Bericht über den Brand des Berliner Schauspielhauses am 29. Juli 1817

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Berlin, vom 31. Juli.

Vorgestern, um die Mittagsstunde, wurden die Einwohner unserer Hauptstadt durch einen furchtbaren Rauch erschreckt, der zwischen den beiden auf dem Gensdarmen-Markt belegenen Thürmen aufstieg und in weniger als einer Viertelstunde Zeit, loderten aus dem Dach des dort belegenen Königlichen Schauspielhauses lichte Flammen empor. Bei dem stark wehenden Westwinde und der Menge von Brennstoff aller Art, den das Feuer vorfand, stellte, nach wenig Augenblicken das ganze Dach des 200 Fuß langen Gebäudes dem Auge ein Flammen-Meer dar, dessen Gluthitze schon in einer Entfernung von drittehalb hundert Schritten beschwerlich ward. Unter diesen Umständen konnten folglich alle Feuerspritzen der Stadt, die, nebst den Rettungsleitern, und den Feuerspritzen von Spandau augenblicklich herbeikamen, dem Brande selbst nicht Einhalt thun, sondern sie mußten sich begnügen die benachbarten öffentlichen und Privatgebäude durch unablässiges Beisprengen, vor Mittheilung des Feuers zu schützen, welches auch durch die angestrengtesten Bemühungen und Hülfsleistungen aller dazu berufenen und dabei interessirten Personen gelang, obwohl das Flugfeuer an verschiedenen, selbst mehr als zweihundert Schritt weit von der Brandstelle, entfernten Orten zu zünden begann. Die eintretende Drehung des Windes, der um 1 Uhr nach Nordwest herumging, verminderte die Gefahr der bis dahin am meisten bedroheten Gebäude, indem er die Glut nach der freieren Südseite des Platzes hinwandte. Als, nach Verlauf weniger Stunden der ganze Dachstuhl des Schauspielhauses herabstürzt, und das Feuer innerhalb der äußeren Wände desselben, wie in einen Kessel eingeschlossen war, alsdann erst konnten die Spritzen, ihrer bis dahin geleisteten Dienste entledigt, auf die Brandstelle selbst hingerichtet werden, nur konnten sie, leider, nicht mehr retten, was, unter den vorhandenen Umständen und den Local-Verhältnissen nach, unwiderbringlich verloren gehen mußte. Es befanden sich nemlich die zu Aufbewahrung der Decorationen und der Garderobe angewiesenen großen Räume, sämmtlich theils im obern Dache, theils in der obern Etage des Gebäudes; sie waren durch keine Scheidewand von einander getrennt, und nur schmale hölzerne Treppen führten dort hinauf. Da nun das Feuer zuerst im Hintertheil des Schauspielhauses, nach der Taubenstraße zu, in der Ober Maschinerie oder im Dache ausbrach, dergestalt, das[s] den recitirenden Schauspielern, (welche eben in der Probe des für diesen Abend bestimmten Schillerschen Stückes "die Räuber" begriffen waren) Funken und Brandstücke von oben herab vor die Füße fielen; so war an Rettung alles dessen, was in den obern Räumen des Hauses vorhanden war, nicht mehr zu denken. Die ganze Masse der Decorationen, die seit dem Bau des Hauses (1801) gesammelt waren, und aus Mangel eines andern zweckmäßigern Aufbewahrungs-Ortes sämtlich im Hause selbst aufgespeichert bleiben mußten (gegen vierhundert an der Zahl) sind, bis auf das letzte Stück verbrannt, und eben so, bis auf einige wenige unbedeutende Stücke, die ganze Schauspiel-Garderobe. Alle Requisiten, alle Waffen, sowohl älterer als neurer Zeit, Schmuck, Helme, kurz alles ist ein Raub der Flamme geworden, und es hat, bei der furchtbaren Schnelle, mit welcher das Feuer vom Dache in die untern Räume gefallen, nichts gerettet werden können, als einige Musikalien

Wie hoch sich der durch diesen unglücklichen Brand (dessen Entstehung noch nicht auszumitteln gewesen ist) angerichtete Schaden belaufen mag, ist wohl noch nicht anzugeben.

Durch eine andere Richtung des Windes hätte indeß das Unglück noch viel weiter ausgebreitet werden können. Hätte er zum Beispiel aus Osten her geweht, so hätten die gegen Abend belegenen Häuser in der Charlottenstraße, weil sie kaum 60 Fuß vom Sitz des Feuers entlegen gewesen wären, dem Brande ohnfehlbar nicht entgehen können!

Ein junger, ohnlängst hier angestellter Schauspieler, Herr Carlsberg, wird vermißt! Er ging in das Schauspiel- | Haus hinein, wahrscheinlich um zur Rettung dessen, was aus den Direktions-Zimmern in der Eil noch fortgeschafft werden konnte, mit beizutragen und kehrte leider nicht wieder daraus zurück! Möge seiner hinterbliebenen Gattin, die ihre[r] Entbindung entgegen sieht, Trost und Hülfe werden. Von zweien beim Löschen beschäftigten Arbeitern ist dem einen durch Herabfallen eines Dachziegels der Arm und zwar eine Pulsader desselben verletzt, der andere hingegen nur leicht beschädigt worden.

Apparat

Zusammenfassung

Bericht über den Brand des Berliner Schauspielhauses am 29. Juli 1817

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Veit, Joachim

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, Jg. 78, Nr. 91 (31. Juli 1817), S. 5–6

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