Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 20. März 1817 (Teil 2 von 2)

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(Gordon und Montrose. Beschluß.)

Um so rühmlicheres können wir von der Darstellung dieses Stücks, womit die Wintervorstellung auf unserer Bühne überhaupt geschlossen wurde, aussagen. Mit großem Fleiß hatte die Direktion neue Costüms im Geist seiner Zeit reich und gefällig ausgestattet, und besonders die Tracht der Bergschotten, so weit es mit dem gewürfelten Plaid=Stoff bei uns zu treiben war, recht malerisch und wahr aufgestellt. Nur die Matrosentracht, welche durchaus ein knapp anliegendes, ganz kurz abgeschnittenes Jäckchen fodert, da jede Verlängerung hinderlich seyn würde, und der Kerker=Vorhof am Ende wollte nicht recht passen. Aber auch das Spiel sämmtlicher Künstler war bis auf eine kleinere Rolle etwa, die vielleicht aus einem falschen Begriff von vornehmen Anstandes zu kalt und steif gespielt wurde, zu den gelungensten auf unsrer Bühne zu rechnen und ihm mag es vorzüglich zuzuschreiben seyn, daß dies Stück sich eines sehr ausgezeichneten Beifalls zu erfreuen hatte. Herr Kanow als Montrose hatte wahre, tief ergriffene und brav hervorgehobene Momente. Wie unbedingt würde ihm Beifall gezollt werden, wenn er sein Organ ganz beherrschen und eben dadurch eine nur zu oft wiederkehrende, nur zu stark an unser Ohr anschlagende Tonleiter weicher und abweckselnder machen wollte! – Bis in die kleinsten Schattirungen eines zwar listigen und seine Beute trügerisch umgarnenden, doch auch wieder kühn einherschreitenden, offen hassenden Partheihauptes malte Herr Geyer den bösen Genius des Stücks, Lord Douglas aus und zeigte sich nicht nur als einen denkenden, sondern auch, was ihm zuweilen abzugehn scheint, als einen kräftigen Künstler. Die Schlußscene, wo er die Maske ablegt, wurde sehr brav gesprochen und gespielt. – Es mag ein Triumph der Schauspielkunst genannt werden, wenn sie die Schwächen und Unwahrscheinlichkeiten des Dichters zu verschleiern und durch meisterhafte Vertheilung von Schatten und Licht, Haltung und Wahrheit zu erschaffen weiß. Man möge dieß von der Kunst rühmen, womit Mad. Schirmer die Jenny, Herr Julius den Gordon spielte. Die einsichtsvolle Künstlerin fand in sich selbst leicht die Regeln der sittlichen Grazie, wodurch das Auffallende in der geheimen Zusammenkunft in der Bergschlucht und die rücksichtslose Hingebung an den sie entführenden Liebhaber möglichst gemäsigt wurde, ohne doch dem Feuer der Liebhaberin Schneewasser aufzugießen. Sie sprach das rasche Wort: was zaudern wir, Geliebter, laß uns fliehen? mit aller Lebhaftigkeit verliebter Ungeduld. Aber es hatte der zarten Jungfräulichkeit doch wenigstens einigen Kampf gekostet, woran aber der Dichter, ehrlich gesprochen, ganz unschuldig war. Das Entsetzen über den in ungestümer Glut à la Mortimer auf sie eindringenden Gordon wurde von ihr so ergreifend dargestellt, daß die darauf folgende Gruppe aus dem Sabinerinnenraub uns fast weniger um Jenny besorgt machte, als wenn wir Emilia Galotti im Innern des fürstlichen Zimmers schreien hören. Selbst das Costüm in dem ersten Akte war von ihr selbst kleidsam und anmuthig gewählt und doch mit der damals üblichen Kleidertracht in Einklang gebracht. Herr Julius brachte durch sein schön durchdachtes und kräftig durchgeführtes Spiel von der ersten Unterredung an mit Douglas bis zur Senkung des Hauptes in einer ganz unanständig lang ausgesponnenen Sterbescene eine sehr erfreuliche Einheit ein einen schwankenden und der psychologischen Richtigkeit durchaus entbehrenden Charakter. Vorzüglich gelungene Momente waren sein Mienen= und Geberdenspiel beim Anhören der Schicksalverkündenden Ballade, die, beiläufig zu bemerken, von Herrn Burmeister sehr zweckmäßig vorgetragen wurde, und als einer der lichtvollsten Punkte des Stücks gute Wirkung that. Wir sehen hier in der Mimik des Künstlers Salgars Conterfei. Der Refrain in seinem Munde: und Salgar sinkt! wurde herzzerschneidend gesprochen *). Dann motivirt er durch seine ganze Aktion in der Scene, wo Douglas ihm den Vatermord und Montrose’s schändliche Untreue vorlügt, durch stufenweise Steigerung des Affekts und durch feines Ausmalen den Kampf des in Liebe getauchten Zorns mit den letzten Zuckungen der Freundschaft so richtig, daß wir die Blöße des Dichters in diesem Augenblick weniger gewahrten. Musterhaft endlich war sein Spiel in der Scene, wo er durch Milford’s Aussage zur Verzweiflung getrieben erst vor ihm knieet, und dann ihn erdochen will. Nur da, wo er auf einmal sich gegen Douglas Bosheit mit verstelltem Hohn rüstet, hätten wir noch einige vorbereitende Pausen gewünscht, um einen solchen Uebergang glaublicher zu machen. Wäre uns aber überhaupt bei einem so reichbegabten, für Declamation und Aktion ein so erfreuliches Muster aufstellenden Künstler, dem auch dießmal dasganze Publikum den vollsten Beifall zurauschte, noch ein leiser Wunsch erlaubt. So würden wir ihm sowohl beim Vortrag, als beim Geberdenspiel zuweilen etwas weniger abgebrochenes, und hier und da eine noch zartere, rundere Verschmelzung wünschen. – Wir pflegen hier nicht, wie auf andern Bühnen, als wahre Auferstehungsmänner (man kennt ja in einem andern Sinn die englischen Resurrection’s men) den Todten durch herausrufen zu erwecken. Sonst wäre ihm bei der dießmaligen hohen Vollendung seines Spiels diese hier ganz unzweideutige Anerkennung gewiß zu Theil geworden.

Eine sehr mißliche Sache bleiben immer die Eigennamen, wenn sie nach der nationellen Aussprache gehört werden sollen. Wir Deutsche sind auch hierin oft zu ängstlich, oder, um mit Klopstock zu reden, allzugerecht gegen das Ausland. Indeß muß wenigstens eine regelfeste Consequenz in der Sache gelten und wo einmal einigen Eigennamen ihr einheimischer Klang und Accent erhalten wurde, dieß allen zu Theil werden. Wir möchten daher auch Argeile, nicht Argyle ausgesprochen hören, da ersteres bekanntlich allein in der Aussprache gilt.

Böttiger.

[Original Footnotes]

  • Die kleine Ballade, nach einem bekannten Ossianischen Liede gedichtet, ist zu bequemer Vergleichung in dieser Nummer der Abendzeitung besonders abgedruckt worden.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Ran Mo

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 82 (5. April 1817), f 2v

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