WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Tonkünstlers Leben. Fragment I (Entwurf) Carl Maria von Weber Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Gerhard Jaiser Eveline Bartlitz

Version 4.9.1 of February 5, 2024

Download of this file: 2024-03-28T19:08:11.343Z

Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe
Hornsche Str. 39 32756 D Detmold
Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) http://weber-gesamtausgabe.de/A031741

Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Articles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

ironisch angelegter Reiseerfahrungsbericht eines jungen Künstlers (Musiker und Komponist) aus der Ich-Perspektive Teil 1: Protagonist (Felix) geht auf Reisen; Ankunft in einer unbekannten Stadt (X), Begegnung mit dem angesehenem Musikliebhaber (Herr von Y) und dessen Familie, die sich vor ihm als Laienmusiker präsentieren D Berlin Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (I), Bl. 3a/r–3b/v

1 DBl. (4 b. S.)

WZ: bekröntes, an beiden Seiten von Greifen gehaltenes Wappen; Gegenmarke: stilisiertes, herzförmiges Blatt

Niederschrift mit durchgängigen Schriftduktus mit zahlreichen kleineren Korrekturen

HellS I, S. 14–19 (Erstes Kapitel. Nach der ersten Ausarbeitung.) MMW III, S. 241–244 Kaiser (Schriften), S. 445–448 (Nr. 160) Jaiser, S. 167–169

Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe

The Transcription of the newspaper articles follows the editorial principles of the Carl-Maria-von-Weber-Complete-Edition. For complete guidelines compare http://weber-gesamtausgabe.de/Editorial-Guidelines.

font-style: italic;font-style: italic;text-decoration: underline;vertical-align: super; font-size: 0.8em; line-height: 0.7em;vertical-align: sub; font-size: 0.8em; line-height: 0.7em;display: block; text-align: center;display: block; text-align: right;font-style: italic;display: block; text-align: left;letter-spacing: 0.15em;font-size: smaller;font-weight: bold;font-variant: small-caps;content: '"'content: '"'content: "'";content: "'";
Deutsch 2. Dezember 1809 (laut A) Subst hinzugefügt Text eingefügt und Korrektur gelesen Datei angelegt und header angepasst
d: 2t December 1809.

Ich reise.

Es gieng nicht, und gieng nicht. schon seit 8 Tagen quälte ich mich, und seit 3 Stunden saß ich an meinem sonst allerlezten ZufluchtsOrt, dem Klaviere, um Ton Ideen aus mir zu spinnen, und der Faden riß immer schon wieder ehe, als ich ihn wieder kaum angeknüpft hatte,: da riß es mich auch empor, und mächtig rief die Stimme in mir, du mußt hinaus; fort ins Weite. des Künstlers WirkungsKreiß ist die Welt. Was nüzt dir hier im engbrüstigen Verhältniß Zirkel der errungene gnädige Beyfall eines Maecenaten Kunst Maecens für eine dir abgerungene Melodie, zu seinen Geist und Herzlosen Reimen, was der freundliche Händedruk der niedlichen Nachbarin für ein paar hebende Walzer, oder der Beyfallruf der Menge auf der Parade, wegen eines gelungenen Marsches? – fort,! der Geist suche sich in anderem; und hast du fühlende Menschen durch deinen Genius erfreut, hast du dir ihr Wißen angeeignet, dann kehre zur friedlichen Heimat, und zehre, von dem erbeuteten.

Flugs pakte ich meine TonKinder zusammen, umarmte meine Freunde erbat mir einige Adreßen die wenigen Bekannten, die ich Freunde nannte, in das Nächste Städtchen, und dahin fort gieng die Reise,auf dem bescheidenen Post-wagen, den mir mein Geldbeutel sehr dringend empfohlen hatte. Nun weiß ich nicht obs andern Menschenkindern auch so im Wagen zu Muthe ist wie mir. da eine Welt thut sich auf in meinem innern, und preßt mir die Lippen zusammen, daß sie jedes Lauts unfähig mich meinen ReiseGefährten als den schlechtesten Gesellschafter deuten. die 1000 den Augen vorüberfliegenden Gegenstände, erweken eben so viel sich durchkreuzende Empfindungen in mir, und ein Thema drukt drängt das andere, und indem ich in Gedanken, den höllischsten verwikkeltsten Fugensaz durcharbeite, hüpft vielleicht schon ein naseweises Rondo Thema dazwischen und wird eben so wieder durch einen Trauermarsch oder dergl: verdrängt.

allem diesen machte die Ankunft in X. Casinosberg, einem artigen Städtchen dem ersten Ziel meiner Wanderung ein Ende, und indem ich die Arie des Pedrillo aus der Entführung – nur ein feiger Tropf verzagt –, summte, entschlief ich voll süßer Hoffnungen meines zu gebenden Concerts.

den andern Morgen stieg ich zu dem H: v: Y: deßen musikalische Familie mir sehr gerühmt war, und der alles im Städtchen vermochte.

Ah! Ah /: rief er mir entgegen :/ schönstes willkommen, sehr erfreut Ihre Bekanntschaft zu machen, man schreibt mir viel gutes von ihnen, sie kennen doch meine neusten Sonaten?

ich in einiger Verlegenheit, Verzeihen Sie, nein,

Er: aber doch das Quartett,? . . .

ich: errinnere mich nicht.

