Aufführungsbesprechung Chemnitz: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber am 19. Januar 1823 (EA)

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Die hiesige Theatervorstellung des Freischützen.

Die Hälfte dieser Woche ist in wiederholten Aufführungen desselben vorübergegangen* und bei der zweiten und dritten konnte man sagen:

es faßte nicht das Haus die Gäste,die wallend zogen zu dem Opernfeste.

Diese Unannehmlichkeit betraf selbst einige Fremde, welche die Ungemächlichkeit der Reise nicht gescheut, aber die Anwesenheit ihrer Personen im Theater etwas gemächlich betrieben hatten. Was von der Aufführung selbst zu sagen ist; so kann es nicht anders als zu ihrem Lobe geschehen, da die möglichste Sorgsamkeit und Beeiferung des Directors in seinen getroffenen Anordnungen und das treueste Streben aller Theilnehmenden, mit Fleiß das Ihrige zu leisten, nicht zu verkennen war. Das wackre Orchester, 33 Instrumentalisten stark, und aus dem treflichen Musikchor der Zwickauer Garnison und Mitgliedern des hiesigen Musikvereins bestehend, befriedigte ungemein und führte das reiche Tongemälde in | allen seinen Parthieen mit einer Genauigkeit des Vortrags durch, die in den Geist dieses Meisterwerks eingedrungen war. Was die Theatervorstellung betrift; so soll hier nicht die Fackel der Kritik das Einzelne beleuchten, auch könnten wohl verschiedene Wünsche unbefriedigt geblieben seyn. Dem Ganzen gebührte aber wohl die Gerechtigkeit, daß die Vorstellung unter die gelungensten von dieser Gesellschaft gehört, wenn man sie in den Grenzlinien des örtlichen Theaterraums, des Verhältnisses der szenischen Hülfsmittel und des Individuellen der Mitglieder beurtheilen will. Es ist sogar zu rühmen, daß Manches, was Recensionen von größeren Bühnen als verfehlt angedeutet haben, hier vermieden wurde, z. B. in Befolgung der richtigen Steigerung der Verhöhnungsszene im ersten Akt, und daß die abgebrochenen Worte des Caspars: „Es giebt allerdings gewisse geheime Kräfte der Natur“ bedeutsam genug herausgehoben wurden, um sichtlich die Neugierde des Max zu reizen. Manches fand man auch in den folgenden Aufführungen nach der ersten verbessert; ein Beweis der fortdauernden Achtsamkeit. Die Rollen des Försters und des Fürsten wurden sehr gur repräsentirt. Die Maske und Figur des Waldfürsten Samiel verfehlte ihren Effekt nicht, ohne ins Uebertriebene zu fallen. Die Rollen des weichherzigen Max, von dem man nur in einigen Stellen mehr das Kräftige des Jägers zu sehen gewünscht hätte, und dessen angenehmer Tenor besonders in der schönen Arie: durch die Wälder, durch die Auen &c. gefiel, sowie des harten barschen Caspar, übertrafen die Erwartung. Annchens muntre Näivetät gab Madame Spahn sehr gefällig wieder und die etwas schwache Stimme der Agathe, die bei Anstrengung kreischt, ersetzte die ihrer Rolle entsprechende Kindlichkeit des Spiels und Gesangs. Am wenigsten konnte man vielleicht mit der Szene der Brautjungfern zufrieden seyn, die aber von dem bravausgeführten Jägerchor vergütet wurde.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler
Korrektur
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Allergnädigst bewilligter Chemnitzer Anzeiger, ein Intelligenz- und Wochenblatt für Chemnitz und umliegende Gegend, Jg. 24, Nr. 4 (25. Januar 1823), S. 29–30

    Einzelstellenerläuterung

    • „… in wiederholten Aufführungen desselben vorübergegangen“Bis zum Erscheinen dieser Ausgabe waren Aufführungen der Oper am 19., 20., 21., 22. und 24. Januar angekündigt; vgl. die Anzeigen in derselben Zeitung, Jg. 24, Nr. 3 (18. Januar 1823), S. 24.

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