Über die Euryanthe (Entwurf)

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Euryanthe
vide No 151–152 der Ab: Z.

Wien. Julius 1825 Wo sich noch immer Stimmen über die längst besprochene Oper erhoben sey auch der Dichterin noch ein Wort über eine Arbeit vergönnt, welche die Frucht ausdauernder Bemühungen von Okt: 1821 bis Julius 1823, u der vollkommensten Uebereinstimmung mit dem Wunsch u Bedürfniß des genialen Componisten ist. Diejenige Version, welche Ihm die erwünschteste Grundlage bot, ist die Eilfte, und ich besitze sie alle. Die Gründe, welche uns bestimmten den Namen bisweilen abzukürzen, liegen Jedem nah, der nachdenken will, und Musik versteht, ja, noch etwas näher, als der Gedanke es sey aus Unbehülflichkeit, oder aus Unkenntniß geschehn! Es stünde schlimm mit mir, wenn ich mich jetzt, nach 26 Jahren ausdauernden Fleißes noch in Knittelversen schulmeistern lassen müßte! Abkürzungen bei Namen in ernsten Dichtungen sind nichts Ungewöhnliches, übrigens heißt es auch im Original: Euriant. Ich habe hier keine Gelegenheit andre Zeitschriften zu bekommen, als die mir zugeschickt werden, somit habe ich Beurtheilungen von Männern | wie A. Wendt u. St. Schütze, welche mir schon durch den Namen anziehend seyn würden, noch nicht zu lesen bekommen können, u blos davon gehört. Ob andre, als H. Kalophilos getadelt, daß ich das Veilchenmahl nicht beibehalten weiß ich nicht, würde mich aber selbst darum tadeln, wenn es nicht unmusikalisch, mithin für die Operndichtung undramatisch wäre. Die Sache ist lange u reiflich überlegt worden, Männer vom anerkanntesten Kunsturtheil haben ihre Stimmen dazu gegeben, wie überhaupt bei der ganzen Arbeit mit der besonnensten Ueberlegung u mit der liebevollsten Rücksicht für die Wünsche des Tondichters zu Werke gegangen wurde. Wir haben uns oft über einzelne Szenen, oft über einzelne Wortstellungen drei Stunden lang berathen. Weber selbst hat für unerläßlich gefunden in die letzte Version hinein zu arbeiten, wo ich noch jede Stelle nachweisen kann. Er hat die Rezitation nach Gutbefinden zugeschnitten, zusammengedrängt, oder Eignes hineingeschoben, u hatte überhaupt zu mehreren Chören, selbst zu Arien das Silbenmaas angegeben. Im Schluß sogar Eignes eingelegt: z. B. Ich ahne Emma u den Schlußchor selbst gemacht. Ich ließ ihn gewähren, selbst da, wo ich fürchten mußte die Sorge für eignen Ruhm mit der für | das Bedürfniß des Meisters nicht ganz vereinigen zu können; ich glaube auch nicht Unrecht dabei gethan zu haben. Jouy’s Vestale ist ganz von Ihm, ein Meisterstück, und darnach heißt sie „Spontinis Vestale“. dagegen hat auch Jouy seinen Dicht nicht auf die Vestale gewartet, seinen Dichterruhm zu begründen. daß man sich über eine so sorgfältig für den musikalischen Zweck durchgearbeitete Dichtung äußern würde, wie über den ersten schwachen Versuch einer jungen, hoffnungvollen Dilettantin ist freilich eine Galanterie, die ich in reifern Jahren nicht mehr erwarten durfte, u die Weber nicht minder überraschen mußte, als mich. Der Mangel an Dichtern ist nicht so drückend, daß er nicht Andre gefunden hätte, es kann ihm nicht schmeichelhaft seyn einen Text so herabgesetzt zu sehn, von welchem Er oft u laut gesagt: Er sey die schönste deutsche Oper*, u wiederum: Er ließe sich keine Silbe davon abnehmen! Auf losen Grund hätt[e] er nicht bauen können, hätte die Dichtung nicht in sich dramatischen Werth so würde auch durch die Musik keiner hineingekommen seyn, u sie würde keine dankbaren Stellen haben, in welchen gefeierte Künstlerinnen u Künstler auch im Spiel glänzen können. | Bei allem, was gewichtige Kunstrichter mit Recht daran ausstellen könnten, kann ich nur zur Antwort geben, daß die Dichtung anders seyn müßte, wenn sie ein Drama wäre, den Splitterrichtern aber möge die Zukunft sagen: „Und der Lebende hat Recht!“ denn ich darf hoffen, daß die Euryanthe wird leben bleiben!

Helmine von Chezy
geb Fr Klencke

[Originale Fußnoten]

  • * Da der Componist selbst so viel dabei gethan, so nehme man dies Zitat nicht für Eitelkeit der Dichterin, die nur Werkzeug war!

Apparat

Zusammenfassung

Vertheidigung der Chézy gegenüber Kritik in der Abendzeitung Nr. 151/152

Incipit

Wo sich noch eine Stimme über die längst besprochene Oper erhoben sey auch der Dichterin noch ein Wort über eine Arbeit vergönnt,

Generalvermerk

vgl. auch das Manuskript einer geplanten Veröffentlichung (Euryanthe-Replik )

Entstehung

Juli 1825

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Veit, Joachim

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (D-Bbbaw)
    Signatur: NL H. von Chézy 100

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S.)

Textkonstitution

  • Uebereinstimmung„Über[…]“ durchgestrichen und ersetzt mit „Uebereinstimmung
  • „Eignes“über der Zeile hinzugefügt
  • Schlußchorschluß“ durchgestrichen und ersetzt mit „Schlußchor
  • „schluß“unsichere Lesung
  • „ganz von Ihm“über der Zeile hinzugefügt
  • „seinen Dichtdurchgestrichen
  • „Dicht“unsichere Lesung
  • „daß“durchgestrichen
  • Euryanthe wird„Dichtung“ durchgestrichen und ersetzt mit „Euryanthe wird
  • !„wird.“ durchgestrichen und ersetzt mit „!

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