Bericht über die Klopstock-Säkularfeier in Quedlinburg: 1. bis 3. Juli 1824 Basse, Gottfried Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Frank Ziegler Korrektur Eveline Bartlitz

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Klopstock᾽s hundertjähriges Ehrengedächtniß, gefeiert in seiner Vaterstadt am zweiten Julius 1824 Allen Verehrern des Barden gewidmet Basse, Gottfried Basse, Gottfried Quedlinburg Leipzig 1824 14–58

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Aber den 2. Juli 1824, den Tag, an welchem vor 100 Jahren Klopstock in Quedlinburg das Licht der Welt erblickte, durfte die Vaterstadt nicht ungefeiert lassen, wenn sie nicht den Vorwurf des Undanks und der Gleichgültigkeit gegen den großen Mann auf sich laden wollte. Die Herren Landrath Weyhe, Land- und Stadtgerichts-Director Ziegler, Superintendent Dr. Fritsch, Medizinalrath Dr. Ziegler, Bürgermeister Donndorff, Justizrath Pechmann und Fabrikant Kranz vereinigten sich zur Ausführung dieses Plans, und übernahmen sowohl die Leitung der Anstalten zu den beschlossenen Feierlichkeiten, als auch das Einsammeln der Beiträge zu einem Denkmal, welches Deutschlands Barden in seiner Vaterstadt errichtet werden soll.

Aus Erfahrung kannte man schon die herrliche Wirkung, welche eine große Musik in der Schloßkirche machte. In ihr war Klopstock am 4. Juli 1724 getauft worden. Um aber die Schloßkirche zu dem beabsichteten Zweck benutzen zu können, war die Erlaubniß des KönigsFriedrich Wilhelm III. von Preußen. erforderlich. Der Verein suchte deßhalb unterm 2ten Mai d. J. in einer ehrerbietigen Vorstellung bei Sr. Majestät darum nach und erhielt selbige durch eine Allerhöchste Cabinets-Ordre vom 11. desselben Monats, so wie auch die Bewilligung der Portofreiheit für alle zur Errichtung eines Denkmals für Klopstock eingehende Beiträge.

Auch die Königliche Regierung gestattete wohlwollend die Benutzung derjenigen Räume des Schlosses, welche zur Bewirthung der Musiker erforderlich waren.

Gleichzeitig wendete sich der Verein an die Herren Kapellmeister Carl Maria von Weber zu Dresden und Friedrich Schneider zu Dessau mit der Bitte, die Leitung des zu veranstaltenden Musikfestes gemeinschaftlich zu übernehmen. Das an letzteren gerichtete Schreiben traf denselben nicht in Dessau; er war zur Leitung des in Cöln veranstalteten Niederrheinischen Musikfestes dorthin schon abgereist. Carl Maria von Weber aber nahm die Einladung mit der gütigsten Bereitwilligkeit an, und versprach auch, zur Erfüllung des von dem Verein geäußerten angelegentlichen Wunsches, daß Signora Funk, erste Sängerin der Königlichen Oper zu Dresden, und der berühmte Flötenspieler, Herr Kammermusikus Fürstenau daselbst, an dem Musikfeste Theil nehmen möchten, mitzuwirken. Dieser Wunsch ging auch wirklich hiernächst in Erfüllung, welches zum Glanze des Festes nicht wenig beitrug.

Ferner bat der Verein um die Mitwirkung der Capellen zu Ballenstedt, Sondershausen und Dessau, wozu rücksichtlich der beiden ersteren Capellen von Sr. Herzoglichen Durchlaucht zu Anhalt-BernburgAlexius Friedrich Christian, Fürst von Anhalt-Bernburg (1767–1834). und Sr. Hochfürstlichen Durchlaucht zu SondershausenGünther Friedrich Carl I. von Schwarzburg-Sondershausen (1760–1837). die gnädigste Erlaubniß ohne Schwierigkeit ertheilt wurde. Der Theilnahme der Herzoglich Anhalt-Dessauischen Capelle, deren man sehr ungern entbehrte, standen jedoch nicht zu beseitigende Hindernisse entgegen.

Dagegen wurden die Einladungen, welche der Verein an die durch ihren herrlichen, seelenvollen Gesang so ausgezeichnete Dilettantin, Fräulein Caroline Kaiser zu MagdeburgDie Sopranistin Kayser (an anderer Stelle wird der Vorname mit Louise angegeben) war eine Gesangsschülerin von Johann Joachim Wachsmann und trat vorrangig in Magdeburg bei zahlreichen Konzerten in Erscheinung. , an die Herren Gebrüder Müller zu BraunschweigDie Geiger Carl (Konzertmeister) und Georg sowie der Cellist Theodor Müller, Kammermusiker aus Braunschweig., an den Herrn Kapellmeister Hermstedt zu Sondershausen und an mehrere andere Künstler und Dilettanten ergehen ließ, desto bereitwilliger angenommen.

Da es erforderlich schien, die in musikalischer Hinsicht nöthigen Vorbereitungen durch erfahrene, der Sache kundige Männer treffen zu lassen, so wurden der Herr Musikdirector Bischoff zu Hildesheim, durch die von ihm schon früher veranstalteten Musikfeste rühmlichst bekannt, und der Herr Musikdirector Rose zu Quedlinburg von dem Verein ersucht, dieses Geschäft zu übernehmen. Beide unterzogen sich demselben mit dankenswerther Bereitwilligkeit. Herr Musikdirector Bischoff, welcher sich überhaupt um Klopstock’s musikalische Säcularfeier durch seine Einsicht und unermüdete Thätigkeit ein wesentliches Verdienst erworben hat, versprach überdieß, mit dem unter seiner Leitung stehenden Hildesheimer Dom-Chor an dem Musikfeste Theil zu nehmen. Nicht minder bereitwillig sagte Herr Musikdirector Wachsmann zu Magdeburg die Mitwirkung des dortigen Dom-Chors zu, welches Versprechen jedoch nur theilweise erfüllt werden konnte, weil eine Ministerial-Verfügung denjenigen Mitgliedern des Dom-Chors, welche in das Magdeburgische Schullehrer-Seminarium aufgenommen sind, untersagte, an diesem Musikfeste und anderen musikalischen Aufführungen, wenn sie nicht ein Theil des Gottesdienstes sind, thätigen Antheil zu nehmen. Auf die Theilnahme des Halberstädter Dom-Chors mußte wegen der Bedingungen, unter welchen solche nur Statt finden sollte, Verzicht geleistet werden.

