Aufführungsbesprechung Mannheim: „Die Sängerinnen auf dem Lande“ von Valentino Fioravanti am 15. März 1812 in Mannheim

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Dramaturgische Berichte.

Mannheim, den 15. März: Die Sängerinnen auf dem Lande, komische Oper in 2 Aufzügen; Musik von Fioravanti.Δ

Wir haben seit einiger Zeit so manche geschätzte Sängerin von unsrer Bühne (oder sie ihre Stimme) verloren, daß wir mit der gespanntesten Erwartung auf jedes neue Subjekt aufmerken, was uns etwa Ersatz, vielleicht reichlichen, für das Verlorne gewähren möchte, durch eine jugendlich-kräftige, Dauer versprechende, artistisch ausgebildete Stimme, ächte Methode, Grazie des Vortrags, und Wahrheit des Spiels.

Dies alles tritt bei Mad. Bachmann* – leider nicht ein! Ihre Stimme trägt das unverkennbare Gepräge dessen, was man ausgesungen nennt. Mag sie auch vormals mehr Meisterin ihrer Kehle gewesen seyn: sie ist es nicht mehr, vermag nicht mehr ihre Stimme fest zu halten und muß sich durch häufiges und eben darum häufig unrichtiges Athemholen zu helfen suchen; die Töne ihrer Läufe und Rouladen sind ineinander verwischt, und manche aus der Reihe bleibt sie ganz schuldig. Ohne daß sie im ganzen falsch sänge, schlägt ihr nicht selten ein oder der andere Ton zu hoch oder zu tief an. Ref. will mit alle diesem nicht läugnen, daß Mad. Bachmann nicht manches recht gut gebeΔ, und ihre Stimme neben mancher Einbuße doch noch einen gewissen Grad von Stärke behalten habeΔ, welcher zuweilen, besonders im Ensemble, von wohlthuender Wirkung ist; aber das ist denn doch auch nicht alles was wir hier brauchen! Sie an unsre Bühne zu knüpfen, wäre vielleicht Wohlthun und doch nicht wohl gethan.

Von nicht wenigerm Interesse war uns das Debüt eines neuen Komikers, des Hrn. Sonntag*.

Ueber keine Klasse von Schauspielern pflegen die Urtheile getheilter zu seyn, als gerade über Komiker. Bald, und nur gar zu oft, muß der gebildete Theil der Zuschauer die Achseln zucken oder sich gar unwillig von der entweihten Bühne wegwenden, indeß das Haus vom Klatschen der Gallerie- und – Parterre-HändeΔ dröhnt – bald goutirt die Menge einen Komiker nicht, weil er ihr nicht genug Spaßmacher ist – bald rümpft ein super delikates Häuflein die Nase, wenn ein Buffo sich untersteht, etwas anderes aufzutischen als Tafelgut aus den besten Attischen Salzgruben.

Herrn Sonntag ist das Seltene gelungen, so ziemlich alle Klassen zum Beifalls-Einklange zu vereinen. Sein Weg zu diesem glücklichen Ziele war der einfachste und sicherste, den aber gerade die wenigsten zu finden und zu gehen wissen – sein Spiel ist Natur: Nicht niedrige, nur wahre; er macht keinen Spaß um einen Spaß gemacht zu haben, sondern thut nur das, was die Situation selbst komisches herbeiführt, motivirt und rechtfertigt.

Solche Mäßigung ist denn freilich nur demjenigen ausführbar, dessen innere Quelle komischer Darstellungsgabe ergiebig genug ist, um aus derselben die Ausstattung und Individualisirung einer Role zu schöpfen, und sie pikant zu machen, ohne Zuthat von willkürlichen Possen: Hr. Sonntag aber besitzt diese Quelle, und hat sie als Bucefalo schön beurkundet.

Weniges Einzelne hätten wir wohl hinweggewünscht, z. B. die sonderbare Bewegung der Beine bei der Erzählung*, wie der fremde Haudegen ihn eben angefallen, und zum Duell habe nöthigen wollen: – nicht so wird sich ein geängstigter Hasenfuß bei einer solchen Erzählung geberden. – Doch wie gerne unterdrückt man dergleichen einzelne Ausstellungen, wo das Ganze so vorzüglich gelungen ist, wie Sonntags Bucefalo.

Von seinem Gesange läßt sich übrigens in dieser Role, wo er dem komischen Effekt so häufig den Klang seiner Stimme opfern muß, und wo er denn auch wirklich mit dem glücklichsten Effekt vor lauter Alteration zuweilen Stimme und Sprache beinahe verloren zu haben schien – mehr nicht sagen, als daß er vernehmlich ausspricht, rein intonirt, und präcis einfällt: Nähere Resultate werden künftige Darstellungen geben, und –Δ hoffentlich auch Hrn. Sonntags Vielseitigkeit beurkunden.

Unter den übrigen Theilen der gestrigen Aufführung fand Ref. nichts, was besonders ausgehoben zu werden Noth thäte, ausgenommen das vortreffliche Ensemble, welches im Terzette zu Anfange des ersten Aktes* herrschte, welches auch vom Publikum mit dem lebhaftesten verdienten Beifall aufgenommen wurde.

Δ

Apparat

Generalvermerk

Zuschreibung nach Sigle in der Zeitung für die elegante Welt

Die Kritik wurde am 16. März 1812 geschrieben und, wie die Unterschrift mit vollem Namen vermuten läßt, von G. Weber selbst an die Zeitung für die elegante Welt geschickt. G. Weber erwähnte die Vorstellung unter Verweis auf diese Kritik der Sängerinnen auf dem Lande in 1812-V-21 (Teil 1)

Entstehung

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Badisches Magazin, Jg. 2, Nr. 65 (17. März 1812), S. 259
  • 2. Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 12, Nr. 70 (7. April 1812), Sp. 559–560

    Einzelstellenerläuterung

    Lesarten

    • Textzeuge 1: Mannheim, den 15. März: Die Sängerinnen auf dem Lande, komische Oper in 2 Aufzügen; Musik von Fioravanti.
      Textzeuge 2: Aus Mannheim. | Hier wurde am 15ten März gegeben: Die Sängerinnen auf dem Lande, komische Oper in 2 Aufzügen; Musik von Fioravanti.
    • Textzeuge 1: gebe
      Textzeuge 2: gab
    • Textzeuge 1: habe
      Textzeuge 2: hat
    • Textzeuge 1: – Parterre-Hände
      Textzeuge 2: Parterre-Hände
    • Textzeuge 1: und –
      Textzeuge 2: und
    • Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.
      Textzeuge 2: Gottfried Weber.

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