Wilhelm Pötzsch an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
München, Dienstag, 14. November 1882

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Bester Herr Professor!

Ich komme leider erst heute dazu, Ihr geehrtes Schreiben von voriger Woche zu beantworten. — Sie scheinen meinen Brief aus Bayreuth nicht erhalten zu haben; irre ich nicht, so war es Ende Juli, als ich Ihnen das Ergebniß meiner dortigen Nachfragen mittheilte. Herr Jäger*, mit dem ich am meisten über die Weber’sche Arie diskutirte, meinte, daß der neue deutsche Text (v. M. Mellien)* im großen u. ganzen besser zu singen sei, als der andre, nur stieß er sich einzig an die Worte (im Allegro) „Nicht heißt mich feurig um andre Kronen werben!“ — es ist dies auch meine Ansicht; — Ein anders mal fragte ich Scaria* von Wien, welchen Text er als den sangbareren hielt, ich bekam die lakonische, u. jezt unter den meisten Sängern herrschende Ansicht, zur Antwort: „Mein Lieber, dos is jo ganz Worscht welchen Text man singt!“!!

Ich gab dann noch Herrn Nachbauer* die Arie zum Durchsingen; (er wollte sie in Wiesbaden in einem Concert vortragen.) doch erhielt ich sie wieder zurück mit den Worten: „sie ist zu zopfig u. paßt heutzutage nicht mehr.“ Ärgerlich über all diese Geschichten, u. weil es nun schon zu lange dauert, legte ich die ganze Arie in den Notenschrank, nur H. Vogl* wollte ich noch drüber befragen, derselbe ist aber seit August auf Reisen u. kommt erst Ende November wieder hier her; bis dahin will ich mit der Veröffentlichung warten. —

Ich erlaube mir, Ihnen beigehend den Clavierauszug zu gefälliger Durchsicht beizulegen. Glauben Sie nicht auch, das es besser ist, wenn man | die verschiedenen Apoggiaturen, wie zunm Beispiel gleich anfangs Qual altro attendi gleich so schreibt, wie sie gesungen werden: Qual altro attendi In darno as-piri ad espugnar la fedeltà d’Alceste etc.
Weiter unten hat der Chor dreimal ‚Muth!‘ zu singen; Choristen sind in der Regel nicht so muthig um das th recht scharf auszusprechen, u. boshafte Zuhörer können dann sehr leicht: „Muh, muh, muh![] heraushören; ich würde deßhalb an dieser Stelle ein andres Wort setzen, wenn es möglich ist.

Es sind noch einige kleine Abweichungen drin, die ich mit Bleistift verzeichnet habe, u. welche Sie bei der Durchsicht gewiß finden; möchten Sie mir Ihre geehrte Ansicht darüber mittheilen; doch möchte ich Sie freundlichst ersucht haben, die Arie recht bald wieder zurückzuschicken, da mich der Verleger drängt.

Indem ich Ihnen im Voraus den herzlichsten Dank für all die gehabten Scherereien sage, zeichne ich mit dem Ausdruck vollkommenster Hochachtung ganz ergebener
Wilh. Pötzsch.
(München, Herrenstr. 36. IV.)

Apparat

Zusammenfassung

hat mit verschiedenen Sängern den Text in Reimen probiert, Meinungen sind geteilt, Tendenz aber, dass er sich so besser singen lässt, will noch Herrn Vogl abwarten, schickt Jähns seinen Klavierauszug der Arie zur Durchsicht

Incipit

Ich komme leider erst heute dazu

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Frank Ziegler

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. IX, Kasten 3, Nr. 1 (JV 126)

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • gedruckter Kopfbogen: „Musikalische Akademie | MÜNCHEN.“

    Einzelstellenerläuterung

    • „… dortigen Nachfragen mittheilte. Herr Jäger“Ferdinand Jäger (1839–1902) Tenor und Gesangspädagoge.
    • „… Text (v. M. Mellien )“Zu Marie Mellien vgl. den vorhergehenden Brief.
    • „… anders mal fragte ich Scaria“Emil Scaria (1840–1886), Bass, sang bei der Uraufführung des Parsifal am 26. Juli 1882 in Bayreuth den Gurnemanz.
    • „… gab dann noch Herrn Nachbauer“Franz Innozenz auch Franz Ignaz Nachbaur (1830–1902) Tenor und Hofkammersänger in München.
    • „… den Notenschrank, nur H. Vogl“Heinrich Vogl (1845–1900) Tenor (München).

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