Unter den vielen Voranstalten, welche das herannahende Musikfest erforderte, war das Einüben der hiesigen Singechöre eine der nothwendigsten, aber auch beschwerlichsten, wobei die schon durch viele Dienstarbeiten sehr beschäftigten Männer, der Herr Gerichts-Director Ziegler und der Herr Justizrath Pechmann vorzüglich thätig waren. Beide sind eifrige Musikfreunde und ersterer durch sein Clavier- und Orgelspiel, letzterer durch seinen Gesang ausgezeichnet. Beide haben mit Beihülfe des Musikdirectors Rose, eines trefflichen Clarinet-, Flöten- und Geigenspielers, und des Oberlehrers Happich an der altstädtischen Töchterschule, welcher eine schöne und gebildete Baßstimme hat, die Liebe zur Musik und Gesang sehr erhöht, und den schon seit mehr als 60 Jahren bestandenen Winter-Concerten neues Leben gegeben.

An dem Musikfeste wollte der Herr Gerichts-Director Ziegler die großen Gesangstücke mit der Orgel begleiten, welches von derselben vortheilhaften Wirkung gewesen wäre, wie vor drei Jahren dessen Orgelbegleitung bei der Aufführung des Weltgerichts von Schneider. Er wurde aber zu großem Bedauern aller Freunde der Musik durch einen heftigen Krankheitsanfall an der Ausführung dieses Vorhabens gehindert.

In der Kirche selbst mußten mehrere Einrichtungen zum Musikfeste gemacht werden. Das Orgelchor wurde durch einen weiten Vorbau vergrößert, und an der Hinterwand, auf beiden Seiten der Orgel, terrassenförmige Erhöhungen für die Sängerchöre angebracht. Auf ihnen standen hinten die Bassisten und Tenoristen, und vorn die Altisten und Discantisten. Vor denselben erhielten die Blase-Instrumente ihre Stelle. Vor der Mitte der Orgel stand das Pianoforte, hinter demselben auf seiner rechten Seite war der erhöhete Sitz für den Leiter der Musik, den Herrn Capellmeister v. Weber, und vor demselben, nach der Kirche zu, die Sitze für die Solosänger angebracht. Auf beiden Seiten waren die Geigen und Bratschen, und in der Mitte und an den Seiten vertheilt worden. – Damit für die Zuhörer die Zahl der bequemen Sitzplätze vergrößert wurde, war der leere Raum, welcher zwischen den zum hohen Chor führenden Treppen sich befindet, bis zur Höhe des Chors mit terrassenartig über einander aufgeschlagenen Bänken ausgefüllt.

Eine der vorzüglichsten Sorgen des Vereins war, sowohl den auswärtigen Künstlern und Sängern, als auch den fremden Zuhörern, welche zu dem Musikfeste erwartet wurden, ein gutes Unterkommen zu verschaffen. Mehrere der wohlhabenderen Familien nahmen die ausgezeichnetesten Künstler, Sänger und Sängerinnen gastfreundlich in ihre Häuser auf; andere wurden ebenfalls in Privathäusern gegen Ertheilung von Freibillets zu dem Musikfeste, oder in Gasthöfen gegen Bezahlung untergebracht; alle ohne Unterschied sind aber mit ihrer Aufnahme in Quedlinburg zufrieden gewesen.

Für die Dauer des Musikfestes waren drei Tage bestimmt. Der erste Juli zur Vorfeier, der zweite zur Hauptfeier und der dritte zur Nachfeier Nur die Musikstücke, welche in der Schloßkirche an den beiden ersten Tagen aufgeführt werden sollten, waren gleich anfangs fest bestimmt worden.

Die erste Hauptprobe am Mittwoch früh um acht Uhr eröffnete der Kapellmeister v. Weber mit einer kurzen Rede an die versammelten Künstler und Sänger, in welcher er seine Freude bezeugte, an die Spitze eines solchen seltenen Vereins kunsterfahrener Personen gestellt zu seyn. Schon im Voraus versprach er sich den günstigsten Erfolg, da Jeden die Erinnerung an den großen Mann, dessen Fest hier gefeiert werden solle, zur höchsten Anstrengung aller Kräfte aufmuntern würde. – In diesen Proben suchte der Dirigent mit bewundernswürdiger Zartheit und ohne auffallendes Geräusch dem nicht oder unvollkommen Gelungenen abzuhelfen, und Vollendung herbeizuführen.

Für die Bewirthung der fremden Musiker und Sänger, mit Ausnahme der Choristen, welche auf der Stumsburg speiseten – war auf dem Schlosse gesorgt, wo in dem blauen, und wenn es hier an Platz fehlte, auch in dem rothen Saal gespeist wurde. Der blaue Saal war mit den Bildnissen fast aller ausgezeichneten Componisten und Tonkünstler der neueren Zeit decorirt; Webers Bildniß war mit frischen Blumenkränzen umwunden.

Am Dienstag, den 29sten Juni, wurde zum ersten Mal auf dem Schlosse gespeist. Die Gäste aus Dresden, die Mitglieder des Vereins mit ihren Familien und mehrere ihrer Freunde bildeten die Gesellschaft. Nachdem Carl Maria von Weber und seine Reisegefährten mit einem freundlichen Trinkspruch bewillkommt worden waren, las Herr SchaumJohann Otto Heinrich Schaum hatte den Klavierauszug von Johann Gottlieb Naumanns Psalm mit dem Vater unser Um Erden wandeln Monde für die Ausgabe von Breitkopf & Härtel bearbeitet; an den Quedlinburger Aufführungen war er als Pianist beteiligt. aus Berlin die nachstehenden, von ihm verfaßten, Distichen zum Andenken Klopstock’s vor:

Am folgenden Mittage speiste eine sehr zahlreiche Gesellschaft auf dem Schlosse, indem nun alle zum Musikfeste eingeladenen Musiker und Sänger angekommen waren. Carl Maria von Weber wurde hier von neuem überrascht. Eine liebliche Jungfrau, die Tochter des als Arzt und Kunstfreund sehr geschätzten Herrn Medizinalraths Ziegler überreichte ihm folgenden mit einem Eichenkranz umschlungenen Bewillkommungsgruß, eine Dichtung des Superintendenten Herrn Dr. Fritsch:

An Carl Maria von Weber. Sey gegrüßt uns, Edelster, wir sehn Dankbar freudig Dich in unserm Kreise, Sey gegrüßt, gesegnet Deine Reise, Um ein schönes Fest uns zu erhöh’n. Mit der Dichtkunst schwesterlich verwandt, Geht die Holde, der Du Dich ergeben, Die Du liebst und pflegst, wie sie Dein Leben Himmlisch macht, stets Hand in Hand. Darum führt sie Dich uns zu, die Kraft Deiner Zauber-Töne zu empfinden, Wie der Geist den Wüstenei’n und Schlünden Durch sie hohen Reiz und Anmuth schafft. Du auch machst uns dieser Tage Drei Unvergeßlich, ob sie auch verrinnen, Wie sie hoben, labten Herz und Sinnen, Bleibt auf immer der Erinnerung treu.

