Helmina von Chézy vermutlich an Joseph Stich in München?
Dresden, Donnerstag, 22. Mai 1823

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Wohlgeborner Herr!

Ihr verehrliches Schreiben, nebst der Innlage habe ich richtig empfangen, und beehre mich auf dem Rückblatt eine Quittung anzubringen. Sehr schmeichelhaft u erfreulich ist mir Alles Gütige, was Sie mir über meine Arbeit u über mich selbst sagen, u ich wünschte, es zu verdienen. Den Verbrannten laß ich, als Phönix aus der Asche hervorgehen, u sende Ihnen die nun mit der möglichsten Prüfung u Besonnenheit zu Stande gekommene Ausarbeitung; möge sie der gütigen Absicht recht väterlich dafürsorgen zu wollen, würdiger, als zuvor erscheinen!

Eine Entschuldigung über Ihr langes Schweigen, mein Herr Hofrath! bedurfte es nicht. Niemand konnte schmerzlichern u innigern Antheil an dem Schrecken u Verlust, den München betroffen*, aus der Ferne nehmen, als ich, die ich, so lange schon das erhabene königliche Haus so innig verehre u liebe, in München so manche befreundete Seele mein nenne, u überhaupt stets mit Hoffnung u Freudigkeit auf Bayerns Gegenwart u Zukunft blicke. Weit entfernt im Geringsten über das Ausbleiben Ihrer Antwort befremdet zu seyn, hat es mich überrascht, daß Sie, so bald nach solchem Unglück, so freundlich meiner dachten, empfangen Sie dafür meinen herzlichsten Dank. Ich lege Ihnen, als Beweis dieser Gesinnung ein kleines Lustspiel bey, das mit einem, mich überraschenden Eifer hier in Norddeutschland allerseits rezipirt u einstudirt wird, u wünsche, daß Ihr lieber, gemüthlicher König, der so freundlich mit mir sprach als ich die Gnade genoß bey Ihrer Majestät der Königin zu erscheinen, darüber lachen möge, u an mich dabei denken. Sehn Sie dies | kleine Stück als ein Steinchen an, das eine Frau herzuträgt, um den großen Wiederaufbau mit befördern zu helfen, u lächeln Sie nicht über die gutmüthige Meinung, ein guter Wille bringt Segen, u ich habe Hoffnung das Weltlichtlein* wird die Menge locken. Verschmähen Sie also nicht das anspruchlose Geschenk.

Weber ist sehr fleißig an meiner Euryanthe, die hoffentlich auch in München erscheinen wird*. Sie dürfen von seinem Eifer u meinem guten Willen diesmahl etwas Außerordentliches erwarten.

Ich erfahre wohl bald einmahl gelegentl. daß die Abschriften richtig in Ihren Händen sind, u vielleicht das Weitere von der Rollen Besetzung, die mich lebhaft interessirt. Wird Eßlair den Herzog spielen? Oder den Enri.[que]?* Sie sehen, daß mich Ihre Hut verlockt meine Neugier laut werden zu lassen, denn Vertrauen auch kann ausarten.

Mit der auszeichnendsten Achtung
Ewr Wohlgeboren
Ergebenste
Helmina von Chezy
geborne v. Klencke

Apparat

Zusammenfassung

sendet Ausarbeitung des „Verbrannten“ (vermutlich El galán fantasma); legt auch kleines Lustspiel (Der neue Narziß) bei; berichtet, dass Weber fleißig über Euryanthe wäre

Incipit

Ihr verehrliches Schreiben, nebst der Innlage habe ich richtig empfangen,

Generalvermerk

Der Brief ist nicht adressiert, es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass er an den Münchner Hoftheater-Intendanten Joseph Stich gerichtet war und mit dem Brief von Joseph Stich an H. v. Chézy vom 24. September 1823 in Zusammenhang steht.

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (D-Bbbaw)
    Signatur: NL H. von Chézy 881, Nr. 36

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Ausschnitt in: Till Gerrit Waidelich, „Durch Webers Betrügerey die Hände so gebunden“. Helmina von Chézys Kampf um die Urheberrechte an ihrem Euryanthe-Libretto in ihrer Korrespondenz und Brief-Entwürfen, in: Weberiana. Mitteilungen der Internationalen Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft e. V., Heft 18 (2008), S. 41

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