WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Tonkünstlers Leben. Fragment VIII (Erstdruck) Carl Maria von Weber Veit, Joachim Stadler, Peter

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Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Articles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

Nach der Karnevalsszene sinniert Felix allein über das Erlebte, denkt an Emilie und komponiert ein Lied auf das Gedicht des Teufels; er wird dabei von Dihl überrascht, der ihn in ein Gespräch über das Komponieren verwickelt vgl. Entwurf Carl Maria von Weber ohne Überschrift Theodor Hell Hinterlassene Schriften von Carl Maria von Weber 1 Dresden Leipzig 1828 95–100

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Deutsch 14. November 1810 (laut A und TB) Text eingefügt und Korrektur gelesen Datei angelegt und header angepasst

Schlaflos durchwachte ich die Nacht. Gedankenlos durchträumte ich einige Tage. Ich war in jener unglückseligen Stimmung, in der leidenschaftliche Menschen so oft sich finden, weil der Stoff des Unglücklich-Fühlens mehr in ihnen liegt, als von außen erzeugt wird. Wo andere Menschen bloße Freude fühlen, möchten sie jauchzen. Wo Andere wehmüthig werden, verzehrt sie der Schmerz. In Extremen leben, fühlen, handeln sie. Und eben diese unendliche, Alles umfassende Wärme, die allein Schillers Seid umschlungen Millionen – diesen Kuß der ganzen Weltversteht, ist es, was ihr Unglück im Gefühle nie zu füllender Leere in Ihrem Innern erzeugt.

Ich floh zur Musik und hoffte, von diesen Leidenschaften getrieben, ja bis zur Fieberhitze entflammt, mein Gefühl in Tönen aussprechen zu können, aber umsonst. Ein Chaos waren meine Ideen. Die Fülle meiner Empfindung verschlang sich selbst gebährend wieder, und stumpfes, gedankenvolles Nichts-Denken war das jedesmalige Ende.

Die gewöhnliche Bemerkung also, der Lustige könne gut lustig und der Traurige gut traurig komponiren, – wurde an mir zu Schanden. Wer diese Bemerkung nachsagt, kennt den Menschen nicht. Alles Tief-Empfundene fühlt sich, aber sagt sich nicht. Der Moment, Geistes-Produkte zu erschaffen, muß in jener gewissen ruhigen Stimmung als Grund-Element sich bewegen, welche, eigner, in dem Augenblicke willkürlich erzeugter Begeisterung fähig, das individuelle Ich, so zu sagen, ganz zu verlassen und in das andere, das zu schaffende, überzugehen im Stande ist.

Dieser Zeitpunkt war nun für mich nicht da, und nur nach und nach konnte ich wieder meiner Ruhe habhaft werden, indem ich nach diesem letzten Zufalle, – der mich so glücklich meiner Emilie zu nähern schien, und doch wieder meine schönen Träume in ihr altes Nichts zurücksinken hieß, da aller Nachforschungen ungeachtet keine Spur mehr von ihr zu entdecken war – fest überzeugt ward, daß ich sie nie finden würde, daß das Schicksal sie mir nicht bestimmt habe, und Vernunft und Ueberlegung mir endlich auch weis machten, ich werde mich beruhigen, ja, sie vergessen können.

Der zufällige Anblick meines Masquen-Kleides weckte wieder sehnsuchtsvolle Errinnerungen an sie in mir auf; mechanisch fuhr ich in die Tasche des Rocks, den ich jenen Abend an hatte, fand ein Papier darin, und erkannte es beim ersten Anblicke für das Gedicht, welches mir der Teufel zum Componiren gegeben, und das ich auf die nächste Redoute zu bringen versprochen hatte. Daß es an eine Emilie gerichtet, war mir ja hinreichender Beweggrund gewesen. Aber jetzt wollte ich auch dessen Inhalt meinen prüfenden Blicken unterwerfen. Ich las – – –

Der herzliche liebe Geist, der im Ganzen leuchtete, begeisterte mich. Beim zweiten Lesen stand die Melodie klar vor meiner Seele, und ich eilte, sie zu Papiere zu bringen, und während des Niederschreibens vollends zu feilen, und zu runden, als mein Freund Dihl mich bei der Arbeit überraschte.

Na, Gott sey Dank, endlich wieder ein zufriedenes heiteres Gesicht, denn du arbeitest; störe ich?

Ich. Immer, und nie. Sprich nur fort.

Dihl Sieh, das ist mir unbegreiflich, und ich habe Dich schon lange fragen wollen, wie Du ein Gespräch führen und dabei arbeiten kannst.

Ich. Ja, lieber Freund, ich möchte beinah mit Plato glauben, der Mensch, oder wenigstens ich, habe zwei Seelen; wenigstens habe ich offenbar zwei Dinge in mir, wovon das eine das Ton-Wesen, und das andere das zum Gesprächsel abgerichtete ist. Denn ich kann sehr bequem von ganz andern Gegenständen zusammenhängend sprechen und doch, mit voller Seele und ganz von meinem Objekte erfüllt, Ton-Ideen bilden und componiren. Doch muß ich gestehen, daß es mich angreift, und ich mich dabei wie ein Magnetisirter befinde, da der Mund von Dingen spricht, von denen er eigentlich nichts weiß und nichts denkt.

Dihl. Und ist Dir das bei allen Arten von Componiren gleich?

Ich. Nein, doch nicht ganz, die sogenannten eigentlich strengen Kunst Arbeiten, als Fugen &c., halten mich mehr ab, beides zu vereinen.

Dihl. Das ist kurios, denn ich sollte denken, just bei dem Zeug brauchte man am wenigsten seine Einbildungskraft zusammen zu nehmen, und dafür nur seinen Kirnberger, Fux, Wolf, oder wie die Thiere alle heißen, gehörig im Leibe zu haben.

Ich. Ach, eigentlich thut es einem bei diesen abstrakten Arbeiten am nöthigsten, das Gefühl als Leitstern zu haben, damit man nicht durch die Schulgelehrsamkeit und ihre Künste sich in den trockenen Sand der Langenweile leiten läßt.

Dihl. Da Du jetzt so vernünftig mit mir sprichst, machst Du wohl keine Fugen?

Ich. Daß ihr Laien die armen Fugen nicht ungeschoren laßen könnt – nein! ich habe eben ein Lied componirt.