Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Welcher ist der Bräutigam” von Johanna Franul von Weißenthurn am 16. März 1819

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Den 16. März. Welcher ist der Bräutigam. Lustspiel in 4 Akten, von Frau von Weissenthurn.

Das Stück wird stets bei guter Besetzung durch einige humoristische Scenen, durch starke Contraste und gemeinverständliche Witzspiele gefallen. Es ward auch diesmal mit Lust gespielt und mit lebhafter Aufregung aufgenommen. Wir erinnern uns, gelesen zu haben, daß die Eingangscenen langweilten. Durch die ergreifende Wahrheit, womit gleich im ersten Akt Hr. Burmeister den alten Belau, Hr. Schirmer den etwas pedantischen und umständlichen, aber grundehrlichen Grundmann – man kann diese Rolle nicht besser spielen, – Hr. Hellwig den jovialen Langer uns gab, trat alles in sein rechtes Maas. Ob letzterer in der Präsentationsscene an die Damen, im zweiten Akt, den durch Reisen geschliffenen, feinen Weltmann gerade so weit hinter den jovialen, mit der ersten Begrüßung sogleich offenherzigen Lebemann stellen dürfe, als hier geschah, muß der Grundton entscheiden, der durch’s Ganze geht. Und dieser entschied, daß es so recht wäre. Nur möchte wohl auch hier, wie sonst mehrmals, der Wunsch übrig bleiben, daß in dem Abseits, wo Zwei eine besondere Verhandlung haben, während ein Drittes davon nichts vernimmt, der Zwiesprach nicht so laut geführt werde. Alle Wahrscheinlichkeit geht dadurch verloren. Man kann mezza voce und doch für’s ganze Theater sehr vernehmlich sprechen. Ueber das schalkhafte, bis zum fröhlichsten Muthwillen gehende, aber stets in der Linie der Jungfräulichkeit sich erhaltende Spiel von Mad. Schirmer, als Rosalie, ist schon früher einmal gesprochen worden. Als Frau von Weissenthurn dies scherzhafte, bei einigen Schattenseiten, die es der Kritik darbietet, doch ungemein unterhaltende Stück schrieb, brach das Deutschthum aus allen Schößlingen und Knospen hervor, Mädchen und Jünglinge sprachen Bannformeln gegen alles Ausländische, und besonders gegen das heillose Franzosenthum, man wollte gegen alles dies noch einmal in Masse aufstehn. Die muntre Rosalie hat eine Menge Pläne der Art von der Dichterin in den Mund gelegt bekommen. Die leise Ueberschwebung zur Ironie, womit die Künstlerin jetzt dies vorträgt, und es gleichsam unentschieden läßt, ob dies alles voller Ernst sey, zeigte von ihrem feinen Takt. Die Scene, wo sie dem eifersüchtigen Ferdinand in Scherz den Kauf aufsagt, war auch diesmal ihr Gelungenstes. Wie sinnig verbesserte sie auf der Stelle das Fehlwort des alten Grundmanns, als er die Schwestern verwechselt! – Dem. Schubert spielte die Verlegenheitscenen, besonders die vor der Erklärung mit Langers, recht gut im Charakter, müßte aber wohl gleich Anfangs, wo sie sich frei gegen Schwester Rosalie äußern kann, etwas mehr Geist hervorblicken lassen. – Die episodische Rolle von dem Bauernmädchen, der Käthe, wurde von Dem. Schaffner, als Gastrolle, gegeben. Da es dieser jungen Schauspielerin gewiß hoher Ernst ist, sich in einer so schweren Kunst weiter auszubilden, so wird ihr an ¦ allgemeinen Formeln des Lobes wenig gelegen seyn. Sollte sie es erst von uns hören müssen, daß sie eine sehr angenehme, mit vielen Reizen von der Natur begabte Erscheinung auf der Bühne ist; daß ihre Aussprache hell und deutlich, ihre muntere Laune gewinnend, ihr Auge lebhaft und sprechend, ihr Anzug geschmackvoll genannt werden muß? Aber eben darum mag uns der Zweifel erlaubt seyn, ob der, einer idyllischen Schäferin oder Tänzerin vollkommen passende Anzug, in welchem uns heute Käthe erschien, wohl auch auf der Berliner Bühne, die im Costüm so musterhaft ist, in dieser Rolle statt findet? Das Bauermädchen kann ja sehr nett und vortheilhaft angezogen seyn, und so sahen wir sie auch von einer trefflichen Künstlerin spielen. Mag sie immer als verschriebene Braut ganz angesonntagt (endimanchée) auftreten; Corallenschnuren um die Arme und eine so vielfache Band- und Haar-Toilette verträgt sich wenig mit dem, übrigens ganz im Charakter liegenden, dumm-naiven Beliebäugeln im Spiegel und so manchen handgreiflichen Derbheiten, die in dieser Rolle grell genug, aber auf den Haupteffekt eines Schreckbildes für Ferdinand wohlberechnet, ausgesprochen sind. Mit diesem verfehlten Costüm war nun auch das Spiel dieses Käthchens allerdings im Einklang, aber schwerlich im Sinne des Stücks. Ihr Vater nennt sie ja alle Tage dumm! Das muß also bei dieser bäuerischen Naivetät doch der Grundton seyn. Sie ist jener zierlichen Natürlichkeit Susettens, in Malesherbes Rosen, schnurstracks entgegengesetzt. Meisterin im Rein-naiven mag genannt werden, wer beide in einem Accord gleich vortrefflich spielt. An eine Gurli ist dabei nicht zu denken. Und doch erinnerte hier Vieles auch im mimischen Zuspiel, im Ausdruck der Neugier, im trippelnden Gang, in vorwärts-horchender Gebehrde, ganz daran, wie wir Gurli einige Tage früher gesehen hatten. Käthe ist in ihrer Art nichts weniger als einfältig, sie ist sogar schlau. Aber in dem, was wir heute sahen, blickte zuweilen sogar Schalkheit der Art durch, die nicht zum erstenmale in die Stadt gekommen ist. Sollen wir die Meinung mehrer, aufmerksamer Zuschauer, die gewiß mit der freundlichsten Vorgunst für einen liebenswürdigen Gast erfüllt waren, aussprechen, so wäre sie diese, daß unsere junge Gastspielerin in allem noch zu viel thue. Das ächte Kennzeichen des Bäuerischen ist überall etwas linkische Unbeholfenheit und fester Auftritt. Unsere Käthe war sehr beweglich und gewandt. Die Knixe machen die Sache nicht allein aus, wenn sie sich dem alten Herrn nähert. Sie muß verweilend ihn recht anstarren, und dann kann sie erst sagen: er gefällt mir nicht! Gewisse Momente in dieser Rolle müssen die Hände der zuschauer eben so gut, als ihre Lachmuskeln in Zucken und Bewegung setzen. Aber ein Theil des lauten Beifalls gehörte gewiß auch der Spielenden. Der Punkt, wo Lessing’s Kunst und Natur sey auf der Bühne eines nur! auch bei ihr in Erfüllung übergeht, kann nicht fern seyn, sobald sie nur selbst will.

Böttiger.

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Welcher ist der Bräutigam” von Johanna Franul von Weißenthurn am 16. März 1819

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 74 (27. März 1819), f 2v

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