Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
München, Dienstag, 18. und Mittwoch, 19. Juli 1815 (Nr. 9)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt.

Sängerin und Schauspielerin

zu

Prag.

Gegen Recipisse.

Drey Tage sind es schon, daß ich nicht anderst als in Gedanken mit dir meine theure Lina sprechen konnte. d: 14t wo ich meinen Brief No: 8 an dich abschikte, arbeitete ich den übrigen Vormittag, gab LectionT, aß zu Hause, und ging Abends in die Vorstellung der Oper des Wettkampfs von Poisl*. d: 15t war Bärmanns Namenstag Heinrich, wo ich mancherley für ihn zu arrangiren hatte*, und ihn auch den ganzen Tag außer dem Hause herumschleppen muste, damit er von den Anstalten zum Abend nichts merkte.      eine kleine gewählte Gesellschaft* versamelte sich da und war recht vergnügt. ich trank deine Gesundheit im stillen, und erfreute mich an dem Frohsinn der übrigen, und gab mir auch alle Mühe sie nicht zu stören wenigstens. Das dauerte bis spät in die Nacht. d: 16t früh exerzirt. dann LectionT, Mittag mit Bärmann pp bey dem Instrumentenmacher Dülken. recht angenehm nach Tische viel gespielt, dann ins Theater. ein neues schlechtes Ballet*. Gestern d: 17t erhielt ich früh einen Brief deiner lieben Hand ohne Nummer und ohne Datum. als Antwort auf meine No: 5, also wahrscheinlich vom 12t Die Stimmung die aus ihm spricht, war eben nicht geeignet die meinige zu heben. und ich verbrütete so den Vormittag, Mittag hatten wir Gäste. nach Tische wurde Musik gemacht, und gegen Abend zu dem Banquier Mayer in seinen Garten gegangen wo wir zu meiner Verzweiflung bis ½ 12 Uhr blieben.

Wie sehr beklage ich dich, du armes Herz, daß selbst dieser einzige und lezte Umgang Dir soll genommen werden. und doch ist hier kaum zu rathen und zu erwägen. ich glaube in meinem lezten Brief alles ausgesprochen zu haben was sich darüber sagen läßt. Aber vor allem geliebte Seele laß Dich nicht so ergreiffen von unausweichlichen Zufällen. ertrage sie mit Faßung, folge deiner einmal gefaßten Ueberzeugung, und suche und grüble nicht zu ängstlich allen möglichen und denkbaren Auslegungen und Urtheilen der Menge nach.      Es ist schon sehr schlimm daß du dich scheuest daß H: v: H:* die Ursache deines Kumers entdekt oder weis. ich schäme mich durchaus nicht einen Augenblik des tiefen Schmerzes und des Kummers der über mich ausgebreitet liegt, und ich würde keinen Augenblik Bedenken tragen, auf eine herzliche Frage, zu gestehen, daß dein Verlust ihn erzeugt hat, ja, ihn ewig erhalten wird. Warum also scheuest du dich vor ihm hast du Ursache für mich in seinen Augen zu fürchten? daß du schreibst er soll nicht Recht haben? Ist es nicht dein Wille, Dein Entschluß der mich von dir stößt, fürchtest Du in seinen Augen die Verlaßene zu sein? Nein mein theures geliebtes Leben, da muß deine Ueberzeugung dich aufrecht erhalten, in diesem Punkte muß dir gleichgültig sein können was Er davon denkt da Du des beßern gewiß bist. führt nicht jeder meiner Briefe den deutlichsten Beweiß mit sich, daß Er nicht Recht hat? ja wenn es einen Fall geben kann, wo dir an einem solchen Beweise liegen | kann, so schalte über sie nach Gutdünken, sie sind die Sprache meines innersten Gefühls, sie sollen es wie ich, vor Jedermann vor der ganzen Welt bekennen.      Ihm oder wem es sey vorgelegt sollen sie es bezeugen daß ich dich innigst liebe, daß unsre Trennung, – durch unglükliche Verhältniße, deinem Willen gemäß erzeugt, wo du nicht den Muth hattest mich rüksichtlos zu lieben, und ich nicht den Muth dir eine wahrscheinlich unglükliche Zukunft zu bereiten – mich für ewig aller Freude aller Ruhe beraubt, und daß mit dir alle Hoffnung auf Frohsinn und Glük in mir erstorben ist. —      Sieh, da bin ich wieder so finster und ernst geworden, und wollte doch nur freundlich mit meinem Mukkerl sprechen. Sey nicht böse theure Lina. aber gräme dich auch nicht, sonst muß ich Zanken. — Puntum.

