## Title: Rezension: “Sechs Lieder mit Begleitung des Pianoforte”, op. 80 von Carl Maria von Weber, Verlag A. M. Schlesinger ## Author: ...e. ## Version: 4.13.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A033501 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ II. #lb#Recensionen.Sechs Lieder mit Begleitung des Pianoforte, in Musik gesetzt von Karl Maria von Weber. Berlin bei Schlesinger. Op. 80. 18tes Liederheft.Beim ersten Anblicke dieser Neuigkeit treten uns mehre Einzelnheiten so günstig entgegen, daß wir wohl nicht verlegen sein dürften, uns zu rechfertigen, wenn wir dieselbe durch die allgemeinen Benennungen: ansprechend, launig u. s. w., unsern Lesern zu empfehlen suchten. Solches Benehmen würde jedoch nur eine Autorität in sich schließen, und es dürfte wohl zu bezweifeln sein, ob diese Autorität die Kraft derjenigen erreichte, welche der Name des Komponisten selbst auferlegt; wir ziehn es daher vor zu versuchen, ob wir dem Musik-Freunde die Momente näher anzudeuten vermögen, welche den Werth dieser Lieder bestimmen, und setzen uns vor, dabei sowohl das in's Auge zu fassen, was der Komponist bei dieser Arbeit beabsichtigt haben kann, als das, was er uns wirklich erreicht zu haben scheint. No. 1. Lied von Klotilde. Der Dichter stellt in dem ersten Verse das Bild der Mutter auf, welche den Schmerz des Kindes in der Wiege ducht Zureden beschwichtigt, und es auf den Schlaf verweist. Diesem vergleicht er im zweiten Verse die Vernunft im Verhältnisse zu thörichten Wünschen, und im dritten die himmlische Liebe, welche dem Wandrer den seeligen Schlaf als heilendes Ziel irdischer Schmerzens-Bahn anpreist. Der Komponist hat für sämmtliche Verse nur eine Melodie gegeben. Im Allgemeinen läßt sich dagegen nichts erinnern. Wenn der Dichter einen einfachen Gedanken in mehren Bildern oder nach seinen verschiedenen Seiten hin entwickelt und auf diese Weise ein Gedicht produzirt, das aus größeren Theilen besteht, so kann der Komponist bei der Bearbeitung solches Gedichts entweder so verfahren, daß er die Kette der Bilder festhält und die Theile der Komposition mit denen des Gedichts übereinstimmen läßt, oder so, daß er sich in den Grundgedanken vertieft, und diesen allein zu seinem vollen Werthe erhebt. Im letzten Falle wird natürlich, wenn das Gedicht ein Lied ist, die Melodie eines Verses auf alle passen müssen, und das Verdienst der Musik wird dann darin bestehn, daß sie den Grund-Ton des Gedichts, der dem Ganzen die Farbe ertheilt, in dem Gefühl des Hörens anrege, und den Worten des Gedichts überlasse, die feineren Nüancen hervorzubringen. Unerläßlich erscheint hiernach wenigstens, daß der Komponist im Augenblicke der Schöpfung den Sinn des ganzen Gedichts gegenwärtig habe, nicht den eines einzelnen Theiles, wie z. B. des ersten Verses allein. Auf solche Weise ist der Verfasser des vorliegenden Kunstwerks jedoch wol nicht verfahren. Wir finden die Melodie dem ersten Verse ganz anpassend, aber auch nur diesem, so daß selbst nicht die Beziehung hervortritt, welche der Dichter in dem darin aufgestellten Bilde der tröstenden Mutter offenbar schon auf die geistigeren Verhältnisse genommen hat, die in den folgenden Versen aufgedeckt werden. Es ist das bloß natürliche Verhältniß festgehalten, und dem Hörer nahe gebracht: allerdings ist aber auch solches Verhältniß lieblich genug, um sich geltend zu machen, und das Gefühl in gewissem Sinne zu befriedigen. In technischer Hinsicht ist uns eine kleine Malerei in der Stimme bei dem Wort Wiege | aufgefallen, die wir in die Begleitung gewünscht hätten, besonders, da sie in der Wiederholung des Satzes gar nicht paßt; auch hören wir in dem „sei still“ nicht die liebende Mutter, sondern die verdrüßliche Wärterin; dagegen finden wir den Kulminationspunkt bei den Worten „weine nicht“ glücklich gewählt und die kleine Septime hier in der Begleitung angemessen. No. 2. Sehnsucht. Nämlich nach der Zeit und dem Orte, wo der Heiland wandelte, nach seiner Person; – dann Trost den seine Lehre giebt, Gegenwart im Traume, Hoffnung auf einstigen Anblick. Für dieses, in 5 Versen ausgesprochene Gedicht Melodie von Einem Verse in Es dur im Stil, der an den Choral erinnert, scheint uns, wie No. 1 mehr aus der Anschauung des 1sten Verses hervorgegangen, wiewohl dies hier nicht so grell, als dort hervortritt. Obgleich aber in allen Versen der höchste