## Title: Aufführungsbesprechung: “Aschenbrödel” von Nicolo Isouard am 7. Mai 1811 in München, Königliches Hoftheater ## Author: Carl Maria von Weber ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031135 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Miscellen.Königliches Hoftheater.München Am 7ten Mai gab man zum erstenmale: Aschenbrödel, (Cendrillon) Oper in drei Akten aus dem Französischen; Musik von Nicolo Isouard de Malthe. Der ausgezeichnete Erfolg, mit welchem diese Oper in Paris gegeben wurde, bestimmte schnell das nach Fremdem haschende deutsche Publikum, sich auch dieses Produkt anzueignen. Unter die darin wetteifernden Bühnen gehörte gleichfalls die unsrige., und unter denen darin wetteifernden Bühnen, gehörte auch die unsrige, die es den huj: auf’s Theater brachte. Wenn man weiß, daß diese ganze Oper bloß wegen Mlle. St. Aubin geschrieben wurde, und daher so ganz auf ihre Individualität berechnet ist; daß man keine Nüance, sie in ihrem vortheilhaftesten Lichte zu zeigen, vergaß; daß alle ihre Umgebungen karrikirt wurden, um dadurch ihren Abstand vonden Abstand zwischen jenem anspruchlosen Wesen, für das man sich schon wegen des Druckes, unter dem es lebt, und der nie zu starkgar nicht stark genug hervorgehoben werden kann, interessirt – desto größer und ergreifender zu machen; wenn man weiß, daß nebst dem PompTheater Pomp, mit dem die Oper gegeben wardwurde, auch alle lokalenlocale Hülfsmittel ergriffen wurden, das reizbare Pariser Parterre zu entflammen; so ist wahrlich leicht zu begreifenkann man sich wahrlich denken, warum dieses Werk eine so enthusiastische Aufnahme erhielt. Der Komponist besonders hat auf seiner Seite nicht ermangeln lassenermangelt, alles zu benutzen, von dem er sich ein Applaudiren versprechen konnte. Der größte Beweis davon ist die Ouverture, die bloß auf den bekannten Harfenspieler Casimir, und den Hornisten Duvernoys berechnet ist; denn wären wohl sonst die eines Ouvertur-Stylseinem Overturen Styl ganz unwürdigen Cadenzen und kleinlichen Nüancen (die aber gewiß durch beide Spieler noch verziert und gehoben wurden) zu verzeihen? Ueberhaupt hat der TonsetzerComp: am wenigsten gethan, die Oper zu erheben; beinahebeinah alle Musikstücke bestehen aus abgedroschenen Sätzen, die durch eine unbehülfliche Instrumentirung noch mehr ins Licht gesezt werden. – Der Hauptmoment im 2ten Akte, wo jede Schwester die andere zu übertreffen sucht, hätte durch allen Zauber der Melodie und Instrumentirung bei Aschenbrödels Romance so herausgehoben werden sollenmüßen, daß er wie ein glänzender freundlicher Stern über den Talenten der beiden andern schwebte. In seiner gegenwärtigen Gestalt aber ist es eine unbedeutende Melodie, von der gar nicht zu begreifen ist, wie sie Wirkungman gar nicht die hinreißende Wirkung begreiffen kann die sie hervorbringen soll. Gewiß liegt im Bolero, den die Schwester zuvor singt, mehr Gehalt und Effektund ohnstreitig ist der Bolero den die Schwester singt, gehaltvoller, und ergreiffender. Am gelungensten aber ist ohnstreitig das Duett zwischen dem König und Aschenbrödel im dritten Akt, welches als eine leidenschaftliche Situation dem Komponisten freilich auch den meisten Stoff lieh, und das er besonders glücklich – durch die darein verwebte Melodie des vorerwähnten Liedchens im 2ten Akte, durch das sie des Prinzen Liebe gewann, und welches Bild sie ihm gleichsam hier wieder zurückruft – zeichnete. Nächst dem ist das erste Duett zwischen den beiden Schwestern das karakteristischste. Beide im wonnigen Uebermuthe und trunken von dem Glücke, das ihrer harret, bewegen sich in durchkreuzenden Läufen und Passagen, und indem jede, sich selbst bewunderndbewundern, ihr Talent auskramt, ruft sie nur manchmal die Schwester auf, ihr den schuldigen Tribut des Beifalls zu zollen. Die Romanze der Cendrillon im 1ten Akt, und die des Königs sind – französische Romanzen, und die übrigen Musikstücke sind so unbedeutend und gehaltlosunbedeutend, gehaltlos – und ohne Wirkung, daß der musikalische Theil dieser Oper gewiß nirgends ihr Glück gründen wird. Im Ganzen gelang die Vorstellung ziemlich gut. Aschenbrödel, Mad. Reg. Lang, both alles auf, diese Rolle mit all dem ihr eigenen Interesse zu geben. Sie spielte das bei inniger Herzensgüte und reiner unverdorbener Seele gleichwohl unbeholfne, bildungslose Mädchen mit vieler Wahrheit und Naivetät. – Mad. Harlas als Clorinde und Fr. v. Fischer als Tisbe bezeichneten, besonders Erstere, das Alberne eines hochtrabenden Ahnen-Dünkels in vielen Stellen sehr treffend; doch würde Tisbe im Duett des ersten Aktes ihr Spiel weit mehr und richtiger karakterisirt haben, hätte sie es, im Kontrast neben der Singprobe ihrer Schwester, durch geeigneten Tanz – wozu sie sich selbst die Melodie trillert – mehr markirt und hervorgehoben. Hr. Muk, als Montefiascone, war dießmal ganz in seiner Sphäre, weit weniger Hr. Mittermair als Ritter Dandini. Sein Fleiß verdient gerechtes Lob; doch fehlt seinem Vortrage in dergleichen Rollen noch die erforderliche Gewandtheit. Ramir Hr. Weixelbaum sang, vorzüglich das Duett mit Aschenbrödel im dritten Akt, mit Ausdruck und Bewegung. Das Ballet zu Anfang des 2ten Aktes glich mehr einem vorbereiteten Hoffeste, als einer Feenscene. Bei einer leichten wolkichen Dekoration würden die Tänze weit ätherischer geschienen, und den Karakter von sanft umgaukelnden Träumen gewonnen haben.