## Title: Der Verkauf von Teilen der Wincklerschen Kunstsammlung durch Friedrich Rochlitz ## Author: Frank Ziegler ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A090166 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Die Kollektion von Gemälden, Zeichnungen und Graphiken, die der Leipziger Kaufmann und Bankier Gottfried Winckler (1731–1795) zusammengetragen hatte, gehörte in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zu den bedeutendsten bürgerlichen Privatsammlungen Mitteldeutschlands. Die Gemälde wurden von Franz Wilhelm Kreuchauf bereits 1768 ausführlich in einem Katalog beschrieben; die Hängung von knapp über 200 Werken (jenem Teil der Kollektion, der im Wincklerschen Gartenhaus untergebracht war) hielt Christian Friedrich Wiegand in acht Aquarellen fest. Die Sammlung enthielt u. a. Werke von Rembrandt, Rubens, Jordaens, Watteau, Boucher, Hackert, Graff, Tiepolo sowie Bellotto und umfasste beim Tod Gottfried Wincklers mehr als 1300 Gemälde, etwa 8000 Zeichnungen sowie mehr als 100.000 Kupferstiche, welche die drei überlebenden Söhne Wincklers erbten: Friedrich Daniel (1760–1809), Gottfried (1763/64–1833) und Christian (1769–1810). Große Teile der Graphiksammlung wurden bald danach in mehreren Auktionen (1802 bis 1810) verkauft. Nach der vollzogenen Teilung der Gemäldesammlung (ca. 1804) veräußerte der jüngste Erbe Christian seinen Anteil spätestens 1805 geschlossen nach Russland. Nach dem Tod von Friedrich Daniel Winckler 1809 fielen dessen Anteile an dem Kunst-Vermögen der Witwe Henriette Winckler zu, die im Jahr darauf Friedrich Rochlitz heiratete. Dieser beschäftigte sich ab mindestens 1812 mit dem Verkauf von großen Teilen der Winckler’schen Zeichnungs-Kollektion, ab mindestens 1815 auch mit jenem der Gemälde. Einen Anstoß dafür, sich von den Gemälden zu trennen, gaben – neben der im Erbvergleich von 1809 getroffenen Festlegung, nach welcher den Kindern der Witwe, Wilhelmine und Georg, 10.000 Taler aus dem Verkauf von Kunstwerken zustünden – möglicherweise auch die traumatischen Erfahrungen, die das Ehepaar Rochlitz 1813 in den Tagen der Völkerschlacht um Leipzig gemacht hatte. Immerhin war, folgt man Friedrich Rochlitz’ autobiographischer Erzählung Tage der Gefahr, während des Beschusses von Leipzig am 18. Oktober eine Granate in das von der Familie bewohnte Haus eingeschlagen und eine Etage über deren Wohnung explodiert. Noch schlimmer traf es laut Rochlitz das Haus in der Katharinenstraße, das Henriette Rochlitz geerbt hatte: „Durch den Erker […] hat eine sechspfündige Kanonenkugel geschlagen und ihn übel zugerichtet. Unmittelbar darüber stehet mein Antheil an der winklerschen Gemäldesammlung aufgestellt; eben nahe an den Fenstern der große, herrliche Rembrand, und manches andere der schönsten Stücke: aber die gute, werthe Bewohnerin des verletzten Zimmers ist mit dem Schrecken davongekommen; das ist mir genug, und, da Kugeln in allen Richtungen eindringen, mithin Gegenstände, wie, zum Theil große Gemälde, an einem Orte ohngefähr eben so sicher und eben so unsicher sind, als am andern, aufgehangen aber nur einzeln verletzt werden können, während sie, partienweise zusammengestellt, auch partienweise zu Grunde gehen würden; ich demnach nichts dafür zu thun weiß: so will ich auch nichts davon wissen, bis ein Ende herbeygeführt ist.“ Am 19. Oktober brach nach Rochlitz’ Mitteilung „ziemlich nahe am Hause meiner Frau, (ach, an meinen Gemälden!)“ ein Feuer aus, konnte aber bald gelöscht werden. Die nachfolgenden Plünderungen und Einquartierungen bedeuteten eine zusätzliche Bedrohung, doch erwähnt Rochlitz lediglich die Verwüstungen in seinem Gartenhaus in Connewitz. Trotzdem könnten die Verlustängste ein zusätzlicher Auslöser für die spätere Entscheidung zur Veräußerung der Gemälde gewesen sein bzw. diese zumindest befördert haben. Rochlitz bat 1815 bezüglich des beabsichtigten Verkaufs von Gemälden auch Weber um Vermittlung, wie dessen Briefe vom 27. August aus München und 11. September aus Prag beweisen, in denen dieser (auf Rochlitz’ Wunsch hin) Sachverständige und Sammler nannte, mit denen er bereits ersten Kontakt aufnahm. Im Brief vom 26. November aus Prag mahnte Weber ein „Verzeichniß“ der Sammlung an, das er ca. Anfang 1816 erhalten haben dürfte, da er im Brief vom (4.–)17. Februar d. J. mitteilte, in Prag bereits mehrere handschriftliche Exemplare verteilt und (zumindest einen) Interessenten gefunden zu haben. Ob Webers Vermittlungsversuche Erfolge zeitigten, lässt sich derzeit nicht belegen, die von ihm genannten Kontaktpersonen sind bislang weder als Nachbesitzer noch als Vermittler von ehemaligen Winckler-Bildern namhaft geworden. Die Verkaufsabsichten wurden erst 1819 in größerem Umfang realisiert: Ein 172 Ölgemälde umfassender gedruckter Katalog zur geplanten Auktion im Oktober 1819, ausgegeben in der Leipziger Buchhandlung Köhler, ist erstmals am 14. Juli d. J. nachweisbar. Heute ist die ehemals Wincklersche Sammlung in alle Winde zerstreut; in Leipzig sind noch weniger als 40 Bilder zu finden, darunter 27 der einst über 70 Gemälde, die von dem kunstsinnigen Kaufmann Maximilian Speck von Sternburg erworben wurden (innerhalb der Maximilian Speck von Sternburg Stiftung im Museum der bildenden Künste).