Ausdruck auf die beiden letzten Zeilen gelegt ist, wird dies doch in der Musik nicht markirt, und dürfte dadurch vielleicht die anscheinende Mattigkeit des Gedankens in Gedicht und Komposition noch mehr hervortreten. – No. 3. Elfenlied von Kannegießer. Obgleich der Sinn des Gedichtes nicht ganz klar ist, so scheint im Allgemeinen doch der Gegenstand die mitternächtliche Jagd eines Jemand nach einer Elfe auf der Haide zu sein. In 3 Versen mit Melodie, die sich bei jedem wiederholt, doch nicht wie bei No. 1 und 2 einseitig, sondern frei behandelt und mit Rücksicht auf das Ganze. In der Begleitung klingt uns das rastlose Eilen durch Gestripp als hierher passend entgegen; in der Singstimme finden wir die Bitte an den neckischen Geist, zu stehn, durch die geschlieffnen 8 Achtel Noten lieblich und lebendig ausgedrückt, und es scheint nicht ganz unangemessen, daß diese Noten auch außerdem angewandt sind, wo ein andrer Sinn zunächst hervortritt, da dies eilende strebende Suchen doch den Grund-Charakter ausmacht; dagegen wird die Mitternacht in den Molltönen uns fast zu schauerlich angekündigt. No. 4. Schmerz vom Gr. v. Blankensee. – Anruf des Dichters im 1stenVerseanseinHerz, sich zu ermannen, 2ten––seinenGott, sich zu erbarmen, 3ten–––Pfad, sich zu erheben, 4ten–––Geist, ihn nicht zu laßen, 5ten–––Muth, ihn zu umschweben, 6ten–––Schmerz, sich zu neigen. Wir glauben wohl aussprechen zu dürfen daß im Augenblicke der Schöpfung der Dichter uns weder Herz noch Gott, noch Pfad, Geist, Muth oder Schmerz gehabt zu haben scheint; es müßte denn der Schmerz tödtlicher Langeweile gewesen sein. Der Komponist hat dies wohl gemerkt, und versucht, wenigstens die Langeweile, als einen in sich höchst unbefriedigten Zustand auszusprechen und so zu überwinden. No. 5. An Sie. Das heißt, als sie dem treuen Schäfer ein höhnisches Gesicht gemacht hatte und er drohete, bei der Wiederholung sich nach einer Andern umzusehn, die milden Reiz und Grazie besitzen müsse. Der Komponist scheint, die langmüthige Natur des Liebenden besonders festgehalten zu haben, und wünschten wir wohl, daß das Ganze mehr mit der komischen Aufsätzigkeit gewürzt wäre, die die Musik bei den Worten: „mein liebes Liebchen,“ erkennen läßt. No. 6. Der Sänger und der Maler. Der erste freut sich seiner Kunst, da er sein Liebchen malen lassen wollen, und der Maler daran verzweifelt ist, ihre Reize nachzubilden, während ihm selbst der Himmel sein Blau, das Thal die Blumen, das Morgenroth die Schwingen leiht, um seine Braut zu besingen. – Man sieht: die Trauben sind sauer; – der Sänger begnügt sich mit dem, was er auftreiben kann. Der Komponist scheint dies sehr wohl durch eine gewisse Sehnsucht ausgedrückt zu haben, die trotz der Lebendigkeit des Tempo durchblickt und besonders sichtbar wird bei den Worten: „die Sonne leiht mir ihren Strahl.“ Wenn wir nach dieser speziellen Anschauung uns selbst fragen, warum wir nicht ein noch günstigeres Urtheil erhalten | haben, so zeigt sich als Grund wohl die Lauigkeit des Gedankens in sämmtlichen komponirten Gedichten, deren Stoff durchweg Hindeutung auf ein Ziel ist, das erst erreicht werden soll, so daß die Gegenwart unbefriedigt bleibt. Solches Ziel ist im ersten Stücke der selige Schlaf, im zweiten Gegenwart des Heilands, im dritten eigentlich ein Nichts, das aber der Dichter sich etwa als Befreiung von Schmerz gedacht haben mag, im vierten die Elfe, von der man durchaus nicht erfährt, warum der Dichter sie eine süße Fee nennt, im fünften eine Geliebte, die kein höhnisches Gesicht macht, im sechsten anfänglich ein Gemälde von der Geliebten; indem jedoch später der Wunsch nach dem Gemälde aufgegeben wird, spricht der Dichter wirklich aus, was man bei den übrigen Stücken nur auf das bestimmteste erräth: daß es ihm nämlich um sein Ziel gar nicht sehr zu thun ist; und wenn er sich sodann mit dem tröstet, was schon vorher sein war, so zeigt er sich als einen Querulanten, der selbst nicht wußte, was er besaß, und nicht weiß, was er will, also in einer Qualität, in welcher die Verfasser der übrigen Stücke sämmtlich begriffen erscheinen. Wenn wir hierhin nur das ewige Lied der Schwächlinge unserer Zeit wiederfinden, so können wir einer so kräftigen Individualität, wie die des Komponisten, es nicht verargen, daß sie durch dergleichen Sehnsüchteleien und Tröstungen nicht sehr angeregt werden konnte. #lb#... e.