## Title: Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 1. bis 4. Juni 1817 ## Author: Anonymus ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030136 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Am 1. Juni. Auf dem Linkeschen Bade. Der Brief aus Cadix, Schauspiel in 3 Aufzügen von Kotezbue. Herr Schirmer gab uns als Murrwall ein recht wackeres Charaktergemälde, doch hob er mehr die Seite des wohlwollenden Menschenfreundes, als die des finstern Verbergers aller seiner guten Handlungen heraus, welches letztere sein Vorgänger in dieser Rolle that. Dem Gemüth erfreulicher wird die Rolle durch die erstere, für die Darstellung interessanter durch die letztere Ansicht, und doch scheinen mehrere Stellen der Dichtung dem Künstler Recht zu geben, welcher auf dem zuerst bezeichneten Pfade schreitet. Hierauf: Das Hausgesinde, mit Musik vom Kapellmeister Fischer. Der Zusatz: „nach einer französischen Idee bearbeitet von Koller“ klingt doch ganz sonderbar. Giebt es denn Ideen, welche nur französisch sind? Herr Geyer belustigte sehr als Lorenz. Am 3. Juni: Gordon und Montrose. Schon ausführlich in Nummer 81. der Abendzeitung beurtheilt. Am 4. Juni. Zum erstenmale: Das Waisenhaus, Oper in 2 Akten, Musik von Joseph Weigl. Wehmüthige Zärtlichkeit, rührende Einfachheit und selbst da, wo er selten eintritt, nur schüchtern antö nender Scherz herrschen durch diese Oper, deren musikalischen Charakter übrigens Herr Kapellmeister v. Weber hinreichend bezeichnet hat, und versenken das Gemüth selbst in eine milde, weiche Empfindung, welche zwar zu lebhaften Ausbrüchen der Freude und des Beifalls weniger geneigt ist, dafür aber recht lange innig nachtönt in dem befreundeten Gemüthe. Dieß schien auch die Stimmung der leider! nicht zahlreich versammelten Zuhörer zu seyn, und wir sind überzeugt, daß diese Oper sich bei jeder Wiederholung immer neue Freunde gewinnen, die frühern aber behalten wird, da sie keine glänzende Schöne ist, die für den ersten Anblick blendet, dann aber durch Gewöhnung oft gewaltige Leer zurückläßt. Die Aufführung selbst war von allen Seiten recht brav. Herr Genast sang als Wellmann mit milder, gewinnender Stimme und spielte mit ruhiger Würde. Nur hätten wir seine Gesichtsmaske etwas freundlicher gewünscht, er hatte sich offenbar zu alt gemacht. Mad. Miksch gab als Therese den Beweis, daß sie für das deutsche Singspiel recht brauchbar sey, und vereinte Gefühl mit Anstand. Wir bitten sie künftig den Dialog jedoch etwas lauter und langsamer vorzutragen. Herr Wilhelmi als Oberster, Dem. Schubert als Luise, Herr Metzner als Gärtner, Herr Zwick als Sturm, und unsere liebe Julie Zucker als Gustav, vollendeten durch gutes Spiel und lieblichen Gesang das Ganze.