Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
München, Samstag, 26. August und Sonntag, 27. August 1815 (Nr. 19)

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Meine liebe theure Lina!

Du bist wohl recht gut in deinem lieben Brief Nro: 16* vom 16t und 18t huj: und ich habe dir vielleicht wehe gethan durch den Anfang meines Briefes No: 16. Verzeihe mir, geliebte Seele. ich war sehr niedergedrükt, aber doch kam keine Idee in mein Inneres die mein Mukerl hätte erniedrigen können. ich hielt es für eine Art von Klugheits Maasregel, die dich vielleicht ein paar Tage lang ergriffen hätte – – das that mir freylich sehr wehe, aber ich hoffte doch immer noch von deinem Herzen, daß es mir diese lezte Freude nicht ganz versagen würde.      dieser Brief also ist der erste den ich so gleichsam in die unabsehbare Ferne hinausschreibe – da ich keine Antwort auf ihn mehr erhalten kann. – Es wird mir recht schwer, zusammenhängend zu schreiben. ich muß oft die Feder hinlegen und ausruhen von der Gedanken Fülle die mich drängt, und die ich so unfähig aus zu sprechen bin.

Du freust dich auf meine Rükkehr? täuschest du dich nicht selbst darin? O Nein! warum solltest du nicht, warum soll nicht der Gedanke dir tröstlich sein, das Wesen in deiner Nähe zu wißen, das nur in Dir lebt, bey dem du jeden Augenblik Trost und Hülfe mit Gewißheit erwarten, ja fodern kannst.      daß ich dich durch keine Handlung irgend einer Art betrüben werde, kannst du sicher glauben, immer wird mein liebstes mein heißestes Streben sein, dich glüklich zu sehen. Möge dieß endlich der Himmel durch das einzig wirkende einzig mögliche dazu, durch eine festere Richtung deines Charakters bewirken, damit dir einst selbst unter allen Schiksals Stürmen das Selbst Gefühl bleibt, das einzig beruhigende, und tröstende, – größer und beßer als dein Schiksal gewesen zu sein. – lächle nicht über mich wenn ich so zu dir spreche. Es sind ja die lezten Laute, die ich dir gerne so tief so unauslöschlich in die Seele prägen möchte.      Kälter mögen sie dich freylich ansprechen, als in jenen schönen Augenblikken wo ich mit dem ganzen Feuer meiner Liebe, und dem glühenden Streben für dein beßeres Selbst zu wirken, neben dir saß, und freylich oft zu heftig und bitter in der zarten Wunde wühlte. – aber wahrlich, scheint es auch todt vor dem kalten Papiere, es komt doch auch aus dem noch eben so warm schlagenden Herzen, ist noch eben des reinen Ursprungs, noch eben so voll der heißesten Wünsche für dein Wohl. –

Ich bin wohl viel beßer daran als du; an mich drängt sich Niemand eher flieht alles den ernsten Weber, und ich kann so viel ungestörter meinen Träumen leben. Zuweilen peinigt mich freylich das aufmuntern sollende Betragen meiner Freunde. Wie sie auf Vermuthungen hin mir Heiterkeit ansprechen wollen, und mir mancherley Pflichten aufzählen. – o ich bin auch brav. ich bin geduldig und willig wie ein Lamm, und thue 1000 Dinge durch mit einer Gefälligkeit die ich wohl sonst nicht in dem Grade gehabt hätte, um nur nicht eigensinnig und gerne im Trüben beharrend zu scheinen.      aber Sie glauben mir es doch nicht recht mit meiner Beßerung – o weh, da werde ich gestört – |

