## Title: Aufführungsbesprechung: “Leon oder Das Schloss von Montenero” von Nicolas Dalayrac am 25. August 1811 in Mannheim ## Author: Gottfried Weber ## Version: 4.10.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030982 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Mannheim, den 26. August. Auf unserm Theater sahen wir gestern: Leon, oder das Schloß von Montenero, Singspiel in drey Aufzügen, aus dem Französischen übersetzt von Ihlee. Eine ausführliche Kunstbeurtheilung dieser würdigen Produktion haben wir bereits in Nro. 14 und 15 der Mannheimer Schreibtafel niedergelegt; wir dürfen daher unsere Leser dahin verweisen, und begnügen uns mit einigen Worten über die neueste Aufführung dieser Oper. – Sie war im Ganzen gelungen, und sowohl Orchester als Sänger hielten sich brav; gleich die Ouvertüre wurde mit seltener Präcision ausgeführt, und der darauf folgende Chor, welcher heute etwas mehr Fleisch angelegt zu haben schien, glänzte mit einem nicht gewöhnlichen embonpoint; waren auch die hohen Töne etwas schreiend, so wurde doch besonders von den weiblichen Stimmen rein gesungen; und daß (freilich) die Chöre an sich keine große Schwierigkeiten darbieten, vermindert ja den Werth bey absoluter Beurtheilung nicht. – Mlle. Frank war in ihrem Gesang voll lieblicher Anmuth, und gewann sehr dadurch, daß sie bey ihren Coloraturen nichts versuchte, was die Kräfte ihrer Kehle überstiegen hätte; indessen verdient es eine Rüge, daß sie durchgehends in allen Musikstücken das Tempo trainirte, und dadurch im Contraste mit dem Orchester das Ohr des Zuhörers peinigend hin und her zog. Daß Herr Kaibel keine Recitative singen kann, ist zu entschuldigen, denn er ist nicht Sänger; über sein Spiel und dessen Sphäre haben wir schon oft genug unser Urtheil ausgesprochen. Nur das sey noch gesagt, daß wir schon seit längerer Zeit mit Bedauern einen Stillstand (und stille stehen ist rückwärts gehen) in seiner Kunstbildung wahrnehmen; möchte er sich warnen lassen, und zu neuem Fleiße zurückkehren! Bey seinem Alter heißt das denn doch etwas zu früh feiern! Herr Weygand zeichnete sich im zweiten Akte sehr aus, indem er das Recitativ: „Wir finden keine Seele“ (die Antwort auf den Befehl seines Herrn, das Gewölbe noch einmal zu durchsuchen,) um einige Töne zu hoch anstimmte, und mit vieler Haltung durchführte. Bey dergleichen musikalischen Licenzen und kleinen Fieber-Abweichungen, that dem Ohre der beruhigende determinirte Gesang des Hr. Singers doppelt wohl, welcher sich auch heute als fester Musiker und angenehmer Sänger bewährte, aber auch seinen nunmehr gewissen Verlust für die hiesige Bühne um desto fühlbarer machte. – Herr Hofmann that das seinige, die erbärmliche Role des Longino amüsant zu machen. Auch ihn sollen wir dem Vernehmen nach verlieren. G. Giusto.