Zugleich wurde dieses Gedicht von den Herren Justizrath Pechmann, dem Musikdirector Wachsmann, Oberlehrer Happich und Musikdirector Rose gesungen. Der zuletzt genannte hatte es für vier Männerstimmen in Musik gesetzt. Dieser freundliche Empfang schien auf den bescheidenen Mann, dem er galt, einen lebhaften Eindruck zu machen; er dankte dafür auf das herzlichste.

Vorfeier am 1. Juli 1824.

Die musikalische Vorfeier begann Nachmittags um 3 Uhr.

Gleich nach dem Schlag 3 Uhr ertönte durch die Kirche ein starker Paukenschlag, das an den beiden Tagen bestimmte Zeichen des Anfangs. Auf dem hohen Orgelchor und dem Vorbau vor demselben, dessen Geländer mit rothem Tuch behangen war, nahmen Spielende und Singende die ihnen angewiesenen Stellen ein; im weiten Raum der Kirche herrschte tiefes Schweigen, und Beethoven’s große heroische Sinfonie begann. Wer dieses Musikstück kennt, der weiß, mit welchen Schwierigkeiten seine Aufführung verknüpft ist. Durch Weber’s treffliche Leitung ward die Sinfonie, ungeachtet der schnellen Bewegung im ersten und vierten Satze, mit seltner Präcision aufgeführt. Kenner und Liebhaber waren darin einstimmig, daß diese geniale Composition nirgends feuriger und mit größerer Genauigkeit dargestellt worden sey. Die in die Geheimnisse der Tonkunst Eingeweihten erfreueten sich der kühnen Uebergänge, der meisterhaft herbeigeführten und glücklich gelösten Schwierigkeiten in den beiden ersten und im letzten Satze; den Musikliebhaber ergötzte die gefällige Behandlung des dritten Satzes, vorzüglich in seinem zweiten Theile.

In der darauf folgenden, vom Capellmeister von Weber in Musik gesetzten Scene und Arie aus Athalia zeigte die Sängerin Fräulein Funk eine sehr ausgebildete, klangreiche Stimme von seltenem Umfange. Vorzüglich gefielen die Mittel- und unteren Töne, und das Zarte im Ausdruck der Empfindungen, welche der Tonsetzer geistreich in die Worte des Textes gelegt hatte. Vielen der Zuhörer entging zum großen Theil die meisterhafte Ausführung des Componisten und der Sängerin, aus Unkunde der fremden Sprache, der das Textbuch nicht durch die Worte der Ursprache und noch weniger durch eine zur Seite gestellte deutsche Uebersetzung zu Hülfe kam. Indessen wurde doch gewiß jeder Zuhörer demungeachtet von der außerordentlichen Virtuosität dieser Künstlerin hingerissen, die es so in ihrer Gewalt hatte, sowohl durch ihren sanft schmelzenden Vortrag der zarten Stellen der Composition zu bezaubern, als auch durch die, nur einer Meisterin des Gesanges so zu eigen gewordenen Kühnheit und nie fehlenden Sicherheit in Erstaunen zu setzen, wenn sie die höchsten Töne zu dem stärksten Fortissimo anschwellen, und wieder zu dem leisesten Pianissimo verschwinden, und dann doch noch die untersten Töne ihrer Stimme mit frischer Kraft erschallen ließ, und darauf ruhete, ohne daß man nur im geringsten hätte merken können, wo sie Athem geschöpft, oder die dazu erforderliche bloß physische Kraft hergenommen habe.

In dem zunächst folgenden Konzert für die Violine von Maurer zeigte der Concertmeister Herr Müller aus Braunschweig eine ungewöhnliche Kunstfertigkeit. Wodurch sich dieser ächte Künstler schon längst als solcher ausgezeichnet hat, darin bewährte er sich auch hier wieder, nämlich durch seine kräftige und anscheinend doch so leichte Bogenführung, durch die Ruhe, mit welcher er die größten Schwierigkeiten überwindet, und besonders durch die Sicherheit, mit der er auch bei den schwersten und schnellsten Passagen und Verzierungen, den Tact aufs strengste festhält, und wodurch er den Beweis giebt, daß das jetzt fast zur Manier gewordene häufige und ganz willkürliche Eilen und Verweilen zum gefühlvollen Vortrage durchaus nicht erforderlich ist.

Die zweite Abtheilung des heutigen Musikfestes wurde durch ein Meisterstück des geistvollen Weber, die zur seltenen Jubelfeier der funfzigjährigen Regierung des Königs von Sachsen Majestät componirte Jubelouvertüre eröffnet. Wie damals in Dresden, so auch hier in Quedlinburg versetzte sie alle Zuhörer in freudiges Entzücken, und als gegen den Schluß die eingewebte Melodie des englischen, auch in Deutschland einheimisch gewordenen Volksliedes „God save the king“ ertönte, wurde gewiß jeder der aus vielen deutschen Ländern hier versammelten Zuhörer an sein Vaterland und seinen Fürsten erinnert. Wohl ihnen, wenn sie alle in die Segenswünsche dieses Liedes mit frohem Herzen einstimmen konnten!