Meine herannahende Abreise macht mir wieder viel zu schaffen, nun will mich Jedermann noch einmal haben, jeder Augenblik soll noch benuzt werden, und ich habe noch so viel dringende Arbeiten zu vollenden. Mehrere LandParthien habe ich ausgeschlagen, ich kann mich nicht dazu entschließen, obwohl das Wetter seit 3 Tagen sehr schön ist. eine QuartettMusik ist das einzige was mich anziehen kann, und zwar gröstentheils aus Pflichtgefühl.      Gestern Abend war eine solche bey uns dem Oberst Call zu ehren, und um mein neues Quintett für Bärmann, zu probiren. Es war ein recht schöner musikalischer Abend. wir waren ganz unter uns 10 Männer, die 6 Musizirenden mit eingeschloßen*. Call hat ein einziges Talent so schön und geschmakvoll zur Guitarre zu pfeiffen, daß es ungemeines Vergnügen macht. so haben wir denn bis 1 Uhr in den Tönen gewühlt, und ich habe oft an meinen lieben Mukel gedacht, der sich gewiß gefreut hätte, wenn er es hätte hören können. Bärmann besonders hat wie ein Engel geblasen, und würde dich eben so ergriffen haben wie mich.

Ich begreiffe sehr wohl geliebte Lina, ja ich weiß es zu gewiß aus eigner Erfahrung wie jede Kleinigkeit, jeder anscheinend geringe Anstoß, Stoff zu neuer Schwermuth giebt. ein solcher ist deine Begebenheit mit dem TodesEngel. aber ich bitte dich, gieb deiner gereizten Phantasie nicht solche Bilder, wiege dich nicht gerne im Schmerze, bedenke, daß du Pflichten gegen dich, die Welt und gegen mich hast. hast du vergeßen wie heilig Du mir versprachst brav zu sein. wie ich dich beschwor alles zu thun um Ruhe und Heiterkeit zu erringen, wie du mir aufs innigste versprachst deine Gesundheit zu schonen, – und wenn Du sie um nichts willen schonen willst, – doch um meinetwillen. Kann es etwas schreklicheres für mich geben, als dich so in dir selbst vergehen zu sehen.      Werde ich mir es je verzeihen können mich einer Hoffnung hingegeben zu haben, die für mich und in meinen Verhältnißen nur thöricht sein konnte. Nein! mir soll sich Niemand theilnehmend nahen, der nicht auch das trübe was das Schiksal über mich verhängt hat, mit mir tragen soll.      Wie mir der Stempel einer vorzüglichen Gabe aufgedrükt war, ward es zugleich der Fluch, ewig allein zu stehn, mit meinem Herzblut andre zu erquikken und darüber endlich zu Grunde zu gehen. – darum geliebtes Leben, laße mir den einzigen Trost entgegenlächeln, daß die Unbesonnenheit die meiner heißen Liebe erlaubte sich offen und innig dem geliebten Wesen zu zeigen, – nicht so hart bestraft werde, daß eben dieses Geliebte dadurch um seine Ruhe und sein Glük gebracht ist.      Laß mich von der Zeit vor der Entfernung noch hoffen, daß selbst Heiterkeit und Frohsinn dich wieder beleben werden. und du nur dann an deinen Carl denkst, um dich doch so mancher schönen Stunden, und seiner innigen Liebe zu errinnnern.      der Himmel gebe, daß die lezten Briefe die ich von dir erhalte, mir diese schöne Hoffnung nicht ganz zerstöhren mögen, und daß du dadurch einige Beruhigung schenkst deinem dich ewig treu liebenden Carl.

ich küße Dich Millionenmal [Kußsymbol]

Apparat

Zusammenfassung

Schmerzliches; habe mit Bärmann und anderen Freunden das Quintett probiert

Incipit

Du bist wohl recht gut in deinem lieben Brief

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A a 1, Nr. 13

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • auf der 1r oben rechts Ergänzung von Jähns mit Bleistift: München.
    • auf 1v unten links Vermerk von Jähns: Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.

    Provenienz

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Bartlitz (Muks), S. 199–203 (Nr. 36)

Textkonstitution

  • „und 18tüber der Zeile hinzugefügt
  • s„ß“ überschrieben mit „s
  • „auch“durchgestrichen
  • „durch“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „Brief Nro: 16“Dieser Brief ist eigentlich Brief Nr. 17. Näheres wird an besagtem Brief erläutert.
  • „… die 6 Musizirenden mit eingeschloßen“Im Tagebuch sind acht Personen genannt (dazu Weber und H. Baermann).

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