Er Aber: aber doch die Capricen, die müßen sie kennen, wenn Sie anders die Zeitungen lesen und einigermaßen in der Kunst Litteratur bewandert sind,

ich. [/:] sehr verlegen :/ zu meiner Schande muß ich gestehen daß ich wuste siegar nicht gewust daß der H: v: Y: componiren – Er: liebster Freund, es thut mir leid, aber da ich höre daß Sie hier Concert geben wollen, muß ich Ihnen frey heraus sagen, daß Sie schwerlich etwas machen werden, denn Sie haben noch keinen Ruf, unser Publikum ist so difizil wie das Wiener, und wenn Sie nicht meine Tochter persuadiren können daß sie Ihnen singt, so –

eben tratt Mamsell herein, und ich war durch ihren Anblik nicht wenig frappirt, ein derley Exemplar Oeuvre kömt einem nicht alle Tage vor, mann denke sich ein winzig kleines Geschöpf, mit einem ungeheuren Kopf belastet, der von Rabenborsten beschattet, und einem Steindiadem geschmükt, einem aus seinem Munde der einer TaktNote aus Aretins Zeit glich, solche Töne entgegen krächzte daß, meine Ohren schon im voraus Convulsionen zu bekommen Lust hatten. vollkommen des eben so angenehmen Eindruks sich erfreuten, als wenn jemand auf einer Glasscheibe mit den Nägeln krazt. Die Maikäfer Arme der zärtlichen Tochter umfingen den Papa, und dieser Präsentirte mich als ein Schüler der Kunst, und sagte, du must ihm was von der großen Arie vorsingen so recht hoch und tief, du weißt schon wie ich sie liebe.

Sie maß mich von unten bis oben, mit einer Protektionsmiene, und sprach sich räuspernd, Papa wißen daß ich seit einiger Zeit immer heiser sehr enrhumirt bin, und daher kaum werde ihrem Verlangen werde genügen zu können, /: ein Hüsteln hervorzwingend :/ Mein Gott sie können es ja selbst hören wie rauh meine Stimme ist; – allerdings konnte ich der armen Luft, die sich in dieser der Anatomie gewiedmeten Halse Gorgl, die kaum zum Athmen den gehörigen Umfang verrieth, es nicht verargen, wenn sie sich darinn zum Tone zu bilden weigerte, aber meine Bemerkungen unterdrükend, und meine Höflichkeit spornend, bat ich, ach nur etwas, nur ein paar Töne. und nachgebend das nachgiebig gebohrene Weib, wich dem vereinten Bitten, warf sie sich nachläßig ans Klavier, und fieng nach einigen mächtig gedroschenen Akkorden und einem unglüklichen Lauf durch die halben Töne, eine BravourArie von Scarlatti zu krächzen an. ich bewunderte meine Gute Natur die wenn ich je im Unterleibe gelitten hätte mich zuverläßig jezt im Stiche gelaßen hätte, und bemühte mich über die wiederspänstigen Schultern der wovon eine die andere an Hochmuth übertraf in die Noten zu sehen. doch kaum hatte sie einige Takte gesungen, so rief sie, sehen sie es geht nicht, sang wieder einige Takte, verwünschte ihre Heiserkeit, schrie aber wie eine Rohrdommel, und so erreicht Sie endlich unter immerwährendem unterbrechen das Ende, und ich Ohrfeigte mich in Gedanken, daß ich nicht mehr Gewalt über mich besaß wenigstens ein paar Bravo’s drein zu werfen als zu meinem Glük unterdeßen hatte sich die gnädige Mama, ein vortrefflich conservirter Abdruk der Xantippe eingefunden hatte, und brach in in solch einen Strom von Lob aus brach gegen den Gesurre eines V der Lärm eines Wranitzkischen Allegros, Blättergesäusel istdaß mein zerknirschtes Bravo drin verhallte.– ja meine Tochter ist ein ganzes Genie, es ist ungeheuer was sie für Talent hat, und und obwohl sie erst seit dem 17. Ihren Jugend Jahren daß sie Musik macht, hat sie dochdem StadtMusikant schon oftden Generalpasch zurechtgewiesen. belehrt und die StrahlHarmonika spielt sie auch prächtig o hole sie doch einmal, s’ist gar ein schönes Instrument. Todesangst ergriff mich bey Erwartung dieser neuen Feuerprobe, und ich konnte nur hervorstottern daß besonders zu Adagios das Instrument sich vorzüglich eigne. ganz recht rief Mama, die Adagios das ist das wahre, o spiel doch einmal den Vogelfänger. – nun riß meine Faßung, und ein sich rein aussprechendes Gelächter, zog die Gesichter der Familie zur Decimen Länge, man flüsterte einander zu mein Musikorgan müsse dem eines Affen gleichkommen, der Sinn für Kunst fehle mir gänzlich, und in weniger als 5 Minuten sah ich mich von der nach der Küche eilenden Mama, dem schnell abgerufenen Papa, und der durch Migräne in ihr Budoir flüchtenden Filia, verlaßen, und allein. ich schöpfte Luft als sey meine Lunge genöthigt in der Westminster Orgel Blasbalgsdienste zu versehen, legte den Finger an die Nase, und fand daß ich vor der Hand zu dergl: Besuchen ziemlich verstimmt, lieber gleich den StadtMusikus, und die mir nöthigen Musiker aufsuchen wolle.