Nun folgte ein von Dotzauer componirtes Flöten-Concert, von Herrn Kammermusikus Fürstenau hinreißend schön vorgetragen. Keiner der Zuhörer blieb unbewegt bei den sanft klagenden, bald schwellenden, bald dahin sterbenden Tönen, welche der Künstler mit seltener Fertigkeit und zarter Behandlung der Flöte zu entlocken wußte. Tiefe Stille herrschte, und der leiseste Hauch der Flöte wurde überall in der weiten Kirchenhalle vernommen. Wenn auch Minerva einst die Flöte, als ein ihren schönen Mund entstellendes Instrument von sich warf, so mögen wir dieß ihr, als einer Göttin, leicht verzeihen, glauben aber doch gewiß, daß alle in der Kirche befindlich gewesenen Schönen, und wäre die wahre Minerva selbst darunter gewesen, es Herrn Fürstenau vielen Dank gewußt haben werden, daß er das von einer Göttin verschmähete Instrument still aufnahm, und hier eine Menge horchender Sterblichen damit entzückte. Wer hätte bei diesem Spiel nicht alles Irdische leicht vergessen, wenn er den Künstler seinem Instrumente Töne entlocken hörte, die so leise dahinschwebten und verhallten, als tönten sie aus jenen Regionen her, von deren Seligkeit uns nur leise Ahnung verstattet ist.

Den Beschluß des heutigen Musikfestes machte Mozart’s erhabener Hymnus: „Gottheit! dir sey Preis und Ehre! Hier zeigte sich die Sicherheit und Vollkommenheit, womit die Singe-Chöre durch die Herren Musikdirectoren Bischoff aus Hildesheim und Wachsmann aus Magdeburg geleitet wurden. Der erhabene Chorgesang, die Stimmen der einzelnen Sänger, namentlich der Tenor des Herrn Reuter aus HalleDer Studiosus Reuter war auch in seiner Universitätsstadt Halle mehrfach als Tenor-Solist tätig, so am 3. Februar 1824 in einem Konzert, das vorzugsweise aus Compositionen des Herrn Kapellmeister Carl Maria von Weber, namentlich aus Partieen der Euryanthe und des Freyschütz, bestand, sowie am 8. März 1824 (Konzert des Singvereins der Studierenden); vgl. die Konzertanzeigen in: Hallisches patriotisches Wochenblatt, Jg. 25, Nr. 5 (31. Januar 1824), S. 108 und Nr. 10 (6. März 1824), S. 224., und die Baßstimme des Herrn Alberti aus Danzig machten auf die Versammlung den lebhaftesten Eindruck.

Hauptfeier am 2. Juli 1824.

Die große Musikfeier des vergangenen Tages hatte mit dem Hymnus an die Gottheit geschlossen; die heutige wurde mit dem Gebet des Herrn in dem bekannten von Klopstock gedichteten Psalm: Um Erden wandeln Monde, nach Naumanns herrlicher, tief empfundener Composition eröffnet. Dieses Musikstück bildete die erste, eine aus Worten der Bibel zusammengesetzte, von Friedrich Schneider componirte Cantate, die zweite Abtheilung, und der dritte Theil des Messias von Händel den Beschluß der Kirchenmusik. So ward das Andenken des deutschen Sängers, dessen höchste Freude es war, Gott zu preisen, und die Herrlichkeit des Erlösers zu singen, in seinem Geiste gefeiert.

Naumanns Meisterwerk, die Composition des Vaterunsers, ist neuerlich erst im Druck erschienen, und wir müssen es der Verlagshandlung in der That Dank wissen, daß sie durch dessen HerausgabePartitur und Klavierauszug erschienen bei Breitkopf & Härtel in Leipzig (PN: 3586 bzw. 3804). den allgemeinen Genuß dieser erhabenen und doch jedem Zuhörer verständlichen, das Gemüth tief ergreifenden Musik erleichterte.

Manchem Kunstfreunde mag dieser Genuß durch Mittheilung des Manuscripts früher schon zu Theil geworden seyn; aber nicht jeder wird Gelegenheit gehabt haben, dieses Kunstwerk mit solcher großartigen Wirkung zu hören, wie sie heute dessen gelungene Aufführung hervorbrachte. Mit Kraftfülle und mit Feuer wurden die Chöre, vorzüglich das Schlußchor zu den Worten: „Denn Dein ist das Reich, und die Macht und die Herrlichkeit“ ausgeführt, und mit Zartheit und Ausdruck wurden sowohl die einzelnen als auch die mehrstimmigen Solo- und Chor-Sätze von den Sängern und der begleitenden Musik vorgetragen. Ganz eigenthümlich hat der Componist die vom Dichter wörtlich beibehaltenen Worte der sieben Bitten des Gebetes, deren jede sich an die darauf Bezug habende Stelle des Klopstockschen Gedichts anschließt, behandelt. Sie werden zuerst von dem zweiten Chor im Styl der alten Kirchenhymnen, bloß mit Begleitung der Bässe vorgetragen. Beim Eintritt des ersten Chors, der die Worte der Bitten nur im unisono singt, wird die Begleitung durch Blase-Instrumente verstärkt, und an den zweiten Chor und dessen Schluß schließen sich die Solo-Stimmen ohne alle Begleitung an. So schwierig auch der Gesang des zweiten Chores ist, indem der Componist durch die Folge der ausweichendsten Accorde seine tiefe Kenntniß der Harmonie dargelegt hat, so wurden diese Schwierigkeiten doch von dem Personale dieses Chores glücklich überwunden, und dem Ganzen zuletzt von den 4 Solo-Stimmen die Krone aufgesetzt, indem diese die jedesmalige Bitte, in einer eben so schwierigen Harmonienfolge, wiederholten und leise verhallen ließen.

Außer diesen sind nur noch zwei vollständige Chöre in dieser Musik enthalten, nämlich zu den Anfangs- und Schlußworten des Textes: Um Erden wandeln Monde, und Anbetung dir! Die übrigen Textesworte sind als Solo-Sätze behandelt, theils für die einzelne Sopran-, Tenor- und Baß-Stimme mit begleitendem und kraftvoll einfallendem Chor, um den Inhalt der Worte hie und da zu verstärken; theils als Terzett für Sopran, Alt, Tenor auf die Worte: Wohl ihnen, daß nicht sie, theils als Quartett für alle 4 Stimmen zu den Worten: Gesonderte Pfade gehen zum hohen Ziel. Jedes dieser einzelnen Gesangstücke hat seine großen Schwierigkeiten, dennoch aber war der Vortrag dieser und überhaupt der meisten Sätze in diesem Gesangstücke musterhaft.

