Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 20. bis 23. September 1817

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Am 20. September. Il Sacrifizio interrotto, von Winter. Wir können nur unsere neuliche Meinung wiederholen, es ging nur alles noch eingespielter und in einander greifender. Signora Carolina Benelli war weniger befangen und ängstlich und gewann dadurch noch sehr. Es ist auffallend wie vortrefflich in dieser Oper die Abwechslung der Scenen und das was man die Gruppirung der Musikstücke nennen möchte, geordnet ist, gewiß trägt dies zum immer neuem hinreißenden Eindruck des Ganzen sehr viel bei. Wie schön contrastiren gleich Anfangs die Hymnen und Gebete der kindlich frommen Peruaner mit den leidenschaftlichen Aueßerungen Elvirens. In welchen reizenden Melodien vereinen sich dann die Friedensgesänge der Männer mit den zarten Gefühlen der Frauen. Diese Töne, diese Lieder erklingen seit 20 Jahren überall durch ganz Deutschland, sie sind dem Herzen abgelauscht. Allerliebst contrastiren nun die leichten komischen Scenen Pedrillo’s und der schalkhaften Mädchen mit den ersten, gefühlvollen. So etwas stört nicht etwa, es ist das frische Grün zwischen den Blumen, welches die Farbenglut dieser erst recht hervorhebt. Elvirens düsterer Sinn bildet den vortheilhaftesten Schatten für Myrha’s reizende Unschuld und Liebe. Süßere Seelensprache findet man wohl selten als in Myrha’s herrlichem Duett mit Murney und in ihrer Arie: „Quelle pupille tenere“ und doch würden sie einzeln noch lange nicht so wirken als hier, wo die kühne, tiefe, furchtbare Scene Mafferu’s darauf folgt. Könnte nur Benincasa, der sie herrlich singt, hier seine natürliche Gutmüthigkeit, die überall durchblickt, etwas mehr verbergen! Meisterhaft ist das nächste Duett geschrieben, wo sich Myrha’s Angst immer in den halbgebrochnen Mollaccorden ausspricht, während Mafferu triumphirend sie beruhigt. Kein Gesang konnte in der nächsten Scene Elvirens und Mafferu’s Bündniß bezeichnen, denn hier wäre nur Schatten und Finsterniß zusammen getreten. Herrlich ist der heilige vierstimmige Gesang im Tempel und tönt ernst und erhaben fort, in dem die einzelnen Stimmen der vielfach Bewegten, Wolken und Blitzen gleich über jenen reinen Aether hinfliegen. Das ganze Finale ist voll Feuer, Kraft und fester Characterzeichnung, wie beklemmend ist Myrha’s bebende Anklage, wie rührend Murney’s Antwort!

Das große Terzett der drei tiefen Männerstim ¦ men im zweiten Akt ist ausgezeichnet schön und die Begleitung von Flöten, Fagott, Clarinette und Waldhorn ist sinnig und wirkungsvoll. Nach all diesem Ernst thut Pedrillo’s Scene und der reizende dreistimmige Gesang der Mädchen unbeschreiblich wohl und doppelt schön erscheint nun Murney’s große Scene, wo wir ihn als frommen stillergebnen Weisen kennen lernen. Dies: „che’è mai la morte?“ ist der schönste Beweis, wie ernst und lieblich zugleich die Musik philosophiren kann. Die Declamation des Signor Benelli war hierbei sehr zu loben. Myrha’s Hoffnungslied weckt mehr Schmerz, als keine Klage es würde. Das große Quintett darauf ist anerkanntes Meisterwerk. Einen hohen ächt grandiosen Eindruck macht es bei dem letzten Finale, daß stets die eine ausdrucksvolle Stelle der Instrumente, womit es beginnt, sich in den mannigfaltigsten Imitationen und Verkettungen durch das Ganze webt, die vielfachen Gefühle Aller, die treffliche leidenschaftliche Scene Myrha’s, unterbrechen wohl bisweilen dies ernste Tongewebe, aber immer und immer klingt das alte Lied wieder durch und eint alles zum großen Ganzen, welches das Lieblingswerk des verehrten Meisters würdig beschließt.

C.

Am 21. September. König Yngurd.

Am 23. – – Der Spieler. Schauspiel in 5 Akten, von Iffland. Herr Reinecke vom Ständischen Theater in Prag, gab bei seiner Durchreise den Lieutenant Stern als Gastrolle. Mit Theilnahme sah man den Sohn eines Künstlers, welcher den Schauspielfreunden in Dresden und Leipzig als ausgezeichneter Darsteller und einsichtiger Regisseur stets unvergeßlich bleiben wird.

Ein Herr C. Gärtner, welcher sich Churfürstl. Hessischer Professor der Tonkunst nannte, spielte im zweiten Akt eine Phantasie auf der Guitarre, und blies, wie der Anschlagzettel besagte, ein Flöten-Concert von Devienne ohne Instrument, indem er sich mit der Guitarre accompagnirte. Fertigkeit auf diesem so beschränkten Instrumente war ihm nicht abzusprechen, aber ohnerachtet mancher Sonderbarkeiten, die er darauf anbrachte; z. B. Spielen mit der linken Hand ohne Hülfe der rechten, Uebersetzen der letztren über die erste u. s. w. war ein reiner Geschmack in seinem Spiele nicht zu finden. Jenes Blasen ohne Instrument bestand nun überdies in einem bloßen Pfeifen, welches aber ohnerachtet dieser poetischen Umschreibung bei wahrhaften Kunstfreunden keinen Beifall finden konnte.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsberichte Dresden: „Il Sacrifizio interotto“ von Peter von Winter am 20.9.1817, Erwähnung Yngurd am 21.9.1817 und „Der Spieler“ von Iffland mit Auftritt C. Gärtners im Zwischenakt am 23.9.1817

Entstehung

vor 3. Oktober 1817

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 237 (3. Oktober 1817), Bl. 2v

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