Nachrichten aus Dresden vom 2. Juli 1817 (Teil 2 von 2)

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Werners Todtenfeier (Beschluß.)

Der Zug von einem Königl. Hoffourier geordnet und von Hofbedienten besorgt, begann gegen 10 Uhr unter angemessener voller Fackelbeleuchtung durch eine vielfache Doppelreihe von Zuschauern jedes Alters und Geschlechts, welche von der Wilsdruffer Gasse an bis zum Freiberger Schlage sich in ununterbrochener Aufeinanderfolge gestellt hatten. Andere waren schon früher in langhinverbreiteten Schaaren auf jene Anhöhe gegangen, wo die Uebergabe der Leiche erfolgen sollte. Man hatte dazu den ersten Absatz des Korbitzer Bergrückens gewählt, da wo der Weg von Wölfnitz in die Kunststraße eintritt, also gerade den Fuß des Vorgebirges, auf dessen erhabnerer Fortsetzung Freiberg selbst erbauet steht. Die berittene Gensdarmerie war beauftragt, den hier auf der Landstraße ausgewählten Platz vor jedem Andrang zu sichern. Doch dieß war unnöthig. Als der ganze Wagenzug, welcher dem mit 6 Pferden bespannten und mit gestickter Decke behangenen Leichenwagen folgte, hier angelangt war, stiegen sämmtliche Begleiter aus und schlossen vor dem Wagen, der die Hülle des Verstorbenen barg, zugleich mit dem zahlreichen Gefolge, das aus Freiberg hier angekommen war, und mit den Zöglingen der Forstakademie in Tharand, einen weiten Kreis. Auf den die Straße umfassenden hohen Fußsteigen hatten sich rechts und links die Fackelträger aufgestellt. Von dem Sängerchor der Kreuzkirche wurde die erste Strophe aus dem Klopstockischen Liede: Auferstehn angestimmt, worauf ein vieljähriger Freund des Heimgegangenen, der Hofrath Böttiger, der bei seinem Hinscheiden selbst gegenwärtig gewesen war, in wenig Worten die Bedeutung dieses Zuges und die Empfindungen der Begleiter dabei mit vernehmlicher Stimme und wahrem Gefühle aussprach. Das Ganze wurde mit einer zweiten Strophe jenes Liedes beschlossen.

In jenen Worten des Lebewohls bemerkte man unter andern folgende Stelle: „Wir alle sind stolz darauf, Mitbürger, Zeitgenossen, Beförderer, Gehülfen, Schüler und Freunde eines Mannes gewesen zu seyn, dessen Name unter den Erfindern im Tempel des Nachruhms glänzt, der als Schöpfer seiner Wissenschaft, so lange die Kennzeichenlehre Fossilien ordnen, Erzgänge finden, Urstoffe vermuthen lassen wird, in der Brust und auf den Lippen von tausend dankbaren Schülern fortlebt. Ihr Pfeiler und Altäre der Natur in diesem paradisischen Elbthale, du jetzt vom aufgehenden Mond umdämmerter hoher Li¦lienstein dort, wo unsere Elbe sich hereindrängt, ihr Basaltsäulen Stolpens hier jenseits des Waldgebirges, euren Ursprung schrieb unser Werner an eure Felsenstirn. Und seitdem reden diese Felsen zuerst in vernehmlichen Worten zu uns! – Freibergs unterirdische Labyrinthe und oberirdische Naturschulen werden des unvergeßlichen Lehrers und Priesters in diesen Vorhallen der Natur – denn in das Innerste dringt kein erschaffener Geist – Andenken auch der späten Enkelwelt aufbewahren; und seine Vermächtnisse, seine Sammlungen, die sein Geist auch jetzt noch durchdringt, wo der Körper eingesunken ist, verkündigen noch lange seinen Wunsch, mehr als einem Geschlechte Lehrer und Wegweiser zu werden. Die Boten seines Ruhms, seine ihm mit Kindessinn anhängenden Schüler, sind in allen Ländern und Weltgegenden zerstreut. Die letzte Huldigung, die wir solchen Verdiensten heute in dieser mitternächtlichen Stunde hier unter dem Sternenhimmel darbringen, sie wird ihm zugleich mit uns in der unsichtbaren Geisterwelt von tausend Dankbaren, die ihn noch jetzt ihren geistigen Vater nennen, dargebracht. Ständen sie alle, die noch leben, und zu welchen in ferne Zonen vielleicht erst nach mehrern Monaten die Trauerkunde seines Todes bringt, in diesem Kreise, wie würde dieser sich erweitern? Und träten die vor ihm Entschlummerten noch hinzu, welch ein geweiheter Geister=Ring würde uns umschweben!“

Einige der Anwesenden, die mit warmer Theilnahme dieser Todtenfeier beiwohnten, konnten sich des unschuldigen Wunsches nicht enthalten, daß auf beiden Seiter der Chaussee hier einige Pappeln gepflanzt und Sitze für die Wandrer errichtet werden möchten, zum Andenken der Feier dieser mitternächtlichen Stunde. Zwar sind die Fackeln des ungewöhnlichen Leichenzugs verlöscht, deren Widerschein im ganzen Umkreise des malerischen Amphitheaters, in dessen Mittelpunkt Dresden liegt, mit wahrer und lebendiger Theilnahme gesehen worden ist, aber ist nicht die Brust jedes frommen Sachsens ein Altar, auf welchem die reinste Flamme des Dankes gegen den allgeliebten König lodert, der durch solche Anerkennung und Würdigung des Verdienstes den Eifer jedes redlichen Staatsdieners zu verdoppeln und in dem Herzen eines jüngern Geschlechts höhere Erweckung anzuregen weiß? –

Der Zug ist unter Fackeln ununterbrochen bis Freiberg fortgeschritten. Beim Eintritt der Leiche ist dort mit allen Glocken geläutet und diese mit einer Bergparade alsbald zu ihrer Ruhestätte gebracht worden. Darüber in einem nächsten Blatte.

B.

Apparat

Zusammenfassung

Totenfeier für Abraham Gottlob Werner am 2. Juli 1817 (Beschluß.)

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 162 (8. Juli 1817), Bl. 2v

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