Schon vor vier Jahren hatte Fräulein Kaiser aus Magdeburg durch schöne Stimme und durch gefühlvollen Vortrag in dem Weltgericht von Schneider und andern bei dieser Gelegenheit aufgeführten Singestücken hier die Bewunderung aller Zuhörer erregt. Ein großer Theil derselben war heute wieder gegenwärtig, bei ihm erweckte ihr schöner Gesang die Erinnerung an den frühern Genuß desselben und gewährte so ein doppeltes Vergnügen; alle Zuhörer aber wurden auch heute wieder von dieser Zauberstimme entzückt.

Sie hatte in diesem Musikstücke auch die zwei Arien für den Sopran übernommen, und wer unter allen den tausend Zuhörern fühlte sich nicht durch den schmelzenden Vortrag ihrer hinreißenden Stimme emporgehoben, als ihr schöner Gesang gleich bei den Worten der ersten Arie: Er, der Hocherhabene, anfangs leise mit frommer Demuth eintrat, dann aber von ziemendem Selbstgefühl der eigenen Kraft gehoben, immer lauter und kühner sich emporschwang, so daß, selbst wenn der Chor, durch die Sängerin zu dem Gedanken: Er, der Hocherhabene machte den kühnen Entwurf zu der Seligkeit Aller, gleichsam erdreistet, mit den Worten: der Hocherhabene, einfiel, ihre Silberstimme doch immer den hundertstimmigen Chor übertönte. Und welcher gefühlvolle Zuhörer hätte sich nicht durch diese holde Sängerin zu frommem Vertrauen gestärkt gefühlt, als sie mit ihrer süß schmelzenden Stimme das von dem Componisten so zart empfundene und gedachte Pastorale sang: Er hebt mit dem Halme die Aehr’ empor? Wer nicht mit ihr erbebt bei den Worten: Aber sein Donner rollet daher? dessen allmähliges Verhalten durch das dumpfe Murmeln der Pauken der am Schlusse der unmittelbar einfallenden Bitte: Unser täglich Brot gieb uns heute, so schön ausgedrückt war.

Doch es würde zu weit führen, alle Schönheiten dieses vortrefflichen Kunstwerkes hier entwickeln und zeigen zu wollen, wie richtig und tief sie die Sänger aufgefaßt und empfunden hatten, und wie kräftig und wahr sie dieselben auch wiedergaben. Nur des Terzettes muß noch gedacht werden, in welchem neben dem Fräulein Kaiser zugleich die Frau Bibliothekar Müller und Herr Justizrath Pechmann auftraten. Letzterer hatte schon in der ersten Arie, von ihm mit seiner schönen männlich kräftigen Tenorstimme vorgetragen, alle Zuhörer zu dem, was ihnen zu hören bevorstand, vorbereitet, und sie zu dem erhabenen Gedanken emporgehoben, daß alle Geister, die auf allen diesen Welten wohnen, ungleich an Kräften und an Leibern, dennoch alle Gott danken und Gottes sich freuen; allein die Frau Müller hörte man heute mit ihrer melancholisch süßen Altstimme in diesem Terzett zuerst. Dieses Terzett, mit so innig frommer Salbung geschrieben, und von diesen 3 Stimmen vorgetragen, konnte mit Recht wohl ein Gesang genannt werden, der von den Bothen der Gottheit, den Cherubim und Seraphim angestimmt, aus den ätherischen Regionen den Bewohnern der irdischen Welt zum Trost herüberschallte, wenn jene sangen: Wohl ihnen, daß nicht sie, daß er ihr Jetziges und ihr Zukünftiges ordnete &c., so daß diese dann mit frohem Muthe in den Chor einfallen konnten: Und wohl auch uns! Ein Gesang, der das gefühlvolle Gemüth tief ergreifen und bis zu Thränen rühren mußte.

Einen eben so schönen Eindruck machte das malerische Quartett: Gesonderte Pfade gehen zum hohen Ziel &c., in welchem zu jenen drei Metall-Stimmen der sonore und weiche Baß des Herrn Oberlehrers Happich hinzutrat, der bei einer nicht gewöhnlichen Tiefe und Fülle, besonders als Fundamental-Stimme im vierstimmigen Gesange von bedeutender Wirkung ist.

Die im zweiten Theile folgende Tondichtung, die Cantate von Fr. Schneider, wenn gleich in einem andern Style geschrieben, wurde von den Sängern und dem Orchester ebenfalls musterhaft ausgeführt und von den versammelten Zuhörern mit ungetheiltem Beifall aufgenommen.

Herr Schneider war, wie schon oben bemerkt worden, nicht gegenwärtig. Er konnte deshalb nicht selbst wahrnehmen, welche herrliche Wirkung auch dieses Gebilde seiner Kunst hervorbrachte, und wie Künstler, Solosänger und Chöre sich beeiferten, etwas Vollkommenes zu liefern.

Außer Fräulein Kaiser und Frau Müller hatten Herr Franke aus BründelIm Programm als Candidat bezeichnet. Als Tenor-Dilettant war er auch 1823 an der Konzertreihe in Dessau beteiligt (als Interpret der Szene und Arie des Max aus dem Freischütz); vgl. AmZ, Jg. 26, Nr. 6 (5. Februar 1824), Sp. 90. und Herr Reichardt aus Berlin die Solo-Parthien übernommen, jener die Tenor-, dieser die Baßstimme.

Ergreifend wurde das Chor: Machet die Thore weit &c. ausgeführt, und die jubelnde Freude, welche dieser so allgemein ansprechende Satz ausdrückt, war auf dem Gesichte jedes Zuhörers wieder zu lesen.

Fast noch tiefer aber war der Eindruck, welchen das schöne Terzett: Herr, bleibe bei uns &c. auf die versammelte Menge machte und wunder-lieblich und wahr wurden die bittenden Anfangsworte von der für diese Art des Gesanges so ganz geschaffenen Sopranstimme vorgetragen.

Händel’s unübertroffener Messias, dessen dritter Theil den Beschluß des heutigen Musikfestes machte, wurde durch die vorhergegangenen Meisterwerke großer Tonsetzer nicht verdunkelt. Wie ein hoher Fels-Koloß im Hochgebirge steht er vereinzelt da, in einfacher Würde und Hoheit. Sein erhabener Styl verträgt keine kleinliche Verschnörkelung, keine künstliche Verzierung, keine rasche Bewegung, wenn er volle Wirkung thun soll.

