Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Calderons Leben ein Traum“ von Gries und „Das Loch in der Thüre“ von Stephanie dem Jüngeren, bearbeitet von C. Jents am 29. bzw. 30. November 1819 (Teil 2 von 2)

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Das Loch in der Thüre.

(Beschluß.)

Wir haben öfter schon in diesen Blättern den Wunsch ausgesprochen, daß es einigen geistreichen Theaterdichtern unserer Tage, gerade jetzt, wo an guten neuen Original-Lustspielen auf unseren Bühnen eine so große Hungersnoth ist, und uns der verbrauchteste Theaterwitz meist in einaktigen Stücken gar kärglich und spärlich zugebröckelt wird, doch gefallen möchte, die bessern alten Kernstücke unserer Bühne in’s verjüngende Bad der Medea zu tauchen und durch neue Bearbeitung zum neuen Genuß anzufrischen. Wie erwünscht war uns also die Nachricht, daß ein Berliner Dichter, der es schon bewiesen hat, daß er lachend dem Zeitgeist an den Puls greifen könne, Stephanie’s vielbelachtes, aber seit 20 Jahren verschollenes und von unsern Bühnenlisten ganz verschwundenes Loch für die verwöhnten Gaumen unserer neuesten Theaterschmecker gewürzt und zubereitet habe. Allein die Aufführung hat gezeigt, daß sich’s der Mann viel, viel zu leicht gemacht hat. Mit ein Paar einzelnen Witzschwärmern, mit einigen Anspielungen auf Gegenstände der Zeit, auf Dampfschiffe, Kaleidoscop, Wellington u. s. w. ist’s nicht gethan. Das Stück hat höchstlangweilige Scenen und Wiedererzählungen. Die mußten sämmtlich gestrichen und überhaupt die langarmigen fünf Akte in drei zusammengezogen werden. Als der Vorhang beim vierten Akte fiel, fragte sich jeder: woher soll noch Stoff zum fünften kommen? Es ist ja alles schon im Reinen. Die ergötzlichen Schlußscenen müßten um 2 Akte früher kommen, aber das Lauffeuer am Schlusse selbst, wo jedes dem Loche noch ein lustiges Beiwort nachruft, nicht weggeschnitten werden. Louise ist ganz überflüssig. Kurz es müßte viel mehr Vortheil aus dem Loche in der Thüre selbst gezogen werden. Hätte es dem neuen Bearbeiter gefallen, viel solche Scenen einzuweben, als die drollige Ohnmachtscene im 4ten Akt, die ganz allein auf seine Rechnung kommt, wo zwei Liebhaber und eine Geliebte in forcirte Ohnmachten versinken und alle drei aus dem herbeigebrachten Wasserglas angespritzt werden, und wäre insbesondere der Charakter des Lieutenant Klings noch etwas mehr ausgebildet worden; so würde dieses erneuerte Stück auf allen deutschen Bühnen mit neuer Lust gesehen werden. Auch so wird’s nicht mißfallen. Aber Mittelgut bleibt’s.

Unsere Schauspieler ließen ihm zwar volles Recht angedeihen, indeß hätte durch noch rascheren Vortrag und manches ergötzliche Nebenspiel das Vergnügen der Zuschauer wohl noch vermehrt werden können. – Mad. Hartwig, die Rollen der Art trefflich zu würzen versteht, gab als Mutter die neugierige, heirathlustige alte Tante mit vieler Wahrheit und einem sehr ergötzlichen Geberdenspiel. Hr. Wilhelmi stattete seinen Klings mit aller ihm gerade jetzt zu Gebote stehenden Munterkeit und Gutmüthigkeit aus. Indeß ließe sich noch Manches ¦ mit Erfolg anbringen. Ein lautaufschallendes Niesen nach dem Erwachen aus der Ohnmacht, die Malerei des verrätherischen Loches durch bezeichnende Geberde, da wo er vor Horchern warnet, eine ununterbrochene Cadenze beim Trällern würde nicht vergeblich an die Zuschauer verschwendet worden seyn, die mit dem besten Willen sich zu entlangweilen gekommen waren. So würden wir auch von allen übrigen Mitspielenden viel Gutes zu erzählen haben, wenn das Stück selbst zu größeren Anstrengungen aufgefordert hätte.

Böttiger.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Das Loch in der Thüre“ von Stephanie dem Jüngeren, bearbeitet von C. Jents (Teil 2 von 2). Der erste Teil ist in der vorherigen Ausgabe zu finden.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 298 (14. Dezember 1819), Bl. 2v

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