Korrespondenz-Nachrichten aus Prag, 17. März 1812

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Prag, den 17ten März. Es ist für alle Freunde der Tonkunst in Prag ein sehr erfreuliches Ereignis, dass sich seit kurzem aus allen Ständen ein musikal. Verein gebildet hat, um Liebhaber-Concerte zu geben. Zeichnete sich doch bekanntlich Böhmen von jeher durch Beförderung der Tonkunst aus, und war doch dies Mittel dieser Beförderung so lange ein Wunsch der gebildetsten Kunstfreunde, der sich gewöhnlich an den, einer eigentlichen Bildungsanstalt für junge Musiker, anschloss. Dass dieser letzte Wunsch durch unser Conservatorium seit einigen Jahren ebenfalls erfüllet sey, wissen Ihre Leser durch den Bericht*, der bey der Stiftung und Gründung desselben, ertheilt worden ist. Es sey erlaubt, darüber hier nur noch beyzubringen, dass dies Institut sich als ein schönes und gewiss nicht unwichtiges Privat-UnternehmenΔ immer mehr bewährt. Die wiederholten Prüfungen der Fortschritte der Zöglinge übertrafen die Erwartung und erregen mit Recht die Hoffnung wahrhaft ausgezeichneter Resultate. Erfreulich ist gewiss jedem Kunstfreunde, auch dem auswärtigen, dieser Beweis, was ächter kunstliebender Sinn, wenn er beharrlich ist, auch gegen nicht geringe Hindernisse vermag. – Auch die Liebhaber-Concerte fanden anfänglich manche Schwierigkeiten. Welches neue Unternehmen bliebe frey davon!Δ Da man aber blos die Sache berücksichtigte, und alle kleinlichen Nebenumstände entfernet hielt, so gelang es, den wohlgefassten Plan ausgeführt zu sehen, der darauf angelegt war, gesellschaftliches Vergnügen durch Musik zu befördern, zu welcher alle Freunde und Freundinnen der Tonkunst, aus allen Ständen, wenn sie Geschicklichkeit zur Ausführung besässen, thätig mitwirken sollten. Die Kosten sind durch mehrere Subscribenten gedeckt; der Ueberschuss dient zur Unterstützung der Zöglinge des Conservatoriums*: und so wird mit dem Angenehmen auch das Nützliche gepaart. Alle Freunde der Tonkunst lernen sich nun hier kennen, nähern sich einander, sind vereinigt zu Einem Zweck: da leuchtet es denn von selbst in die Augen, wie vieles Angenehme und Vortheilhafte, und sogar nicht für die Kunst allein, damit bewirkt werden kann; für die letztere aber, namentlich für die Bildung eines reinen, edlen, sichern Geschmacks, offenbar mehr, als durch alle vereinzelte Cirkel, worin man in dem Umfange immer, in der Wahl der auszuführenden Stücke oft, sehr beschränkt ist. Wir haben uns diesmal zwar nur vier solche Concerte zu versprechen: jeder wahre Musikfreund wünscht und hofft aber, die Vereinigung werde auch für künftige Jahre bestehen. Am 13ten* wurde das erste Concert im Redoutensaale gegeben. Dies war der Inhalt: Symphonie von Wilms*, Scene und Arie von Beethoven*, Klavierconc. von Mozart*, drey Sätze aus Beethovens Septett, Duett aus Titus*, Symphonie von Haydn*. Die Ausführung gelang zu allgemeiner Zufriedenheit, und die, einiger Stücke, wirklich ausgezeichnet. Eine detaillirte Kritik derselben erwarten Sie aber von mir nicht. So wenig ich die Bedenklichkeiten derer theile, welche, sey es nun aus missverstandenem Patriotismus oder aus tadelnswerthern Gründen, an freymüthiger Beurtheilung öffentlicher Productionen der Künstler von Profession Aergernis nehmen; so wenig halte ichs für recht und human, die Bestrebungen der Liebhaber vor das Forum der Kritik zu ziehen, und an dieselben wol gar einen Maasstab zu legen, der nur für Virtuosen oder ein jahrelangΔ eingeübtes Orchester passt, und überdies gewöhnlich die allgemeine Theilnahme, wie den Muth und die Freude der Theilnehmenden selbst, stört. Ist es doch durch solches Hervorziehen ins Publicum schon dahin gekommen, dass die männlichen und weiblichen Dilettanten die Kritik als ein furchtbares Inquisitionsgericht ansehen; und darum, besonders die letztern, auch bey ausgezeichneten und ausgebildeten Talenten, hier und da sich lieber von dergleichen Unternehmungen zurückziehen. Ich werde deshalb von diesen Concerten immer nur, wie oben geschehen, den Inhalt, und, was die Ausführung anlangt, das allgemeine Resultat mittheilen: dies beydes gehört in die allgemeine Kunstgeschichte – jenes, den im Ganzen herrschenden Geschmack, dieses, den Stand der Cultur zu bezeichnen. Der Anfang war in beyden Hinsichten, wie Sie selbst bemerken, lobenswürdig; und es stehet mit Sicherheit zu erwarten, auch der Fortgang werde es seyn, und so werde auch durch dieses Institut Prag seinen alten Ruhm, als einer der Tonkunst ausgezeichnet befreundeten Stadt, von neuem behaupten.

Tr–le.Δ

Apparat

Generalvermerk

Zuschreibung nach Sigle (= Triole)

Entstehung

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 14, Nr. 14 (1. April 1812), Sp. 229–231
  • 2. Textzeuge: ohne Verfasserangabe, Nachrichten, in: Musicalische Zeitung für die österreichischen Staaten, Jg. 1, Nr. 2 (30. April 1812), S. 9–10*

    Einzelstellenerläuterung

    • „den Bericht“AMZ, Jg. 12, Nr. 50 (12. September 1810), Sp. 803–807.
    • „Conservatoriums“Zu dem 1810 gegründeten Prager Konservatorium vgl. Kom., 1812-V-02.
    • „13ten“13. März 1812.
    • „Symphonie von Wilms“Welche Sinfonie von Johann Wilhelm Wilms aufgeführt wurde, war nicht zu ermitteln.
    • „Scene und Arie von Beethoven“Vermutlich: Ludwig van Beethoven, Szene und Arie „Ah! perfido“ op. 65.
    • „Klavierconc. von Mozart“Nicht ermittelt.
    • „Duett aus Titus“Das Duett Servilia und Annio (Nr. 7) „Ah perdona al primo affetto“ oder das Duettino Sesto und Annio (Nr. 3) „Deh prendi un dolce amplesso“.
    • „Symphonie von Haydn“Nicht ermittelt.

    Lesarten

    • Textzeuge 1: unwichtiges Privat-Unternehmen
      Textzeuge 2: unwichtiger Privat-Unterricht
    • Textzeuge 1: Welches neue Unternehmen bliebe frey davon!
      Textzeuge 2: Text nicht vorhanden.
    • Textzeuge 1: jahrelang
      Textzeuge 2: lang
    • Textzeuge 1: Tr–le.
      Textzeuge 2: Text nicht vorhanden.

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