Höchst einfach und ganz im Geiste der Composition wurde von Signora Funk, welche gestern mit so vieler Kunst gesungen hatte, heute die schöne Arie: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt,“ vorgetragen, und wer wäre in dieser Zuversicht nicht durch ihren seelenvollen Vortrag gestärkt worden!

Mit richtigem Gefühl, vieler Kraft und Kunstfertigkeit sang Herr Reichardt aus Berlin das durch die Musik so schön gegebene Recitativ: Merkt auf! ich sag’ ein geheimes Wort &c. und die eben so vortreffliche Baß-Arie: Sie schallt, die Posaun &c. und wir freuen uns noch jetzt, daß er diesen Genuß, welcher uns durch Verspätung seiner Reise beinahe entzogen wäre, mit so vieler Bereitwilligkeit uns noch gewährte.

Allgemein erfreute das unmittelbar darauf folgende Recitativ: Dann wird erfüllt das Wort des Wahrhaftigen &c., welches von der metallreichen Alt-Stimme der Frau Bibliothekar Müller mit ahnungsvoller Begeisterung vorgetragen wurde. Dieses Recitativ, so kurz es auch ist, drang tief zum Herzen und leitete über zu dem bloß von Bratschen und Violoncells begleiteten Wechselgesang in dem Alt- und Tenor-Duett: Der Tod ist verschlungen durch den Sieg &c., welches von Frau Müller und Herrn Pechmann mit Kraft und Präcision gesungen wurde. Beide Sänger verstanden es, mit ihren schönen Stimmen, einem seltenen Geschenke der Natur, sich wechselseitig zu unterstützen. So einfach Melodie und Begleitung von Händel vorgeschrieben sind, so mächtigen Eindruck machen sie doch auf das Herz des Zuhörers, wenn die Worte von solchen Stimmen, mit solchem Gefühl gesungen und die begleitenden Instrumente mit solcher Zartheit, wie hier geschah, behandelt werden.

Von der größten Wirkung war endlich das bekannte Schlußchor, das Halleluja, welches aus dem 2. Theile des Messias dem Amen substituirt war. Durch die Massen der Töne, bald in einfacher Klarheit, bald in den kühnsten Accorden zusammengedrängt, durch die Steigerung in der Musik, mit welcher der Chor das Wort: Halleluja in immer stärker werdenden Harmonien wiederholt, wird der Zuhörer der Erde entrückt. Mit beklommener Brust glaubte er schon, zur Versammlung der Seligen gelangt zu seyn, ihre Lobgesänge des Weltenschöpfers, das Halleluja der himmlischen Chöre zu hören. Mit unwiderstehlicher Gewalt reißt die Steigerung der Tonmassen gegen den Schluß dieses Satzes den Lenker der Musik zum raschen Forteilen hin, und wenn auch Händel nicht durch eine Ueberschrift diese schnellere Bewegung angedeutet hat; so hat er doch durch die überschwengliche Fülle und durch die gegen das Ende des Satzes immer steigende Kraft und Gewalt, welche er in die einfachsten Harmonien zu legen wußte, offenbar gezeigt, daß er die Wirkung des am Schlusse eines so kräftigen Satzes, als sein unübertroffenes Halleluja ist, mit niederdonnernder Kraft beschleunigten Tempo’s beabsichtigte, wenigstens ahnete. In diesem Satze zeigte sich die wahre Macht der Töne, jeder andere Eindruck derselben schien verwischt zu seyn, und alle Zuhörer, innig bewegt und ergriffen von der Fülle und Kraft dieser großartigen Composition, waren einstimmig der Meinung, daß die musikalische Feier nicht würdiger als mit ihr geschlossen werden konnte.

Nach dieser herrlichen musikalischen Feier verließen die Zuhörer, deren Anzahl sich beinahe auf zwei Tausend belaufen mochte , die Hallen der Kirche, und vertheilten sich theils in der Stadt, theils vereinigten sie sich mit den Künstlern zu einem auf dem Schlosse bereiteten Mittagsmahl. Bei demselben herrschte die lebhafteste, fröhlichste Unterhaltung, welche nur einige Male durch die Trinksprüche, die der Herr Landrath Weyhe im Namen des Vereins für Klopstock’s Denkmal, ausbrachte, unterbrochen wurde. Wir theilen selbige auf den Wunsch mehrerer Anwesenden so mit, wie sie gesprochen und bald nachher aufgezeichnet wurden. Der erste Toast, dem Andenken Klopstock’s gewidmet, war folgender:

„Wir haben uns hier, in Klopstock’s Vaterstadt, versammelt, um uns mit dankbarem Herzen des Tages zu erinnern und zu freuen, an welchem der unvergeßliche Sänger seine irdische Laufbahn begann. Am 2. Julius 1724, in der Mittagsstunde, ward er am Fuße dieser ehrwürdigen Kaiserburg geboren und heute, nach dem Ablauf eines Jahrhunderts, in derselben Stunde, in welcher er das Licht der Welt erblickte, tönte in den Hallen der Kirche, in denen er getauft ward, Händels herrliches Halleluja, ein Jubellaut des Dankes zum Himmel, empor. Und Er verdiente es, daß wir sein segenreiches Daseyn als ein köstliches Geschenk der Gottheit anerkennen und ehren. Von den edelsten und heiligsten Gefühlen durchdrungen, feierte er in unsterblichen Gesängen den göttlichen Stifter unserer Religion und was nur ein menschliches Herz rühren und erheben kann, sang er in unübertroffenen Oden. Die vaterländische Sprache, um welche sich seit Luther kein Deutscher ein größeres Verdienst erworben, stellte er in ihrer ursprünglichen Reinheit wieder her und gab ihr Schwung und Kraft, um seine erhabenen Gedanken auszudrücken. Wie er mit inniger Liebe an seinem Vaterlande hing, hängt auch sein Vaterland an ihm, und seine Gesänge leben fort im Munde und im Herzen des Volkes, für welches er gelebt und gewirkt hat.