Der Wallenstein mag wohl Schuld sein, daß H: Liebich mir nicht antwortet*. ja nu, ich freue mich daß er wieder gesund ist.      Mit meiner Gesundheit geht es ziemlich, und ich darf eigentlich meinem Aussehen nach gar nicht klagen.      ich klage auch nicht. —      Nach deines Bruders Verhältnißen* werde ich mich zu erkundigen suchen. wollte der Himmel ich könnte ihm in etwas nüzlich sein. dem hiesigen Theater steht auch eine gewaltige Krise bevor, denn alles arbeitet auf den Sturz des Intendanten Lamotte los.      ich gehe wegen meinem ConcertT dieser Tage zu ihm, da will ich ihn fragen wegen Louis. Mit dem Spielen bey der Königin ist es nichts. Hoftrauer* pp

Grüße die Mutter von mir, und wünsche ihr aufrichtig gute Beßerung. Sie ist ja gut gegen dich.      Bald wirst du mir nicht mehr hieher schreiben dürfen, denn noch immer bin ich entschloßen d: 1t August abzureisen.      Mein nächster Brief wird dir darüber bestimmteres sagen.

Lebe wohl geliebter Mukkel, sey heiter, stark und vertraue in Liebe Deinem treuen Carl.

d: 19t

Guten Morgen, theure Seele, in Eile noch vor Abgang der Post ein paar Worte meinem geliebten Mukkerl. Gestern ist der Tag meines Concerts also bestimt auf 26 oder 27t angesezt worden. denke also diese Tage meiner.      Abends war bey dem Baron Brioli Gesellschaft und Musik, wo ich sehr viel spielen mußte*. das dauerte bis 2 Uhr und ich war sehr angegriffen, deßhalb habe ich auch heute verschlafen, und bin eben jezt ½ 9 Uhr aus dem Bette gesprungen um dir nur noch einen guten Morgen zu sagen.      Der Louis komt hieher. ich habe den Intendanten darüber gefragt*.      möge er hier ruhig und still sizzen, denn hier giebt es viele Partheyen, und Kabalen aller Art. |

Nun lebe wohl, geliebtes Leben. sey froh und heiter und denke in schöner Errinnerung an deinen dich ewig liebenden treuen Carl.

Apparat

Zusammenfassung

Tagebuch 14.-17. Juli; Privates; über Theaterverhältnisse in München; betr. Anstellung von Caroline Brandts Bruder am Münchener Theater; teilt Konzerttermin für München mit; will München am 1. August verlassen

Incipit

Drey Tage sind es schon, daß ich nicht anderst

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 58

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt.: a) R. 4. MÜNCHEN | 19 JUL. 1815; b) Chargé
    • Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Bartlitz (Muks), S. 160–164 (Nr. 26)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Oper des Wettkampfs von Poisl“Aufführung im Hof- und Nationaltheater; vgl. Webers Urteil im Tagebuch.
    • „… für ihn zu arrangiren hatte“Vgl. Tagebuch sowie Wohlbrücks „Großes Deklamatorium“.
    • „… merkte. eine kleine gewählte Gesellschaft“Acht Personen sind im Tagebuch erwähnt.
    • „… Theater. ein neues schlechtes Ballet“Die Geburt der Göttin von Paphos von Peter Anton Crux; Aufführung im Hof- und Nationaltheater.
    • „… daß H : v: H:“Vermutlich identisch mit jenem „H:“, der auch im Brief vom 19./20. Juni 1815 erwähnt wird, auf jeden Fall mit dem „H: v: H:“ im Brief vom 14. Juli 1815.
    • „… H: Liebich mir nicht antwortet“Am 10. Juli hatte Wallensteins Tod in Prag Premiere und Liebich spielte die Titelrolle.
    • „… — Nach deines Bruders Verhältnißen“Nach Ende seiner Co-Direktion am Bamberger Theater im Juni 1815 suchte Louis Brandt eine neue Anstellung, die er nach Gastspielen in Würzburg (Juli/August) und Karlsruhe (September/Oktober) im November 1815 bei der Gesellschaft von Caroline Müller in Düsseldorf fand.
    • „… ist es nichts . Hoftrauer“Zum Grund vgl. den Brief vom 26. Juni 1815.
    • „… ich sehr viel spielen mußte“Vgl. dazu die Hinweise im Tagebuch.
    • „… habe den Intendanten darüber gefragt“Die (offenbar geplante) Anstellung (bzw. ein Gastspiel) von Louis Brandt in München in diesem Jahr lässt sich weder anhand der Münchner Theaterzettel noch durch Theaterberichte in der Presse nachweisen.

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