Aufführungsbesprechung Mannheim: „Die beschämte Eifersucht“ von Johanna von Weissenthurn und „Wallensteins Lager“ von Friedrich von Schiller am 24. Juli 1811 in Mannheim

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Hof- und National-Theater in Mannheim.

Mittwochs, den 24. Juli: Die beschämte Eifersucht*, Original-Lustspiel in zwey Aufzügen, von Johanna Weissenthurn. Hierauf: Wallenstein’s Lager*, in einem Aufzuge von Schiller.

Das niedliche Lustspiel wurde heute im Ganzen recht gut gegeben, und das Publikum nahm lebhaften Antheil daran. Die Idee des Stücks ist in der That artig, nur hat Frau v. Weissenthurn die Sache in der Ausführung zu sehr gedehnt, welche füglich in Einem Akte hätte gefaßt seyn können; ein Fehler, der so mancher lieblichen Produktion schadet, und den Schriftsteller nicht genug beherzigen können. Der Dialog ist oft etwas holperig und entwickelt sich nicht leicht genug aus sich selbst; es gibt nicht immer – sprichwörtlich zu reden – ein Wort das andere; auch ist die Sprache nicht immer gut auf die Situation berechnet, z. B. in der Szene zwischen Marie und ihrem Bruder im Gartenhause*; und es entstehen daraus oft die fühlbarsten Lücken und unwillkürliche Hemmungen im Spiele des Schauspielers. Uebrigens wäre zu wünschen, das Talent der Frau v. Weissenthurn bewegte sich immer nur in dieser ihr angemessenern Sphäre kleiner Intriguenstücke! –

Mlle. Demmer als Marie gefiel in ihrer sonst weniger bedeutenden Role durch graziöse Anmuth; Mlle. Müller* in der schwierigern Role der Julie bewies uns heute – wiewohl noch vieles zu wünschen übrig blieb – daß diese Art Rolen ihrem Talente, von welchem sich allerdings in der Zukunft etwas erwarten läßt, am meisten zusagen. Möge sie das selbst erkennen, und in diesem Fache ihrer Ausbildung nachstreben; vielerley Spielen schadet dem angehenden Schauspieler, vertheilt die Kräfte nach allen Richtungen, und endigt gewöhnlich mit einem Stümper in Allem. Ihrer Leichtigkeit fehlte es oft noch an Ungezwungenheit, Anstand und Grazie. In der Szene, wo sie ihren Bruder erkennt*, fiel sie demselben zu schnell und unvorbereitet um den Hals; sie vergaß durchaus die stufenweis steigende Gewißheit, daß es wirklich ihr Bruder sey, in ihrem Spiele auszudrücken. Auch in der letzten Szene schien uns (wir haben das Stück nicht vor uns liegen) ein Irrthum in ihrer Role vorzufallen; sie rief ihren Bräutigam Baron Walling zu früh zurück.

Herr Eßlair und Herr Kaibel als Graf Solm und Baron Walling spielten mit recht viel Leben, und gaben die Szene im Gartenhaus* rasch und feurig; an Hrn. Kaibel mißfiel uns seine heftige und ins gemeine fallende Bewegung der Arme. Daß Graf Solm in der Szene, wo sie hinter der Thüre dessen Frau und den Grafen Werthen belauschen*, mit Heftigkeit hervorbrechen will, und von Baron Walling zurückgehalten wird, ist recht gut, nur wiederholten sie es zu oft.

Herrn Mayers scherzender Ton als Graf Werthen entbehrte jener edlen Haltung, welche immer, auch in den gewöhnlichen Lustspielen, die Bühne von dem täglichen Gesellschaftston unterscheiden muß; er war zu ungenirt; auch müssen wir einen Provinzialismus, den er sich in der Sprache zu Schulden kommen ließ, um so mehr rügen, als man auf unsrer Bühne überhaupt zu dergleichen sehr geneigt ist; er sagt nämlich, als er von Baron Walling das Bild seiner Schwester zurückverlangte: „Das Bild gehört mein*; die richtige Sprache sagt: „Das gehört mir.“

Herrn Thürnagel* sahen wir heute seit seiner Wiedervereinigung mit der hiesigen Bühne zum erstenmal wieder; es scheint uns zwar dieser Künstler seitdem an Ausbildung sehr gewonnen zu haben, und überhaupt auf jener Uebergangsstufe zu stehen, welche den glatten gewöhnlichen Schauspieler von dem denkenden feinen Künstler trennt; allein dessen ungeachtet war er nicht vermögend, den unbedeutenden Charakter des Barons Sturz durch seine Nüancirung und komische Individualisirung (denn wie kann ein Baron Sturz im Allgemeinen Interesse erregen) zu einer bedeutenden Role des Stückes zu erheben.

Auch Wallensteins Lager, das herrliche Gemälde Schillers, worüber Wallensteins Geist schwebt wie Gott über seiner Schöpfung, wurde heute im Ganzen zur Befriedigung gegeben. Nur war zu wünschen daß man im Allgemeinen die so leicht geschriebenen Verse weniger deklamirt hätte. Auch machten mehrere Flickworte und Versetzungen der Worte (ein Ausfluß schlechten Memorirens) zuweilen einen unangenehmen Eindruck auf die Zuhörer. – Hrn. Eßlair vermißten wir ungern; warum theilt man überhaupt im Schauspiele, besonders in einem Schillerschen Stücke, Rolen an Sänger aus, so lange Schauspieler vorhanden sind, sie zu besetzen? – Hr. Thürnagel sprach die Rede des Kapuziners* mit guter Art, nur hätte er die Ruhepunkte weglassen sollen, welche doch nur einen elenden Spaß abgeben; und ohnehin ist dies keine förmliche Kapuzinade von der Kanzel herunter, sondern eine ex abrupto und im heiligen Eifer losgelassene Ergießung. – Hr. Kaibel war recht gut als Tiefenbacher Arkebusier, und Hr. Barthel sah sehr gut aus als Kroat.

the unknown Man.

Apparat

Generalvermerk

Zuschreibung nach Sigle; Text außerdem enthalten im Nachlaß Duschs (GLA Karlsruhe, N. v. Dusch 8)

G. Weber bezog sich kurze Zeit später in 1811-V-57 auf diesen Text.

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 124 (26. Juli 1811), S. 495–496

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