Karl Friedrich Ludwig Kannegießer an Ignaz Franz Edler von Mosel in Wien
Prenzlau, Mittwoch, 26. September 1821

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Lange, lange, hochverehrter Mann und Freund, – denn ich fühle nicht bloß eine hohe Achtung, sondern auch die wärmste Zuneigung für Sie, und warum sollte ich dieß nicht aussprechen. – lange habe ich nichts von Ihnen d. E. durch Ihre eigenen theuren Schriftzüge vernommen, und in der That ich habe es auch nicht erwartet, oder es auch nicht zu erwarten gewagt. Sie sind in Rang und Würden gestiegen, und wenn diese freilich, die äußern, eine Nebensache zu sein scheinen für den Menschen von innem Rang und innrer Würde, so sind sie doch für diesen nicht unwichtig, in sofern seine Wirksamkeit dadurch einen größern und freiern Spielfraum gewinnt, so sind sie auch für die befreundete Seele erquiklich, weil es dem Herzen wohlthut, wenn der irdische Lohn an den rechten Mann fälllt, und das Glück seine Gaben einmal mit Vernunft und Weisheit austheilt. Und so freue ich mich denn Ihrer Erhebung, Ihres größern Wirkungskreises besonders um dieses Kreises selbst willen, dem davon mehr zu Gute kommt als Ihnen, denn ob Sie selbst mit der Vermehrung des äußern Geschäftes so ganz zufrieden sein mögen, ist wenigstens zweifelhaft, wenigstens ist mir diese mehr körperliche Thätigkeit häufig störend und zuwider, obgleich ich mich in dieser Rücksicht mit Ihnen keineswegs | vergleichen kann. Aber, es kann es nicht leicht einer mehr wünschen als ich, daß Sie mit allen Ihren Verhältnissen so recht zufrieden sein mögen und daß Ihnen eben Muße und Lust übrig bleiben für die Musik, die Ihnen so hold ist. Wie glücklich sind die Komponisten doch, oder vielmehr die Liederkomponisten, da mein Verständniß von der Musik nicht viel darüber hinausreicht: aber um so wärmer lieb’ ich auch vielleicht – dieß beschränkte–Feld der Tonkunst. So eben hab’ ich noch wieder gespielt und hat meine Frau Ihre Lieder gesungen, auch das Ihrige und meinige „Zur Heimat* und immer werther wird mir, besonders dieß letzte, eben wol weil ich es selbst empfunden habe, und immer mehr scheint es die Komposition nur vollkommen und unverbesserlich zu sein. So fiel mir noch heute wieder die Stelle auf „vielleicht daß nicht mehr lang es währt“ wo der Übergang in C dur eine so schöne Wirkung oder vielmehr eine so toderfassende macht, die aber durch die folgenden Akkorde gleich wieder gemildert wird. Können Sie es da unartig finden, wenn ich Ihnen noch ein Lied abdringen möchte, denn einen oder ein paar Texte haben sie ja wol noch von mir, und so auch der geniale Beethoven, an den ich wol erinnern möchte, aber von dem ich wol nichts zu erwarten habe, da er, wie ich | in der musikalischen Zeitung lese, schon fast ganz abgestumpft ist. An Sie also muß ich mich halten. Denken Sie in der Muße einmal an mich, und wie ich mich freuen werde, von Ihnen wieder etwas zu lesen und zu hören. Meine Muße ist leider jetzt auch etwas beschränkter als sonst, so daß ich für die Wienerzeitung* des H Schikh noch nicht eben habe thätig sein können, indeß doch nächstens etwas einschicken werde, um mir die Probehefte zu verdienen, die mir der Redakteur gefälligst zugeschickt hat. Aber ich komme wieder und immer auf Sie zurück und auf mein großes Begehren, an Ihre Liedermuse. Würden Sie denn nur nicht angehalten und entschuldigen Sie meine Zudringlichkeit mit der Stärke meines Wunsches! Und was werden Sie vollends sagen, wenn ich Ihnen über kurz oder lang ein ganzes Bändchen von Liedern zuschike, wenigstens gehe ich damit um, das Erträglichste meiner kleinen Muse drucken zu lassen. Darf ich auch eins davon anbieten, den Sie haben vielleicht meine Sächelchen verloren oder verlegt? –

Leben Sie wohl, recht wohl, theuerster Mann! Empfehlen Sie mich dem trefflichen vereherungswürdigen Beethoven, und vor allem – vergessen Sie nicht mein, und meiner Frau, die Ihre Lieder so gern singt. Kannegießer, Rektor.
Verte.

Apparat

Zusammenfassung

hat lange nichts von Mosel gehört, gratuliert ihm zur Beförderung; über die von Mosel auf seine Texte komponierten Lieder; erinnert daran, dass auch Beethoven noch Texte von ihm habe; will bei mehr Muße auch für Schickh wieder etwas senden, vielleicht auch einen Band mit Liedern zum Druck

Incipit

Lange, lange, hochverehrter Mann und Freund

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Wien (A), Wien Österreichische Nationalbibliothek (A-Wn)
    Signatur: Autogr. 8/85-4

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
    • auf Bl. 2v Gedicht: An die Unbekannten: „Ach, denk’ ich es bisweilen recht....“

Textkonstitution

  • „die Komposition“über der Zeile hinzugefügt
  • „auch“über der Zeile hinzugefügt
  • „den“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… Ihrige und meinige Zur Heimat“Text in der Ausgabe von Kannegießers Gedichten (Breslau: Reinhard Friedrich Schoene’s Buchhandlung, 1824) auf S. 66f.
  • „… daß ich für die Wienerzeitung“Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode.

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