahmen. Doch gebe ich die Hoffnung nicht ganz auf. Es ist doch ein ander Ding um eine mündliche Unterhaltung als das elende Briefgekratze. Was kann man da aussprechen? Krankheiten meiner Collegen hinderten mich, meine Oper für Wien diesen Winter zur Ausführung zu bringen. Ich hoffe dazu im Herbst dreyundzwanzig zu kommen, geht's dann nur einigermaßen an, so ziehe ich über Salzburg und München heim, und werde natürlich die bewußten zwey Meilen nicht scheuen. In meinem Hause geht es gut. Nach viermal vereitelten Hoffnungen hat Gott mich endlich den 25. April mit einem derben Jungen gesegnet, der Max getauft ist, und seit dem 1. December einen Zahn hat. Meine Frau stillt selbst und ist glücklich und gesund. Du kannst daher denken, daß wir auch deine Vater- und Gattenfreuden zu würdigen verstehen und den innigsten Antheil daran nehmen. Meine Verhältnisse hier gestalten sich auch täglich besser. Vieles ist zur Sprache gekommen zwischen mir und dem italienischen Theile, und wir haben uns endlich verständigt, und ich hoffe zu Gott, daß nun die Ruhe bestehen wird, die wahrlich von mir nie getrübt wurde. Meine Gesundheit ist nun freylich nicht die beste, und ich kann vor vielen Dienstgeschäften und andern oft bis ans Unverschämte grenzenden Anforderungen der Außenwelt hier gar nicht zu eignen Arbeiten kommen. Das betrübt mich sehr. Denn die Zeit des Arbeitens selbst ist eigentlich meine höchste Freudenzeit, obwohl sie, wie alles Erzeugen und Gebähren, gewiß auch ihre bedeutenden Wehen in sich trägt. Wie es dann nach Außen wirkt, ist mir nicht gerade gleichgültig, aber es kommt mir als etwas Fremdes vor, was mich eigentlich nicht mehr recht angeht. Auch habe ich für einmal gefertigte Kinder keine sonderliche Liebe mehr, und bin wirklich eine Art von Rabenvater, der seine Rangen in die Welt hinausstößt, und sie selbst Ihr Schicksal suchen heißt. Der übergroße Beyfall, den der Freyschütze erhalten, ist ein gefährlicher Feind aller meiner nachfolgenden Opern. Die Erwartungen steigern sich bis ins Blaue hinaus, wünschend und verlangend, und da in der Regel die Leute dann nicht wissen, was sie wollen, so gelingt es auch fast nie, sie zu befriedigen. Nun, wie Gott will, ist mein alter Wahlspruch. Und nun Ade für heute. Grüße deine geistvolle Gattinn, der ich gern und oft begegne, bestens von mir, küsse deine Kinder und behalte lieb deinen alten ewig treuen Freund C. M. v. Weber m. p.