Sie Alle haben das Andenken dieses edeln und großen Mannes durch die höchsten Leistungen Ihrer Kunst oder durch eine innige und herzliche Theilnahme würdig gefeiert – die schönste Feier bereiten wir ihm aber dadurch, daß wir seine fromme, hochherzige, ächt vaterländische Gesinnung in unser Gemüth aufnehmen, sie auf unsere Kinder und Enkel fortpflanzen, und ihm so die irdische Unsterblichkeit sichern, welche er als den höchsten Lohn seines großen Wirkens begehrte. Klopstock’s Andenken sey uns gesegnet! Sein Name lebe hoch!“

Es ist schwer zu beschreiben, mit welchem Enthusiasmus dieser Trinkspruch von der Versammlung aufgenommen wurde, wie die Erinnerung an den Mann, dem die Feier des Tages gewidmet war, jedes Gespräch belebte, jeden Blick beseelte.

Die übrigen Toast’s waren den Künstlern und Künstlerinnen, welche diesen Tag und den vorhergehenden verherrlicht hatten, gewidmet. Sie wurden von demselben Sprecher in folgender Ordnung ausgebracht:

Von allen Trefflichen, die da kamen, Nenn’ ich jetzt dankbar den größten Namen, Und nennt’ ich ihn nicht, doch kennet ihr ihn, Der Kranz seines Ruhmes wird ewig blühn!

Noch ehe der Name des großen Künstlers, dem dieser Trinkspruch galt, von dem Sprecher genannt wurde, erscholl einstimmig von allen Zungen:

Carl Maria von Weber lebe hoch!

Dieses Hoch tönte in musikalischen Accorden, mit mehrfachen Ausweichungen, noch lange durch den Saal.

Als bald darauf wieder das Zeichen zur Stille gegeben wurde, brachte der Redner folgenden Trinkspruch aus: Die unser heut’ges Fest verschönten, Deren Gesänge so hold ertönten, Sprech’ ich ihre Namen aus? Soll Jubel schallen durch dies Haus? O nein! ich kenne der Frauen Sinn, Nicht lauter Ruhm ist ihr Gewinn, Sie wollen in dankbaren Herzen leben, Nicht tönend von Mund zu Munde schweben!

Innigen Dank den trefflichen Sängerinnen, die uns durch ihren Solo-Gesang entzückt haben!

Auch dieser Toast fand bei der Versammlung, in deren Ohr die herrlichen Stimmen des gestrigen und heutigen Tages noch forttönten, die freundlichste Aufnahme. Der folgende Trinkspruch, eben so lebhaft empfunden, als vorgetragen, galt den belobten Meistern der Flöte, der Violine und der Clarinette, Fürstenau aus Dresden, Müller aus Braunschweig, Hermstedt aus Sondershausen, und der letzte Toast den Musikdirectoren Bischoff und Rose, welche den Verein bei der Vorbereitung und Anordnung dieses Musikfestes unterstützt hatten, und allen Mitgliedern des Orchesters, denen der Redner im Namen des Vereins für ihre so gelungenen Leistungen den herzlichsten Dank bezeigte und ihnen noch viele glückliche Jahre und alle die Freuden wünschte, welche aus dem reichen Boden der Kunst für jeden, der ihn zu pflegen weiß, emporblühen!

So endete dieses Mittagsmahl in der heitersten, festlichsten Stimmung; überall herrschte bei dem regsten Frohsinn der Anstand, welcher nirgends fehlt, wo wahre Künstler und Kunstfreunde versammelt sind.

Der Abend dieses Festtages war, wie der vorige, dem Volksvergnügen bestimmt. Eine Abendmusik versammelte Fremde und Einheimische in dem Brühl, einem Lustwäldchen auf der Mittagsseite des Schlosses und von diesem durch den vormals Abteylichen, jetzt Königlichen Garten getrennt.

Hier wurde auch auf der flachen Ebene eine künstliche, von Wassergräben umgebene Erhöhung, die Insel, gebildet, deren höchster Theil, ein länglichter, vierseitiger Platz, mit Pyramiden-Pappeln, gleichwie mit lebenden Säulen, umschlossen ist, über welche sich der blaue Himmel wölbt und deren Zwischenräume eine reizende Aussicht nach dem benachbarten Harzgebirge öffnen. In diesem schönen Tempel der Natur soll Klopstock’s Denkmal errichtet werden.

Während des Frühlings und Sommers werden hier in jeder Woche ein auch zwei Mal des Nachmittags Harmonie-Musiken durch den Stadtmusikus Herrn Rose aufgeführt.

Am Abend des Geburtsfestes Klopstock’s wurde nicht nur, wie gewöhnlich, auf dem runden Platze in der Mitte des Brühls eine große Harmonie-Musik von Herrn Rose aufgeführt, sondern dasselbe geschah auch auf dem vierseitigen Platz der großen Insel durch das aus 19 Trompetern zusammengesetzte Musikchor des hier und in Halberstadt stehenden siebenten Cürassier-Regiments, welches der Herr Oberst von KoschenbahrPr. Lt. von Koschenbahr vom 7. Cür. Regt. schied mit dem 8. Januar 1834 als Rittmeister aus dem Militärdienst aus; vgl. Militair-Wochenblatt, Berlin, Jg. 19, Nr. 918 (25. Januar 1834), S. 5081. mit zuvorkommender Gefälligkeit hierher gesandt hatte.

Nach beendigter Brühlmusik wurde von den Musikern des genannten Regiments dem Capellmeister von Weber noch eine Abendmusik vor seiner Wohnung gebracht. Durch diese unvermuthete Ehrenbezeugung schien der bescheidene Künstler angenehm überrascht zu seyn. Er versprach, für die Regimentsmusik einen Marsch zu componiren und soll dieses Versprechen durch Uebersendung mehrerer schönen Märsche bereits erfüllt habenEntsprechende Kompositionen Webers sind nicht bekannt..

Nachfeier am 3. Juli 1824.

Die eigentliche Säcularfeier war mit dem 2. Julius beendigt; da indessen mehrere der ausgezeichnetsten Tonkünstler, Sänger und Sängerinnen noch am 3. Julius hier verweilten, so beschloß man eine musikalische Nachfeier zu veranstalten, in welcher jene das Publikum durch ihr Solospiel und ihren Sologesang noch einmal erfreuen konnten.

Zu dem Ende wurde an gedachtem Tage, Vormittags von 10 bis 12 Uhr ein Concert im Schauspielhause gegeben .

