Oberon-Doppelband (WeGA, Serie III, Band 7) frisch erschienen

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Zwar sind es noch drei Jahre bis zum 200. Jubiläum der Erstaufführung von Webers Oberon in London, aber vielleicht ist die gerade frisch erschienene Veröffentlichung der Weber-Gesamtausgabe ja ein willkommener Anlass, sich Webers Schwanengesang neu zu nähern: Seit dem Juni des Jahres liegen die beiden Bände mit der Partitur dieses Werkes in Serie III, Bd. 7a und 7b der Sämtlichen Werke Carl Maria von Webers im Schott-Verlag vor. Begonnen waren die Editionsarbeiten zunächst von Solveig Schreiter (die die librettistische Seite betreute) und Frank Ziegler. Durch Schwierigkeiten mit dem Zugang zu Quellen während der Pandemie-Zeit und immer wieder einzuschiebende andere redaktionelle Tätigkeiten sowie diverse widrige Umstände hatte sich die Fertigstellung verzögert. Mit der Einstellung der neuen Kolleg:innen Salome Obert und Andreas Friesenhagen nach dem Eintritt von Joachim Veit in den Ruhestand entstand dann die Idee, den Doppelband in einer konzertierten Aktion fertigzustellen. Friesenhagen, Obert und Ziegler übernahmen daher aktweise die Fertigstellung der Edition der musikalischen Teile, Solveig Schreiter schloss die Edition des Librettos ab, die Redaktion teilte man sich ebenfalls und die Gesamtredaktion lag in Händen des nunmehrigen Ruheständlers.

Schon während der Vorbereitung war seinerzeit die Entscheidung gefallen, als Hauptquelle nicht Webers Autograph (das heute zu den wertvollen Beständen der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg gehört), sondern die in der British Library erhaltene Uraufführungspartitur zu wählen. Diese war teils noch während Webers Aufenthalt in Dresden von Carl Gottlob Kretzschmar kopiert worden, die in London komponierten Nummern (einschließlich der Ersatzarie für den Sänger John Braham) wurden dann von Webers Begleiter, dem Dresdner Flötisten Anton Bernhard Fürstenau, vor Ort ergänzt. Diese Partitur weist sowohl Eintragungen Webers als auch Zusätze fremder Hand auf und dokumentiert damit die Uraufführungsfassung. In Webers Partiturautograph fehlen dagegen die autographen Vorlagen der Ersatzarie Nr. 5 (separat überliefert in der Bibliothèque Nationale in Paris) und der nachkomponierten Preghiera Nr. 12 ½ (heute Staatsbibliothek zu Berlin). Die Quellenlage ist ansonsten sehr komplex, da sowohl Skizzen und Entwürfe als auch diverse Quellen zu den von Weber autorisierten englischen und deutschen Klavierauszügen existieren. Selbst beim Libretto gab es Überraschungen, ließen sich doch neben dem Druck der englischen Gesangstexte drei, im Jahr 1826 in London erschienene Ausgaben des vollständigen Textbuchs nachweisen.

Viel Diskussionsbedarf ergab sich durch kleinere Abweichungen zwischen Partitur-Autograph und Kopie. Insbesondere die Tatsache, dass die beiden Kopisten Kretzschmar und Fürstenau offensichtlich mit dem Englischen wenig vertraut waren, führte dazu, dass Weber in der Londoner Partitur teils selbst den Text ergänzte und – trotz einer erstaunlichen Kenntnis der Sprache – immer wieder kleinere Probleme mit der Textunterlegung zu beobachten waren (wobei teils auch von fremder Hand eingegriffen wurde). Diesem Aspekt ist daher neben den grundsätzlich oft schwer zu beurteilenden Abweichungen der Bezeichnung von Parallelstellen entsprechender Raum gewidmet. Weber hat in London den ursprünglich gemischt besetzten Chor Nr. 21 (der so auch in der Londoner Abschrift zu finden ist) für dreistimmigen Frauenchor arrangiert – offensichtlich war aufgefallen, dass Männer im Harem eher ungebetene Fremdkörper sind... Diese Version ist, wie auch die ursprüngliche Vertonung der Arie für Braham Nr. 5, im Anhang abgedruckt. Während zu dem Arrangement für Frauenchor aus Platzgründen nur eine Chorpartitur wiedergegeben wurde, ist eine vollständige Version als PDF über die Website der WeGA zugänglich.

Eingehend ist im zweiten Band der Edition die Genese und Überlieferung des Werkes dokumentiert worden. Dazu gehört auch ein Vergleich von Planchés Libretto mit Wielands Vorlage und eine kurze Beschreibung zeitgenössischer deutscher und englischer Dramatisierungen des Stoffes. Beschrieben ist ferner die Entstehung der deutschen Aufführungs-Version (für die deutsche Erstaufführung in Leipzig existiert inzwischen ein ergänzender Themenkommentar ). Schließlich informiert ein größeres Kapitel auch über die Werkbearbeitungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, mit denen immer wieder versucht wurde, den “wunderlichen Schnitt” des englischen Bühnenwerks in der Tradition des melodrama with songs auf eher deutsche Erwartungen anzupassen. Eine separate Wiedergabe der vertonten (und der ursprünglich vorgesehenen, aber nicht vertonten) Texte sowie ein umfangreicher Abbildungsteil ergänzen die Edition, die durch ein detailliertes Register erschlossen wird.

Mit diesem Doppelband ist wieder ein wichtiger Meilenstein der WeGA erreicht – allerdings gibt der Elfenkönig noch nicht Ruhe, denn der von Weber vorbereitete Klavierauszug will ebenfalls noch publiziert werden (in Serie VIII als Bd. 5). Hier ist die Quellenlage so kompliziert, dass sich das Editionsteam entschlossen hat, diese schwierige Aufgabe erneut gemeinsam in Angriff zu nehmen. Es ist geplant, diesen Band (mit zweisprachiger Textunterlegung, d. h. so wie in Webers handschriftlicher Hauptquelle) bis Anfang des kommenden Jahres fertigzustellen.

Joachim Veit, Monday, June 19, 2023

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