Franz Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
London, Montag, 9. Juni 1884

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Mein sehr geehrter, lieber Herr Professor,

Ihr werthes, in Bleistift abgefasstes Schreiben vom 28ten Januar hat mich zugleich erfreut und betrübt: Erfreut, wegen der darin ausgesprochenen freundschaftlichen Gesinnungen für mich, die ich sehr wohl zu schätzen weiß; betrübt, wegen des leidigen (und doch in Ihrem Fall, so nützlichen) Bleistifts, welches mir Ihr fortdauerndes Leiden versinnlicht hat. In jeder anderen Hinsicht ist mir übrigens Ihr Blei so lieb wie Ihre Dinte, und in Bezug auf Ihre letzte, freundliche Epistel kann ich nur ausrufen: Vivat sequens! bleiern, oder nicht! – Auf die mir übersendeten opera komme ich allernächst zurück; ich will nur einstweilen sagen daß ich sie bereits mehrfach hiesigen Klavierlehrern empfohlen habe. Meine bescheidene, jedoch aufrichtige Meinung darüber will ich Ihnen, sehr geehrter Freund, in meinem Nächsten mittheilen und vielleicht einen ähnlichen Dienst von Ihnen für mich selbst den überzähligen Weber, erbitten.

Die Haupt-Veranlassung für diesen Brief ist eigentlich nur eine Aufführung des „Freischütz“ im hiesigen Covent-Garden-Theatre, wovon ich Ihnen „pflichtgemäß“ Bericht erstatten will. Wir haben hier nämlich eine kurze Saison Deutscher Oper (wie in 1882) diesmal im Covent-Garden Theatre, wo als 2te Vorstellung „Freischütz“ gegeben wurde und zwar am Freitag d. 6ten ds. [Von Jähns am Rand (Blei) zugefügt: 1884 | 6. | Juni ] Hans Richter dirigirte. Die Besetzung d. Hauptrollen war wie folgt:

AgatheMad me Biro de Marion*

AennchenFrau Schuch-Proska*

MaxHerr Gudehus*

CasparHerr Wiegand*

Agathe leistete kaum Genügendes, Aennchen dagegen sehr Tüchtiges und Ansprechendes. Max, etwas hart im Ton, und steif in der Darstellung, aber edel in der Auffassung und viel versprechend für die Zukunft. Kaspar gerade zu vortrefflich in Gesang und Darstellung; der beste Kaspar den ich je gehört oder gesehen habe. Der Chor ganz vortrefflich, und der Jäger-Chor: „Was gleicht wohl auf Erden“ stürmisch da capo verlangt und wiederholt. Gut besetztes Haus. Die Wolfsschlucht schlecht scenirirt, sodaß der Vorhang fallen mußte ehe noch die 7te Kugel gegossen war! Schade! Doch im Ganzen eine ziemlich gelungene Vorstellung und dankenswerth insofern sie als (zusammen mit Beethoven’s Fidelio) einzige Oper der „alten“ Schule den neueren Wagnerschen an die Seite gestellt war. Darüber mehr, ein andersmal. Für heute nur den einfachen Bericht.

Ich denke es macht Ihnen ein kleines Vergnügen wenn ich Ihnen einliegend den Theaterzettel der 15 ten der allerersten Vorstellungen [von Jähns mit Blei: 1824 / 7. Aug . zugefügt] des „Freischütz“ in London (English Opera House) welchen ich, nebst dem der allerersten Vorstellung, mit vieler Mühe erlangt habe, überreiche*.

Ihr ganz Ergebener F.Weber

Schon wieder die Adresse verändert! Bitte davon Vormerkung zu nehmen.

Apparat

Zusammenfassung

berichtet über eine Freischütz-Aufführung am 6. Juni 1884 in Covent Garden und schickt einen Theaterzettel von der 15. Freischütz-Aufführung vom 7. August 1824 im English Opera House, London

Incipit

Ihr werthes, in Bleistift abgefasstes Schreiben vom 28ten Januar

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana, zu Mappe XX, V. 7. No. 19.ff.

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
    • auf Bl. 2 gedruckter Kurzbericht vom 6. Juni 1884 (ohne Quellenangabe) über die Aufführung des Freischütz vom 6. Juni 1884
    • Ob dieser Ausschnitt von Weber mitgeschickt, oder von Jähns später aufgeklebt worden ist, läßt sich nicht sagen. Jähns fügte mit Blei 6. Juni 84. hinzu.

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Tv in: Weberiana 18 (2008), S. 124, 143f. (Auszüge)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Mad me Biro de Marion“Marie Biro de Marion.
    • „… Aennchen – Frau Schuch-Proska“Clementine von Schuch-Proska (geb. Procházka, 1850–1932), seit 1875 verheiratet mit Ernst von Schuch.
    • „… Max – Herr Gudehus“Heinrich (Wilhelm) Gudehus (1842–1909).
    • „… Caspar – Herr Wiegand“Heinrich Wiegand (1842–1899).
    • „… vieler Mühe erlangt habe, überreiche“Der Theaterzettel ist unter derselben Signatur überliefert wie der Brief; vgl. auch die Abbildung in Weberiana 18 (2008), S. 123.

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