Die erste der beiden Abtheilungen begann mit der schönen Ouvertüre aus Cdur von C. van Beethoven, welche mit Präcision, Kraft und Feuer vorgetragen wurde. Ihr folgte eine Scene und Arie aus der Oper: der Barbier von Sevilla, mit italienischem Text von Rossini, welche, wenn auch ohne besondern musikalischen Gehalt, der Sängerin Signora Funk doch Gelegenheit gab, noch einmal ihre große Kunstfertigkeit und den seltenen Umfang ihrer schönen und gebildeten Stimme bewundern zu lassen. Mit der größten Leichtigkeit sang sie die vielen, mitunter sehr schwierigen Verzierungen dieser Parthie und, gehoben von gefälligen Melodien, welche Rossini zum Liebling des großen Publikums machen, mußte dieselbe ihr auch heute den rauschendsten Dank aller Anwesenden bringen.

Von gediegenerm Kunstwerthe war die hierauf folgende Composition, das Concert aus Cmoll für Clarinette von L. Spohr, vorgetragen von Herrn Kapellmeister Hermstedt aus Sondershausen. Componist und Spieler zeigten sich in diesem Meisterwerke in gleicher Größe, der eine des andern wahrhaft würdig. In einem Grave, Allegro, Adagio und Rondo allegretto entfaltet der Componist einen Reichthum tief empfundener Harmonien, welche in einem edlen Style zu einem Ganzen, wie aus einem Gusse, verbunden, das Gemüth des Zuhörers bald mit der größten Bewunderung erfüllen, bald mit der innigsten Rührung ergreifen, überall aber die Genialität des Tonsetzers beurkunden, welche, den Tand und Flitter der heutigen Mode-Musik verschmähend, ihren eigenen Weg verfolgt und ihn unstreitig zu den vorzüglichsten Componisten erhebt.

Dieses Concert gewährt dem Virtuosen, welcher es vorträgt, Gelegenheit, die darin liegende Tiefe eines gefühlvollen Gemüths darzulegen, aber auch durch Ueberwindung der größten Schwierigkeiten seine außerordentliche Kunstfertigkeit zu zeigen, und nur einem Hermstedt, für welchen dasselbe besonders geschrieben seyn soll, konnte es gelingen, allen in diesen Hinsichten vom Componisten gemachten Ansprüchen vollkommen zu genügen. Mit sichtbarer Liebe, mit einer Fertigkeit, welche die Ueberzeugung gewährt, daß dieser Künstler in der Ausbildung seines schon lange für vollendet gehaltenen Spiels immer noch fortschreitet, trug er das Meisterwerk vor. Wie immer zeichneten auch dieses Mal ein Ton, welchen diesem Instrumente zu entlocken vor ihm noch Keiner für möglich hielt, ein strenges Studium der Composition, eine Fertigkeit, die unglaubliche Schwierigkeiten überwindet, und ein seelenvoller Vortrag sein Spiel aus. Diese Eigenschaften sichern ihm seinen Platz unter den trefflichsten Virtuosen und erwarben ihm auch hier aufs Neue den wohlverdienten, so herzlichen als lauten Dank aller Zuhörer.

Die zweite Abtheilung des heutigen Concerts wurde mit einem Quartett für 2 Violinen, Bratsche und Violoncell von Bernh. Romberg, eine der neuesten Compositionen dieses genialen Künstlers, eröffnet. Jede gute Quartett-Musik ist für Kenner und Liebhaber anziehend, sie wird aber zum höchsten Genusse, wenn sie so, wie diese, von vier ausgezeichneten Künstlern, den drei Herren Gebrüdern Müller aus Braunschweig, und Herrn Bartel aus Sondershausen, ausgeführt wird. Jeder wußte sein Instrument mit der nöthigen Kraft und Diskretion zu behandeln und einstimmig wurde dieses Quartett zu den ausgezeichnetsten Leistungen der ganzen musikalischen Feier gezählt. Herr Kammermusikus Theodor Müller bewährte sich als einen recht tüchtigen Solospieler, dessen Instrument, das Violoncell, von dem Componisten, wie sich schon erwarten läßt, gehörig bedacht war. Schade, daß Herr Kammermusikus Gustav Müller aus Braunschweig dem Musikfeste nicht beiwohnen konnte. Das Quartett wäre dann unstreitig (er spielt dabei gewöhnlich Bratsche) von vier Brüdern, einer seltenen musikalischen Familie, vorgetragen worden.

Eine höchst erfreuliche Abwechslung gewährte der auf dieses Quartett folgende Gesang für vier Männerstimmen, eine Art der Musik, welche noch nicht sehr lange in das Reich der Töne eingeführt, wegen Bequemlichkeit ihrer Anwendung jetzt so allgemein beliebt und in der That sehr erhebend ist.

Es waren zwei von den vortrefflichen Liedern unsers C. M. von Weber und ein Lied von Conradin Kreutzer sehr passend gewählt; sie wurden von dem Herrn Justizrath Pechmann, den Herren Musikdirectoren Wachsmann und Rose und Herrn Oberlehrer Happich mit Gefühl, Ausdruck und Uebereinstimmung vorgetragen und von der ganzen Versammlung mit der lebhaftesten Freude und lautem, wiederholtem Danke aufgenommen.

Wie in der ersten Abtheilung des Concerts Signora Funk noch einmal vor dem Scheiden durch ihren kunstreichen Gesang alle Zuhörer erfreut hatte, so ergötzte zum Schluß der zweiten Abtheilung nochmals Herr Fürstenau durch das einschmeichelnde Spiel seiner Zauber-Flöte. Variationen von seiner eigenen Composition über die Melodie: O cara memoria etc. zeigten noch einmal alle die Schönheiten seines herrlichen Vortrags, und übertrafen die durch sein meisterhaftes Spiel am ersten Tage des Musikfestes so hoch gespannten Erwartungen. Mit sanften Flötentönen nahm Herr Fürstenau Abschied; ihm antwortete lauter Dank der Versammlung, welche ihn und alle die lieben Gäste mit den herzlichsten Wünschen in ihre Heimath begleitete.

So ward der hundertjährige Geburtstag des Sängers der Messiade feierlich und freudig begangen und mit Recht konnte der Verein, als er am Abend des 3. Julius von dem trefflichen Weber nicht ohne Rührung Abschied nahm, und ihm den innigsten Dank für seine Mitwirkung darbrachte, sich des gelungenen Erfolgs seiner Bemühungen freuen.