Aufführungsbesprechung Mannheim: „Der Brautkranz“ von Aloys Weissenbach am 1. Dezember 1811 in Mannheim

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Mannheim, den 4. Dez. 1811.

Theaterbericht. – Sonntags, den 1. Dezember: (zum erstenmal) Der Brautkranz, Trauerspiel in fünf Aufzügen, von Professor Weissenbach. – Unter dieser bedeutungsvollen Aufschrift haben wir neuerdings wieder ein Trauerspiel auf unserer Bühne gesehen. – Wenn Ref., wie er nicht läugnen will, mit einiger Bangigkeit dem Stücke entgegen gesehen hatte, so sieht er ihm jetzt mit der gemischten Empfindung des Unwillens und Bedauerns nach. Ein klägliches Machwerk, dessen innere Anlage eben so geistlos ist, als die Sprache darin ein höchst verschrobenes Gemüth beurkundet. Das Edle und Hohe hat der Verfasser in einem Qualm von Worten gesucht, worunter die Idee erstickt; die Diction kömmt Ref. vor (man verzeihe ihm den Vergleich) wie eine unförmliche Geschwulst, wobey sich die Glieder nicht gehörig bewegen können. Die Situationen bestehen großentheils aus zusammengeflickten Reminiscenzen, und wem fällt nicht z. B. bey der Szene zwischen Don Fernando und seinem Vater, Schillers Don Carlos* ein? Endlich Charaktere auffassen und mit ihrem eigenen innern Leben ausstatten, ist des Verfassers Sache am wenigsten; seine Personen sind Drathpuppen, denen der Dichter die Worte soufflirt, und das einzige, was ihnen noch einigen Schein von Leben (freilich nur ein äußeres) verleiht, sind die Schauspieler, welche lebendig auf der Bühne herumgehen. – In das Detail des Stückes einzugehen, würde hier zu weitläufig seyn, und Ref. behält sich vor, dies an einem andern Orte zu thun*; – nur noch von der Aufführung das Wenige: Herr Eßlair, als Graf Naldi befriedigte in vorzüglichem Grade, und erntete den ungetheiltesten Beifall des Publikums; in seinem Spiele lag tiefes Gefühl, und seine Deklamation lieh die Töne von dem Herzen; vorzüglich wohlthätig war die Kraft, welche ihn auch im höchsten Affekte nie verläßt, und welche hier gleichsam als Gegengewicht des starken Jammers dem Zuhörer zu statten kam; nur zu bedauern war es, daß er seine Kunst an einen so nichtssagenden Charakter verschwenden mußte. Nach dieser Role zu urtheilen, könnte Hr. Eßlair sich wohl mit Glück im König Lear* versuchen.

the unknown Man.

Apparat

Generalvermerk

Zuschreibung nach Sigle.

Kommentar: In der ersten von anderer Hand verfaßten Theaterkritik aus Mannheim im Badischen Magazin, Jg. 1, Nr. 246 (17. Dezember 1811), S. 981, über Schillers Kabale und Liebe wird Duschs Beurtheilung des Brautkranzes mit den Worten zugestimmt: The unknown Man hat aber dieser theatralischen Aftergeburt bereits den Lohn ertheilt, den sie verdiente, und Ref. nicht nur, sondern Jeder, der etwas Sinn für die hohe Idealität des Trauerspiels hat, stimmt aus vollem Herzen seiner Kritik bey.

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 236 (5. Dezember 1811), S. 943–944

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